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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gefängniskongresse (internationale)

zusetzendem Prozentsatz (1890/91 = 3,20 Proz.) umgestaltet. Zu diesem Behuf wurde von der Verwaltung der direkten Steuern in den Jahren 1887-89 eine umfangreiche Aufnahme sämtlicher vorhandener Gebäude in ganz Frankreich vorgenommen, welche sich auf 8,914,523 Wohngebäude und 137,019 Fabriken bezog und einen Mietwert von 2810 Mill. Frank und einen Reinertrag von 2090 Mill. Fr. auswies. Die Mittel zur Feststellung waren vornehmlich die einregistrierten Mietverträge und die mündlich zu Protokoll gegebenen Vermietungserklärungen, daneben die verwertbaren Kaufverträge und Vergleichungen nach Typen aus den zugänglichen Mietverträgen. Auf der Grundlage dieser Erhebungen wird nunmehr eine Quotitätssteuer nach einem Steuertarif erhoben, welcher für jede Mietwertskategorie von je 10 zu 10 Fr. einen bestimmten Satz ausweist. Daneben gewährt das gleiche Gesetz vom 8. Aug. 1890 dem nicht überbauten Boden eine Ermäßigung des Kontingents von 15,267,977 Fr., an welcher je nach ihrer festgesetzten thatsächlichen Belastung die Departements, Arrondissements und Gemeinden nach besondern Vorschriften teilnahmen. Vgl. »Réforme de la contribution foncière« (Par. 1890); v. Heckel, Die Reform der G. in Frankreich (im »Finanzarchiv«, 8. Jahrg., 1890).

Gefängniskongresse. Wissenschaftliche Kongresse haben nicht den Zweck, Streitfragen endgültig zu entscheiden, sondern sollen Material für die Entscheidung herbeischaffen durch Austausch von Meinungen und Vergleichung von Erfahrungen. Sie können aber in dieser Richtung rascher nützen und mehr leisten, als das getrennte Arbeiten einzelner; soweit es sich um Gegenstände der Staatsverwaltung handelt, erleichtern es die Verhandlungen ferner der Verwaltung und Gesetzgebung, gleichen Schritt mit der Wissenschaft zu halten, und befördern den gleichmäßigen Fortschritt in allen Kulturstaaten. Dies läßt sich besonders von den Gefängniskongressen behaupten, in welchen Vertreter der Wissenschaft und der Gefängnisverwaltung zusammen arbeiten. Abgesehen von den Versammlungen ständiger Gesellschaften mit nationalem Gepräge, wie es die seit dem Ende des 18. Jahrh, auftauchenden Gefängnisgesellschaften sind (in Amerika: Philadelphia Prison Society seit 1776, Prison Discipline Society zu Boston, National prison association of the United States of America; in England: Society for the Prison discipline and reformation of juvenile offenders, National association for the promotion of social science, Howard Association; in Frankreich: Société générale des prisons; in Deutschland: Rheinisch-Westfälische Gefängnisgesellschaft seit 1828, Verein der deutschen Strafanstaltsbeamten, Nordwestdeutscher Verein für Gefängniswesen; Niederländische Genossenschaft zur Verbesserung der Lage der Gefangenen; Nordische, Schweizerische, St. Petersburger Gefängnisgesellschaft u. v. a. [vgl. über die Fürsorge für entlassene Sträflinge noch den besondern Artikel »Gefängnisvereine«], fanden die ersten G. in Italien statt, und zwar in Florenz 1841, Padua 1842, Lucca 1843. Dieselben befaßten sich hauptsächlich mit der Frage, in welcher Weise die Einzelhaft anzuwenden sei, und welchen Einfluß dieselbe auf den Gesundheitszustand der Gefangenen übe. Die erste Anregung zu dem ersten internationalen Gefängniskongreß (Frankfurt a. M. 1846) gab der praktische Arzt Dr. Varrentrapp in Frankfurt a. M. Der zweite internationale Gefängniskongreß fand 1847 zu Brüssel statt. Die Verhandlungen beider Kongresse begannen mit Vorträgen über den Zustand des Gefängniswesens in den verschiedenen Ländern, deren Vertreter erschienen waren, und hatten im übrigen zum Gegenstande die Fragen der Untersuchungshaft, Einzelhaft, Kürzung der Freiheitsstrafe, die Behandlung jugendlicher Sträflinge, die Einrichtung von Aufsichtskommissionen und die Ausbildung von Aufsehern. Zunächst brachten die Ereignisse des Jahres 1848 eine längere Pause. Erst 1857 nahm der zu Frankfurt a.M. abgehaltene internationale Wohlthätigkeitskongreß auch die Gefängnisfrage in sein Programm auf; seine dritte Abteilung verhandelte über Zellenhaft, bedingte Entlassung und Zwangserziehungsanstalten. Die nunmehr ziemlich rasch aufeinander folgenden Kriegsunruhen der Jahre 1859, 1864, 1866, 1870 waren der Abhaltung solcher Zusammenkünfte nicht günstig. Die Anregung zur Einberufung eines neuen Kongresses ging von Amerika aus. Der im Oktober 1870 in Cincinnati tagende amerikanische Gefängniskongreß erklärte in einer Schlußresolution, er halte die Zeit für gekommen, in welcher ein internationaler Kongreß mit guten Aussichten auf Erfolg zusammentreten könnte. Wines, Sekretär der New Yorker Gefängnisgesellschaft, welcher auch den Aufruf für den amerikanischen Kongreß erlassen hatte, wirkte nun darauf hin, daß die Frage dem Kongreß der Vereinigten Staaten unterbreitet wurde, und erlangte eine Akte, welche den Präsidenten ermächtigte, einen Kommissar für, den internationalen Kongreß zu ernennen. Präsident Grant erteilte Wines den Auftrag, die weitern einleitenden Schritte zu thun; gleichzeitig erhielten die Gesandten der Vereinigten Staaten bei den europäischen Mächten den Befehl, das Unternehmen nach besten Kräften zu fördern. Dieses Vorgehen der Vereinigten Staaten war für die fernere Entwickelung der G. von größter Bedeutung. Denn während die bisherigen G. nur Privatunternehmungen gewesen waren, begann nunmehr die Reihe der sogen. offiziellen Kongresse, welche von den Regierungen durch offizielle Vertreter beschickt wurden, und deren periodische Wiederholung durch die Teilnahme der Regierungen gesichert wurde. Wines besuchte 1871 Europa und veranlaßte in den einzelnen Ländern die Organisation von Komitees. Die besondern Vorbereitungen besorgte ein internationales Komitee unter dem Vorsitz von Lord Hastings. Er fand auch sämtliche europäische Regierungen, mit Ausnahme derjenigen von Portugal, bereit, Vertreter nach London zu senden, welche Stadt von Amerika aus als Kongreßort vorgeschlagen worden war. Der Kongreß fand 1872 statt, ohne jedoch von der englischen Regierung offiziell begrüßt oder sonst unterstützt zu werden. Die durch offizielle Vertreter sich beteiligenden Regierungen hatten zugleich Berichte über den Stand des Gefängniswesens in ihren Ländern eingeschickt welche Berichte jedoch nicht mündlich vorgetragen, sondern mit den übrigen dem Kongreß gewidmeten Arbeiten veröffentlicht wurden. Der Londoner Kongreß litt zwar unter der übergroßen Fülle von (30) Fragen, zeichnete sich aber gegenüber seinen Vorgängern durch Vermeidung allgemeiner Diskussionen und Beschränkung auf praktische Einzelheiten aus. Sein offizieller Charakter bildete die Grundlage für eine dauernde Einrichtung. Schon auf dem Frankfurter Kongreß (1846) war ein Antrag auf Einsetzung eines dauernden Zentralausschusses eingebracht worden, welcher Mitteilungen über Veränderungen im Gefängniswesen sammeln, Anfragen beantworten und die erforderlichen Vorbereitungen für Kongresse