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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pflanzengeographie

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Pflanzengeographie (Vegetationsformationen).

Nopalgewächse (Stammsukkulenten), Rutengewächse, Flachsproßgewächse, Lianen, Dornsträucher u. a., zwar eine vorzügliche, habituelle Charakteristik, aber keine durchgreifende biologische Übersicht gewähren. Wie Drude hervorhebt, ist es bis jetzt noch nicht gelungen, eine vollkommen einwurfsfreie Klassifikation und Nomenklatur der Vegetationsformen nach rein biologischen Merkmalen festzustellen. Über die Flora des asiatischen Monsungebiets s. den Bericht: Naturforscherversammlung, S. 639.

Vgl. Drude, Die Florenreiche der Erde (in »Petermanns Geographischen Mitteilungen«, Ergänzungsheft 1884); Derselbe, Die systematische und geographische Anordnung der Phanerogamen (in Schenks »Handbuch der Botanik«, Bd. 3, Bresl. 1887); Derselbe, Handbuch der P. (Stuttg. 1890), und dessen fortlaufende Berichte über P. in Wagners »Geographischem Jahrbuch« (Gotha).

Vegetationsformationen.

In der Anwendung dieses von Grisebach (1838) eingeführten Begriffs sind die Pflanzengeographen bisher ziemlich willkürlich verfahren, indem sie unter demselben teils gewisse natürliche biologische Pflanzengemeinden (wie Wälder, Gebüsche, Wiesen, Savannen u. a.), teils die Vegetation bestimmter Abschnitte des Terrains (wie Sumpf, Ufer, Strand, Thal, Hügel, Berg u. a.), teils einzelne, nur aus wenigen Arten gebildete Pflanzenbestände, z. B. von Empetrum, Betula nana u. a., verstanden haben. Drude geht daher bei der Abgrenzung der Vegetationsformation von ganz bestimmt charakterisierten, aus Vegetationsformen gebildeten Hauptbeständen eines Florengebiets oder Florenbezirks aus, deren dauernder Zusammenhalt durch eine Reihe gemeinsamer, äußerer Lebensbedingungen (Insolationslage, Bewässerung, Bodenunterlage u. a.) bewirkt wird. Die Formationen erscheinen hierbei als Untergliederungen eines bestimmten Florengebiets und haben zunächst nur innerhalb des letztern Geltung und Bedeutung; sie setzen sich aus geselligen Hauptarten und einzeln auftretenden Nebenarten zusammen, welche im Bereich jener eine Wohnstätte finden. Um an einem Beispiel zu zeigen, wie sich Drude die Formationsgliederung eines kleinern Ländergebiets praktisch durchgeführt denkt, wendet er seine Grundsätze auf die Pflanzenwelt des Hercynischen Berglandes an, d. h. auf die Landschaften vom Harz über Thüringen und Sachsen bis an das Ostende des Sudetenzugs und an den Südrand des Böhmerwaldes, welche im nordischen Florenreich ihrem allgemeinen Charakter nach der Zone der immergrünen Zapfen- und sommergrünen Laubbäume mit Mooren, Wiesen und Heiden angehören. Von Formationsklassen treten in diesem Gebiet Wälder, Gebüsche, Gesträuche, Grasfluren (Wiesen), Felsen, Moore, Sümpfe und Teiche sowie von Regionen die Niederung (bis 150 m), die Hügelregion (bis 500 m), die Bergregion (bis 1300 m) mit einer untern (bis 800 m) und obern Waldregion (bis 1100 m) sowie einer Strauchregion (bis 1300 m), endlich die alpine Region (von 1300-1600 m) auf; in dem Alpenbezirk bildet die Nadelholzbergregion mit Bergwiesen, Voralpenwiesen und hochwüchsigen, geselligen Stauden (Karflur) den untern und die Hochgebirgsregion mit alpinen Heiden, Alpenmatten, Fels- und Geröllhalden, Krummholzbeständen und Hochmooren den obern Abschnitt. Schließlich ergibt sich folgende, hier nur auszugsweise wiederzugebende Gliederung des Hercynischen Berglandes nach Vegetationsformationen:

Ein * bei einem Pflanzennamen bedeutet eine Pflanze mit besonders charakteristischer Verbreitung.

Erste Gruppe: Wälder und denselben sich anschließende Gehölz- und Strauchformationen.

l. In der Niederung und der Hügelregion.

1) Geschlossene Laubwälder (mit trocknem Untergrund, ohne Grasnarbe und ohne Bergstauden), teils aus Buchen, teils aus gemischten Laubhölzern (Fagus, Quercus, Fraxinus, Ulmus), teils aus Laubholz mit untermischten Nadelhölzern bestehend. - Als Nebenarten sind Anemone, Hepatica, Pulmonaria, Orobus vernus, Neottia, Monotropa u. a. charakteristisch.

2) Auenwälder (mit periodisch nassem oder sumpfigem Untergrund und stellenweise mit Sumpfgräsern, wie Molinia, oft im Überschwemmungsgebiet der Flüsse liegend), teils aus Eichen, teils aus gemischten Beständen gebildet. - Nebenarten: Poa nemoralis, Listera, Smilacina bifolia, Ficaria, Milium effusum, Circaea, Angelica, Heracleum.

3) Bruchwälder und Waldmoore (mit dauernd sumpfigem Untergrund und Sumpfgräsern), aus Erlen oder gemischtem Bruchwald mit Betula pubescens, Alnus, Pinus silvestris, Salix-Arten bestehend. - Nebenarten: Athyrium Filix femina, A. Filix mas, *Calla palustris.

4) Lichte Haine (mit trocknem Untergrund, licht stehenden Bäumen, geschlossener Grasnarbe und gesellig eingestreuten Sträuchern), aus Birken, Eichen, gemischtem Laubholz und Laub- mit Nadelholz (Pinus silvestris, am Boden Aira und Erikaceen) bestehend. - Nebenarten: Calluna, Jasione, Sarothamnus, Pteris, Trifolium rubens und montanum, *Cytisus nigricans.

5) Buschwälder und Vorhölzer (mit trocknem Untergrund, entweder die lichten Ränder der Formation 1 oder selbständig auf trocknen Hügeln oder an Steilgehängen ohne Hochwald), mit Corylus und Cornus sanguinea. - Nebenarten: Crataegus, Prunus spinosa, Rosa canina, Tilia, Acer campestre, Melampyrum nemorosum, Betonica, Clinopodium, Cephalanthera, *Bupleurum falcatum, *Sorbus torminalis, Aria u. a.

6) Dürre, geschlossene Nadelwälder (auf trocknem oder wenig feuchtem Boden, ohne Bergsträucher und Bergstauden), aus Kiefern mit Heidegesträuch (Calluna), Vaccinium Myrtillus und Vitis idaea bestehend. - Nebenarten: Corynephorus, Jasione, Sarothamnus, Agrostis.

7) Sumpfige Nadelwälder (auf stets nassem Boden mit Anschluß an Moore und Sümpfe), aus geselligen Pinus silvestris, Picea, *Betula, Alnus, Salix-Arten, Frangula, Juncus-Arten, Polytrichum commune, Sphagnum.

8) Nadelmengwälder (an höhere Luftfeuchtigkeit gebunden, der Boden durch eine Moosschicht vor dem Austrocknen geschützt, den obersten Teil der Hügel- und den untern der Bergregion einnehmend), entweder aus gemischten Beständen von Picea, Abies, Fagus mit eingestreutem Acer, Ulmus, Fraxinus, Gesträuch von Sambucus racemosa, Lonicera Xylosteum, Daphne, oder aus geschlossenem Fichtenbestand (Picea) ohne Tannen, aber mit Pinus silvestris und einer aus Moosen und Lebermoosen gebildeten Bodenschicht. - Nebenarten in dem gemischten Bestand: Smilacina, Paris, Polygonatum, Farne, Lysimachia nemorum, Trientalis, Actaea, *Prenanthus purpurea, *Aruncus, *Digitalis purpurea, oder in dem Fichtenbestand: Hypnum-Arten, Blechnum, Pirola-Arten, Monotropa.

II. In der Bergregion.

9) Berg-Laubwälder (auf trocknen Berghängen bis zu 800 m), mit geselligen Beständen von Fagus, Acer Pseudoplatanus, Ulmus, Fraxinus und zerstreuten Abies, Picea, Sträuchern von Lonicera, Ribes alpinum, Daphne und Waldstauden (Paris, Orobus, Mercurialis u. a). - Nebenarten: Luzula albida, Melica nutans, Milium, Lilium Martagon, Asarum europaeum u. a.

10) Gemischte Voralpenwälder (auf sonnigen, breiten Bergrücken, die am höchsten aufsteigende Form der Laubwälder in Verbindung mit Nadelholz), aus geselligen Abies, Picea und den unter 9) genannten Laubhölzern. - Nebenarten: Knautia silvatica, Homogyne alpina.

11) Obere Fichtenwälder (oberste Waldregion bis zur Baumgrenze), aus Picea mit Gebüsch oder Gesträuch von Sorbus, Rubus idaeus, Vaccinium Myrtillus und Stauden (Luzula maxima, Calamagrostis, Halleri etc.). - Nebenarten: Homogyne alpina, Prenanthes, *Digitalis purpurea, *Streptopus amplexifolius.

12) Waldbach- und Quellflurformation (im Anschluß an 7), mit Beständen von Chaerophyllum hirsutum, Chrysosplenium, Crepis palustris und Petasites albus, oberhalb 800 m Mulgedium, Aconitum, Ranunculus aconitifolius. - Nebenarten