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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gesundheitspflege

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Gesundheitspflege (Wasserleitungsfilter, obligatorische Fleischschau).

Krankenhäusern durchzusetzen. Krankenhäuser mit nur 10 Betten halte er für zu klein, weil nicht lebensfähig, er wünsche solche mit nicht weniger als 20 Betten und an Orten, wo die ständige Niederlassung eines Arztes gesichert sei. Neuber (Kiel) hält es für notwendig, bei allen Infektionskrankheiten, nicht nur bei Diphtheritis, die Kranken möglichst bald zu isolieren, d. h. in ein Krankenhaus zu bringen. Um aber den vielfach noch bestehenden Widerwillen der Angehörigen und Eltern zu besiegen, sei es erforderlich, Hospitäler mit annähernd privaten Verhältnissen zu schaffen, namentlich müsse es auch dem Hausarzt gestattet sein, erkrankte Kinder in einem solchen Hospital weiter zu behandeln. In Kiel wolle man jetzt zu dem Zwecke ein Vereinshospital bauen. Der Vorsitzende Bötticher (Braunschweig) hofft, daß der Vortrag wesentlich dazu beitragen werde, die beteiligten Behörden und Verbände von der dringenden Notwendigkeit der Herstellung von Krankenhäusern in kleinen Städten und ländlichen Kreisen zu überzeugen und zur Errichtung derselben anzuregen, und veranlaßt den Ausschuß, für Versendung des Referats und der angeschlossenen Diskussion an Behörden Sorge zu tragen. Dieser Antrag des Vorsitzenden wurde einstimmig angenommen.

Fränkel (Königsberg) sprach hierauf über Filteranlagen für städtische Wasserleitungen. Für die Wasserversorgung von Städten bieten sich am bequemsten Flüsse, Seen, Teiche, Kanäle etc. dar. Da aber dieses Wasser allen Verunreinigungen schutzlos preisgegeben ist, so muß es von vornherein als hygienisch verdächtig betrachtet werden, da es namentlich bei Typhus und Cholera als Zwischenträger der betreffenden Bakterien auftreten kann. Eine Befreiung von Infektionsstoffen kann nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge nur durch die bekannte Sandfiltration angestrebt werden. Das erste Sandfilter wurde 1839 eingerichtet. Eine Schlammschicht, die sich auf dem Sandfilter ansetzt, ist das Netz, in welchem sich die Bakterien fangen. Das Filter hat nun den Zweck, diesem Netze als Unterlage zu dienen. Von Zeit zu Zeit muß die Schlammschicht, die sich allmählich tot arbeitet, um einige Millimeter verdünnt werden, dann arbeitet das Filter wieder. Der Vortragende hat nun mit Piefke die Vorgänge bei der Filtration des Spreewassers in Tonnen studiert und gefunden, daß die Wirkung von der Schnelligkeit der Filtration abhängt, und daß schlechtes Rohwasser auch ein schlechtes Filtrat liefert. Bei frisch in Betrieb gesetzten Sandfiltern gehen die Bakterien vollständig oder doch großenteils in das Reinwasser über. Erst wenn sich jenes Netz gebildet hat, welches freilich die Massenleistung stark beeinträchtigt, ist das Resultat ein befriedigendes. Zwar finden sich auch dann noch Bakterien im Reinwasser, doch scheinen dieselben nicht aus dem Wasser, sondern aus dem Sande zu stammen. Bei einem gut und langsam arbeitenden Sandfilter hat von 1000 Organismen nur einer Aussicht, das Filtrat zu erreichen. Man sollte also die zuerst ablaufenden Mengen Reinwasser unbenutzt lassen, möglichst reines Rohwasser benutzen, möglichst geringe Filtrationsgeschwindigkeit und gleichmäßige Thätigkeit der Filter einhalten, namentlich auch ein Durchbrechen der Schlammschicht verhindern. Bessere Resultate wird man wohl nur erreichen, wenn man vom Oberflächenwasser ganz absieht und Grundwasser benutzt, welches häufig von vorzüglicher Beschaffenheit ist. Die Schwierigkeiten, welche ein hoher Eisengehalt bereitet, lassen sich technisch überwinden. Piefke (Berlin) hat gefunden, daß Bakterien in offenen Filtern schneller vernichtet werden als in bedeckten. Da das Flußwasser häufig und periodisch stärker verunreinigt wird, als die Filter vertragen können, so ist notwendig, Vorfilter (Ablagerungsbassins) einzurichten. In der Diskussion wandten sich mehrere hervorragende Wassertechniker, an ihrer Spitze Grahn (Detmold), gegen die Schlüsse, welche Fränkel aus seinen Versuchen gezogen hat. Grahn hält für unerwiesen und für wenig wahrscheinlich, daß die Sandfilter keimfreies Wasser liefern, doch gelänge es, bei verständiger Behandlung der Filter den Keimgehalt auf ein sehr geringes Maß zu beschränken. Gutes Rohmaterial, namentlich wenn von wechselnder Qualität, sei durch Klärung zu verbessern, das Filtrat aus einem neuen oder gereinigten Filter sei unbenutzt zu lassen, bis sich eine richtig arbeitende Schicht gebildet hat. Die durch Erfahrung am Orte festgestellten erforderlichen und niemals zu überschreitenden Filtergeschwindigkeiten seien durch zweckmäßige Einrichtungen beständig zu überwachen, auch seien stets genügende Filterflächen in Reserve zu halten. Fischer (Kiel) besprach das Oestensche Reinigungsverfahren für Grundwasser. Der Eisengehalt sank stets von 1,5, bez. 2,5 mg auf 0,07, bez. 0,1 mg im Liter. Schwefelwasserstoff und Ammoniak verschwanden, nicht ganz der moorige Geruch und Geschmack, auch nicht die salpetrige Säure. Jedenfalls dürfte das Oestensche Verfahren dem Grundwasser eine große Zukunft für die Benutzung als Trinkwasser verschaffen.

In der zweiten Sitzung sprach Bollinger (München) über die Verwendbarkeit des an Infektionskrankheiten leidenden Schlachtviehes. Wenn man berechnet, daß der Viehstand in Deutschland einen Wert von 5-6 Milliarden hat, und auf Grund der Erfahrungen in den Schlachthäusern weiß, daß 0,5-1 Proz. der Tiere als krank befunden und vom menschlichen Genuß ausgeschlossen werden muß, so ergibt sich, daß der Verlust jährlich viele Millionen Mark beträgt. Man muß deshalb tolerant sein und den Genuß erlauben, bis die Schädlichkeit streng erwiesen sei. Anderseits ist der jetzige Zustand unhaltbar, Verfälschungen andrer Lebensmittel werden oft streng bestraft, während Fleischarten, die schädlich oder mindestens ekelhaft sind, in einem großen Teile Deutschlands verkauft werden dürfen. Zur wirksamen Bekämpfung der Gefahren, welche das Fleisch mit Infektionskrankheiten behafteter Tiere herbeiführen kann, empfiehlt Bollinger folgende Maßregeln: 1) Einführung der obligatorischen Fleischschau in ganz Deutschland. Bis zur allgemeinen Durchführung derselben ist mindestens eine obligatorische Beschau des an Infektionskrankheiten leidenden Schlachtviehes sowie der wegen Krankheit notgeschlachteten Tiere durch tierärztliche Sachverständige anzustreben. 2) Der Erfolg der obligatorischen Fleischschau wird in hohem Grade unterstützt und gewährleistet durch eine gründliche und sozialistische Ausbildung der Tierärzte, namentlich der Schlachthaustierärzte, in Hygiene und Pathologie der menschlichen Fleischnahrung; zu diesem Zwecke ist neben den erprobten praktischen Übungskursen in Schlachthäusern die Einführung der Lehre von der Fleischschau als Prüfungsfach bei der tierärztlichen Approbationsprüfung wünschenswert. 3) Eine erfolgreiche und zweckentsprechende Fleischschau in größern und mittlern Städten ist nur möglich in öffentlichen gemeinsamen Schlachthäusern mit Schlachtzwang; die Errichtung solcher Schlachthäuser ist daher von seiten des Staates und der Gemeinden möglichst zu fördern. 4) Die Wirksamkeit der Fleischschau wird wesentlich unter-^[folgende Seite]