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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baumbach

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Baukunst der Gegenwart - Baumbach.

schließt, aber an diejenige nordische Richtung, die, auf den Backsteinbau angewiesen, noch Konstruktionsgrundsätzen des gotischen Stiles folgte. Grisebachs Bauten kennzeichnen sich durch eine stark betonte Höhentendenz, durch reiche Verwendung von Erkern, Giebeln, Spitztürmchen und hohen Dächern und durch reiche Farbenwirkung bei feiner Ausbildung aller ornamentalen Einzelheiten. Gelegentlich komponiert er auch in dem malerischen, jeder Symmetrie spottenden Stile, der jetzt besonders in Süddeutschland beliebt ist, und den man als Münchener Renaissance bezeichnet. Berlin hat schon mehrere Beispiele dieses Stils aufzuweisen, unter denen das phantastische, einer mittelalterlichen Burg nachgebildete Künstlerheim, ein Ateliergebäude mit Restaurant und Wohnungen, von Sehring und das Haus Hohenstein und v. Santen in der Wilhelmstraße, von Zaar erbaut, die bemerkenswertesten sind. Diese Spielart der Renaissance ist in Berlin durch die großen Münchener Brauereibesitzer eingeführt worden, die sich für den Ausschank ihrer Erzeugnisse eigne Bierpaläste erbauen ließen. Zwei von ihnen haben ihre Häuser auch nach den Plänen süddeutscher Architekten errichten lassen: Sedlmayr das Haus Zum Spaten durch Gabriel Seidl in München, Freiherr v. Tucher das seinige durch Professor Walther in Nürnberg. Die Architekturteile sind sehr einfach gehalten, da der Hauptschmuck der Fassaden in figürlichen und ornamentalen Malereien besteht, wozu möglichst große Mauerflächen dargeboten werden mußten.

Den ausschließlichen Charakter eines Geschäfts- und Warenhauses haben Kayser und v. Großheim in dem Kaufhaus Stuttgart und Otto March in dem Kaufhaus Zum Hausvogt zum Ausdruck gebracht, wobei freilich das künstlerische Moment in den Hintergrund treten mußte. Otto March, der Erbauer des Festspielhauses in Worms, hat sich auch im Villenbau durch eigenartige Erfindung und reizvolle malerische Komposition bewährt. Die höchste monumentale Wirkung hat auf dem Gebiet des Geschäftshäuserbaues Karl Schäfer in dem Palast der New Yorker Equitablegesellschaft erreicht, einem Eckhaus, dessen Ecke von einer mächtigen Kuppel mit schlank aufstrebender Laterne gekrönt ist. Die sich an den Barockstil anschließenden Architekturformen wirken zumeist durch sich selbst, da von ornamentalem Beiwerk ein sehr spärlicher Gebrauch gemacht worden ist.

Unter den neuen Hotelpalästen sind die umfangreichsten: das Hôtel Continental, das Hôtel Bellevue und das Hôtel Monopole, alle drei im Stile der Hochrenaissance, bez. im Barockstil von Ludwig Heim erbaut, das Grand Hôtel Alexanderplatz, im Stile der deutschen Renaissance von v. Holst und Zaar, der Habsburger Hof von van der Hude u. Hennicke. Mit Ausnahme des erstgenannten sind alle diese Bauten so angeordnet, daß die Erdgeschosse zur bessern Ausnutzung des teuern Baugrundes zu Restaurants, Cafés und Läden eingerichtet wurden, die vom Hotelbetrieb unabhängig sind. In der Ausschmückung dieser Restaurants und Cafés durch Wand- und Deckengemälde, durch reiche Stuckaturen mit Bemalung und Vergoldung u. a. hat sich schnell ein Wetteifer entfaltet, der eine besondere Spezialität der Innendekoration hervorgerufen und fast alle historischen Stilarten in Bewegung gesetzt hat. Die reichsten Beispiele dieser Art sind das maurische Café im Monopolehotel von Heim und das im üppigsten Rokokostil ausgestattete Café Reichshallen von Fr. Stahn. Wie groß die Bedenken aber auch sind, die man vom Standpunkt der ästhetischen Kritik gegen diese und andre dekorative Überschwänglichkeiten erheben muß, so ist doch anzuerkennen, daß alle mit dem Baugewerbe in Verbindung stehenden Künste durch solche Aufgaben technisch sehr gefördert werden.

Der Bau von Palästen für große Bankinstitute, der während der 70er Jahre der neuern Entwickelung der Berliner Architektur einen charakteristischen Zug gegeben hat, ist in den 80er Jahren zurückgetreten. Von hervorragender künstlerischer Bedeutung sind nur die in italienischem Renaissancestil komponierte, mit vollkommener Harmonie durchgebildete Fassade der Dresdener Bank von Heim und ein Erweiterungsbau der Diskontogesellschaft von Ende und Böckmann, dessen ganz in rotem Sandstein ausgeführte Fassade der Straße Unter den Linden zugekehrt ist.

Ein regere Thätigkeit hat sich im Theaterbau entfaltet. In dem von van der Hude und Hennicke erbauten Lessingtheater, dessen Äußeres eine einfache Renaissance-Architektur mit scharf charakterisierender Unterscheidung der einzelnen Teile des Innern nach außen hin zeigt, während die nach den neuesten Erfahrungen sehr zweckmäßig angeordneten Innenräume (Vestibül, Korridore, Wandelgänge und Zuschauerräume) im Rokokostil dekoriert sind, hat Berlin ein von allen Seiten frei liegendes Theatergebäude erhalten. Das ist ein Vorzug, den es streng genommen nur mit den beiden königlichen Theatern teilt. Eine dekorative Umgestaltung im Innern haben das deutsche (früher Friedrich-Wilhelmstädtische) Theater und das Berliner (früher Walhalla-) Theater erfahren. Letzteres hat auch eine neue, mit einer Säulenstellung u. einem antiken Tempelgiebel darüber geschmückte Fassade erhalten. Mit Benutzung der alten Umfassungsmauern völlig umgebaut und neu dekoriert im Innern sind das Concordiatheater von G. Ebe und das Thomastheater von Oskar Titz. Beide Theater sind durch hohe Mietshäuser von den Straßen getrennt, so daß eine künstlerische Gestaltung der Außenarchitektur ausgeschlossen war. Desto reicher ist die dekorative Ausstattung des Innern, bei der Ebe sich mit Maß und feinem Geschmack an den Rokokostil hielt, während sich Titz in freien Renaissanceformen bewegte.

Bei dem beständigen Steigen der Grundstückswerte im Innern der Stadt wie in den von der wohlhabendern Bevölkerung bewohnten Vorstädten ist der städtische Villenbau wie überhaupt das private Wohnhaus ohne Läden und Geschäftslokale in den Hintergrund getreten. Der Villenbau hat sich fast ganz auf die Vororte zurückgezogen, die freilich insofern zu Berlin gehören, als die große Mehrzahl ihrer Bewohner in Berlin ihre Beschäftigung hat oder dort ihrem Beruf nachgeht. Die Physiognomie der Berliner Vorstädte wird dagegen mehr und mehr von dem Mietskasernenstil beherrscht, der sich ein künstlerisches Gepräge zu geben sucht, indem er die Fassaden immer üppiger mit Bildwerken und Ornamenten in Gips, mit Malereien und Thonzieraten ausstattet und die Vestibüle und Treppenhäuser immer prunkvoller und verlockender gestaltet, ohne daß die Anordnung der innern Räume dieser gleisnerischen Scheinarchitektur entspricht. Eine künstlerische Bedeutung haben diese Spekulationsbauten nicht. Aber sie sind immerhin ein Zeichen einer Zeit, die mit den stärksten Mitteln arbeitet, weil sie sich im Besitz einer zuvor noch nie erreichten technischen Virtuosität weiß.

Baumbach, Karl Adolf, deutscher Politiker, geb. 9. Febr. 1844 zu Meiningen, jüngerer Bruder des Dichters Rudolf B., studierte 1862-65 die Rechte in Jena, Heidelberg, Leipzig und Berlin, ward Kreisrichter in Saalfeld und 1878 Landrat in Sonneberg. Mit