736
Wolle (Streich- und Kammwolle, technische Behandlung).
der es an Dehnbarkeit fehlt, heißt spröde. Die Festigkeit (Stärke, Kraft, Nerv, Haltbarkeit) ist unter Berücksichtigung der Feinheit und der übrigen Eigenschaften zu ermitteln. Ein einfaches Wollhaar erfordert zum Zerreißen je nach Feinheit und Güte ein Gewicht von 3-46 g. Die Elastizität soll einen mittlern Grad erreichen und eine Flocke W. nach dem Zusammendrücken oder Ausdehnen ihre ursprüngliche Gestalt langsam und gleichmäßig (nicht plötzlich, gleichsam im Sprung) wieder annehmen.
[Arten, technische Behandlung.] Die Wollgattungen sind ebenso zahlreich wie mannigfach; vom technischen Gesichtspunkt aus unterscheidet man aber nur zwei Klassen: Streich- und Kammwolle. Die Streichwolle (Kratzwolle, Tuchwolle), welche zur Darstellung tuchartiger Gewebe dient, die in der Walke eine tuchartige Decke erlangen, in der Regel auch gerauht und geschoren werden, umfaßt alle entschieden gekräuselten Wollen von weniger als 100 mm Länge (im ausgestreckten Zustand). Die natürliche Kräuselung der W. befördert die Filzbildung, und je kürzer und feiner die einzelnen Haare sind, um so mehr Haar-Enden und -Spitzen kommen in einem gleichen Gewicht des Garns vor. Die Kammwolle dient dagegen zur Verfertigung glatter Wollzeuge, bei denen die Fäden von keiner Filzdecke versteckt werden, und zu Strickgarnen. Sie muß eine bedeutende Länge, große Festigkeit besitzen und womöglich schwach gekräuselt oder ganz schlicht sein. Große Feinheit kommt hier weniger in Betracht und ist nur zur Herstellung besonders weicher Stoffe erforderlich; wohl aber wird die Weichheit sehr geschätzt, weil sie sanfteres Anfühlen und gefälligen Faltenwurf bewirkt.
Die rohe W. ist sehr unrein; reine Merinowolle verlor z. B. durch Trocknen 12-16 Proz., gab an Äther 8-28 Proz., weiter an Alkohol 3-7, an Wasser 8-11 Proz. ab, enthielt Schmutz 12-32 Proz. und reines Wollhaar 23-55 Proz. Andre Untersuchungen roher W. ergaben:
^[Liste]
Schmutz 34,21-43,27 Proz. 2,9 Proz. 23,6 Proz.
Schweiß 12,11-34,98 " 7,2 " 14,7 "
Fett / 20,5 " 23,0 "
Feuchtigkeit 10,19-12,63 " 10,8 " 23,5 "
Wolle 20,23-41,05 " 20,8 " 50,0 "
Abgesehen von Staub etc., besteht die wesentlichste Verunreinigung der W. aus der mehr oder weniger eingetrockneten Hautausdünstung des Tiers, dem Wollschweiß. Dieser bildet eine zähe, fette Schmiere und findet sich am reichlichsten auf der feinen W. Er gibt an Wasser eine seifenartige Verbindung des Kalis mit Fett ab und enthält außerdem Kali- und Kalksalze, Cholesterin und ähnliche Körper. In Deutschland wird die W. in der Regel zunächst auf dem Rücken der Tiere gewaschen (Pelzwäsche, Rückenwäsche), wobei man das Schwemmen (Schwimmen der Schafe in Fluß oder Teich), die Handwäsche, Sturzwäsche (Spülen der gewaschenen Schafe unter einem Strahl) und Spritzwäsche (Waschen der eingepferchten Schafe mittels einer Feuerspritze) unterscheidet. Sehr vorteilhaft wäscht man zuerst mit reinem Wasser von 32-34°, dann mit Seifenwurzelabkochung von 37-44° und erzielt dadurch ausgezeichnete Weiße mit Glanz und Geschmeidigkeit. Rohe W. verliert durch die Pelzwäsche mit kaltem Wasser 20-70, meist 40-60 Proz. am Gewicht. Ist die W. wieder vollständig getrocknet, so wird sie, etwa am dritten Tag, mit den Schafscheren glatt vom Körper abgeschnitten, wobei man das Vlies möglichst zusammenzuhalten sucht. Die W. von den Füßen, Backen und dem Schwanz bleibt gesondert und bildet die Stücke; die groben, haarigen Teile heißen Locken. In der Regel werden die Schafe jährlich einmal (Mitte Mai bis Anfang Juli) geschoren (einschürige W., Einschur); in manchen Gegenden aber schert man langwollige Schafe im Frühjahr und Herbst (zweischürige W., Zweischur); noch nicht ein Jahr alte Tiere geben die weiche, seidenartige Lammwolle. Über die Ausbeute s. Schaf, S. 381.
Alle von lebenden Tieren gewonnene W. heißt Schurwolle im Gegensatz zur W. gefallener Tiere (Sterblingswolle), die weniger fest und elastisch ist und sich schlecht färbt. Gerberwolle (Raufwolle) wird in den Weißgerbereien und Saffianfabriken mittels Kalks von den Fellen abgenommen und ist zum Spinnen, besonders wenn sie mit langer W. gemischt wird, ganz brauchbar. Die Pelzwäsche ist für die Verarbeitung der W. noch nicht ausreichend, da sie noch sehr viel Wollschweiß zurückläßt. Diesen zu entfernen, dient die Fabrikwäsche (Entschweißen, Entfetten), welche entweder mit Wasser von 50-75°, oder besser mit schwachem Seifenwasser (5-15 kg Seife auf 100 kg Wasser), schwacher Lösung von Pottasche, Soda oder kohlensaurem Ammoniak, oder verdünntem, gefaultem (daher kohlensaures Ammoniak enthaltendem) Harn durch Hand- oder Maschinenarbeit ausgeführt wird. Die gewaschene W. wird schließlich gespült und am besten im nicht erwärmten Luftstrom getrocknet. Auch Seifenwurzel und Quillajarinde wird zum Waschen benutzt und in neuester Zeit Schwefelkohlenstoff. Diese gründliche Reinigung der W. geschieht in besondern Anlagen, sogen. Wollwäschereien, oder in Fabriken und zwar neuerdings wohl ausschließlich mit Maschinen, in welchen zunächst das Fett verseift oder emulsioniert und dann ausgewaschen, zuletzt aber die W. getrocknet wird. Dies muß in ununterbrochener Weise und mit vollkommener Schonung der W., namentlich mit Vermeidung jeglicher Verfilzung, ausgeführt werden. Die erste Maschine dieser Art, welche zugleich eine große quantitative Leistungsfähigkeit besaß und daher den Namen Leviathan erhielt, wurde 1863 von Melen in Verviers konstruiert und ist das Vorbild für alle spätern Waschmaschinen geblieben. Sie bestand aus einem langen Eisentrog, an dessen einem Ende die W. zugeführt wurde, um sodann von einer Tauchertrommel gefaßt und unter die Waschflüssigkeit gedrückt zu werden. Drei Systeme von Rechen ergriffen darauf die W., schoben sie langsam durch den Trog und zuletzt am andern Ende desselben in eine Walzenpresse zum Auspressen der Waschflüssigkeit. Das vollständige Trocknen erfolgte nachträglich auf besondern Trockenapparaten. Die von Mehl wesentlich verbesserte Waschmaschine (s. nebenstehende Abbild.) besteht zunächst aus der großen Waschkufe K mit der innern kleinern Kufe k, in welcher das Waschen stattfindet. Der in der Kufe k aus durchlochtem Blech hergestellte Rost R ist von einer Anzahl durchlöcherter Röhren r durchzogen, welche an dem einen Ende in das Hauptrohr L münden und an ihrem andern Ende mit einer Schraube verschlossen sind. Mittels einer Luftpumpe oder einer Dampfstrahlpumpe wird nun erwärmte Luft durch das Hauptrohr L und von da durch die kleinen Röhren r von der Gesamtfläche des Rostes aus in das in der Kufe k befindliche Waschwasser getrieben. Durch die Löcher des Rostes R und durch die Zwischenräume des Speisetisches T findet für das Waschwasser der beiden Kufen K und k eine Verbindung statt.
Zum Untertauchen und Fortschieben der W. dienen die vier Trommeln D E F G. Jede Trommel besteht aus einem hohlen Cylinder, dessen Inneres in sechs