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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Franz; Französische Litteratur

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Franz - Französische Litteratur

bedenkliche Erfolge. Der Mangel an Festigkeit und bewußter Stärke der Regierung gegenüber der wetterwendischen öffentlichen Meinung zeigte sich auch bei einem im Februar 1890 sich ereignenden Vorfall. Der Herzog von Orléans (s. d., Bd. 17) kam plötzlich nach Paris, um sich in die Rekrutenliste einschreiben zu lassen, wurde aber auf Grund des gegen die Prinzen erlassenen Ausweisungsgesetzes verhaftet und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Der durchaus ungefährliche Streich wurde meist nachsichtig beurteilt, und die Regierung hatte die Absicht, den Prinzen sogleich zu begnadigen und ohne Aufsehen über die Grenze schaffen zu lassen. Da verlangten aber die radikalen Sozialisten in der Kammer, daß für die wegen gemeiner Verbrechen verurteilten ausständischen Arbeiter ebenfalls Amnestie erlassen werde, und wenngleich die Kammer den Antrag, übrigens nicht mit bedeutender Mehrheit, ablehnte, wagte das Ministerium doch nicht, seine erste Absicht auszuführen, und ließ den Herzog von Orléans ins Gefängnis zu Clairvaux bringen. Bei dieser Schwäche der Regierung gegen jede radikale oder chauvinistische Empfindlichkeit konnte sie auch keine unabhängige und offene auswärtige Politik verfolgen, sondern mußte froh sein, daß die friedlichen Gesinnungen der übrigen Mächte ihr eine vorsichtige Zurückhaltung ermöglichten.

Zur Litteratur: Monod, Bibliographie de l'histoire de la France (Par. 1888); A. Sorel, L'Europe et la Révolution française (das. 1885-87, 2 Bde.), La Gorce, Histoire de la seconde république française (das. 1887, 2 Bde.); Hippeau, Histoire diplomatique de la troisième république (das. 1889); Glasson, Histoire du droit et des institutions de la France (das. 1889 ff., 2 Bde.); Amagat, Les finances françaises sous l'assemblée et les chambres républicaines das. 1888); Pigeonneau, Histoire du commerce de la France (das. 1885 ff.); Süpfle, Geschichte des deutschen Kultureinflusses auf F. (Gotha 1886 ff.). Neuere Darstellungen der ersten französischen Revolution gaben: v. Nordenflycht (Berl. 1888, 2 Tle.) und Mahrenholtz (Leipz. 1888).

Franz *, 10) F. Joseph I. Karl, Kaiser von Osterreich und König von Ungarn, feierte 2. Dez. 1888 sein 40jähriges Regierungsjubiläum in Zurückgezogenheit in Miramar.

12) F. I., König beider Sizilien. Seine Geschichte schrieb Nisco (Neap. 1889).

Franz, 4) Julius, Bildhauer, starb 16. Dez. 1887 in Berlin.

15) Adolf, ultramontan. Publizist, geb. 21. Dez. 1842 zu Langenbielau, studierte in Breslau und Münster katholische Theologie, wurde 1867 in Breslau zum Priester geweiht, ward Kaplan in Sprottau und 1869 Dozent und Repetent am fürstbischöflichen Konviktorium in Breslau. Nachdem er einige Zeit die ultramontane "Schlesische Volkszeitung", dann das "Schlesische Kirchenblatt" redigiert hatte, war er 1878 bis 1887 Chefredakteur der "Germania" in Berlin. Darauf wurde er Domkapitular in Breslau und gewann auf den neuen Bischof Herzog so großen Einfluß, daß er denselben ganz in ultramontanem Sinn leitete. Bischof Kopp dagegen hielt ihn von jedem Einfluß fern, so daß F. 1888 seine Stelle als Domkapitular niederlegte und sich der Verwaltung eines ihm zu kirchlichen Zwecken vermachten bedeutenden Vermögens widmete. Er schrieb: "M. Aurelius Cassiodorus Senator (Berl. 1872); "Johannes Baptista Baltzer" (das. 1873); "Die gemischten Ehen in Schlesien" (das. 1878) u. a.

Französische Litteratur (1884-1889). Einer Besprechung des litterarischen Schaffens der letzten fünf Jahre in Frankreich auf dem Gebiet des Romans und der Novelle darf die Feststellung der Thatsache vorausgeschickt werden, daß die leidenschaftliche Bewegung für und wider den Naturalismus sich vollständig gelegt hat und dieser heute nur noch den Platz einnimmt, der einer durch Zola vertretenen Gattung gebührt. Er allein kämpft den Kampf mutig weiter, während seine frühern, übrigens minder begabten Mitstreiter entweder gestorben sind, wie Vast und Ricouard, oder die Waffen niedergelegt haben, wie Paul Alexis, oder aber auf neuen Bahnen wandeln, wie Guy de Maupassant, welcher gewissermaßen als Bindeglied zwischen dem Naturalismus und den "Analytikern" steht, deren Führer und Vorbild Paul Bourget (s. d., Bd. 17) ist. Miteinander gemein haben die naturalistische und die analytische Schule den gänzlichen Mangel an Phantasie und Erfindungsgabe; aber während die eine ihr Augenmerk hauptsächlich auf die Beschreibung der Außenwelt von ihrer abstoßendsten Seile und die Erforschung der tierischen Triebe im Menschen richtet, setzt die andre die Lupe auf, um das Krankhafte im Seelenleben, alle Erscheinungen der Nervosität bis zur Zerrüttung des Nervensystems, welche ihre Opfer unzurechnungsfähig macht, zu studieren.

Roman und Novelle.

(Über die mit * Schriftsteller sind die betreffenden Biographien in vorliegendem Band zu vergleichen.)

Von den neuesten Werken Zolas: "Germinal", "L'Œuvre", "La Terre", "Le Rêve" gehören erstere in den Bereich seiner schon bekannten Bestrebungen. Im "Germinal" schildert er das Leben der Grubenarbeiter Nordfrankreichs mit hinreißender Gewalt und zeigt in dem düstern Rahmen umnachteten Denkens und Empfindens einer viehischen Horde die Greuel eines Arbeiterausstandes, als dessen Haupturheber ein Nihilist auftritt. "La Terre" bildet das Seitenstück zu dem Grubendrama, eine Bauernfamilie, in der aus Gier nach Grundbesitz die unsäglichsten Roheiten begangen werden, welche endlich in einem Verbrechen gipfeln: der Sohn, der den Hof übernommen hat, tötet mit seiner Frau den Vater und verbrennt ihn auf dem Küchenherd. Was die Gerichtszeitungen jemals über Bauerngeiz und -Habsucht berichteten, ist hier zu einem Ganzen verwebt, in dem überdies die widerwärtigste Skurrilität sich auf jeder Seite spreizt. Die stimmungsvolle Beschreibung der Beauce aber, der Landarbeiten, die er mit antiker Größe darstellt, hat er aus echtem Künstlertum geschöpft, und sie sind es, welche dem häßlichen Buch trotz allem die Existenzberechtigung sichern. In "L'Œuvre" wiederum ist die Künstler- und Schriftstellergesellschaft geschildert, welcher Zola im Beginn seiner Laufbahn angehörte. Der Held des Buches, ein Sprößling der Familie Rougon-Macquart, hat in der ersten Liebe und Begeisterung für ein Mädchen ein Bild gemalt, von dem er sich nicht zu trennen vermag, das sein einziges Werk bleibt, an dessen Änderung und Verbesserung er sein ganzes Leben hingibt, bis er an dem Grübeln und dem Müßiggang verdirbt und sich erhängt, nachdem er Weib und Kind ins Elend gestürzt hat. Von allen diesen Werken Zolas läßt sich dasselbe sagen: es sind gewaltige, trostlose Gemälde, welche helle Geistesblitze durchzucken und stellenweise durch die Darstellungskunst auch die fesseln, denen die Art der Auffassung