Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Abwässer'
eine chem. Verunreinigung des Wassers ein, indem Stoffe gelöst werden, die entweder direkt schädliche Einflüsse
ausüben oder durch ihre Anwesenheit Fäulniserscheinungen veranlassen und damit das Wasser verderben. Mit Recht kann
man im Interesse des Gemeinwohls an die Industrie die Anforderung stellen, daß die Entleerung derartiger A. in öffentliche
Wasserläufe unterbleibe oder daß sie erst stattfinde, nachdem die schädlichen Stoffe entfernt sind. Obwohl es in
Deutschland noch an einer gesetzlichen Regelung fehlt, hat doch bereits die Rechtsprechung des Reichsgerichts für die
Rechtsgebiete des gemeinen und des preuß. Landrechts Grundsätze formuliert, welche die Handhabe zu einer Abwehr
bieten. Es ist in einem Urteil vom 9. Juli 1886 ausgesprochen, daß sich die an einem öffentlichen Flusse unterhalb
liegenden Ufereigentümer ein gewisses, nach freiem richterlichem Ermessen unter Erwägung aller Umstände zu
bestimmendes Maß von Belästigungen gefallen lassen müssen. Da aber die Beklagten das Flußwasser durch Zuführung
ihrer salzigen A. in einen Zustand versetzten, in welchem es zu Berieselungszwecken untauglich war, wurden sie zur
Unterlassung und zum Schadenersatz verurteilt. In andern Fällen wurde ausgesprochen, daß der untere Anlieger sich
solche Zuleitungen gefallen lassen muß, welche das Maß des Regelmäßigen oder Gemeinüblichen nicht überschreiten,
selbst wenn dadurch die absolute Verwendbarkeit zu jedem beliebigen Gebrauch beeinträchtigt wird. Gegen jede dieses
Maß überschreitende Zuleitung darf er klagen. Die Begründung läßt erkennen, daß dieselben Grundsätze für den
Mißbrauch öffentlicher Flüsse, welche allerdings zumeist unter polizeilichem Schutze stehen, anzuerkennen seien. In
England ist ein Gesetz (River pollution Bill) erlassen, nach dem jeder Fabrikant in eine
hohe Strafe genommen werden kann, sobald ihm eine Verunreinigung der Wasserläufe nachgewiesen wird, die über
gewisse, allerdings recht weit gesteckte Grenzen hinausgeht. So darf z. B. Wasser, das im Liter weniger als
0,5 mg Arsen oder weniger als 2 g freie Säure enthält, in den Fluß entleert werden. Kann
auch ein solches Wasser, wenn es in einen wasserreichen Strom eintritt und um das Vieltausendfache verdünnt wird, nicht
schädlich wirken, so kann doch in einem wasserarmen Bache, in dem die Verdünnung viel geringer ist, der erlaubte Gehalt
an schädlichen Stoffen höchst bedenklich werden.
Hinsichtlich der Ursache ihrer Schädlichkeit lassen sich die A. in zwei Hauptgruppen teilen:
-
1) solche, die vorwiegend mineralische oder metallische Stoffe gelöst enthalten, so die der chem. Fabriken, die gewisser
Metallwarenfabriken, und
-
2) solche, die vorwiegend organische, an sich zwar nicht giftige, aber als Fäulniserreger schädliche Stoffe enthalten, so
die der Stärke- und Zuckerfabriken, der Wollwäschereien, der Schlachthäuser u. s. w.
Die gefährlichsten A. sind die der mit Arsenik arbeitenden Anilinfarbenfabriken, und es ist letztern auf das strengste jede
Entleerung von A. zu untersagen, auch ist eine Versenkung derselben in den Boden nicht zu dulden, da das Gift sich dort
verbreiten und in weiten Entfernungen noch Brunnen vergiften kann. Besonders schädlich sind ferner die bei der
Sodafabrikation sich bildende verdünnte Salzsäure, die Manganlaugen von der Chlorkalkfabrikation, das Schwefelcalcium
aus verwitternden Halden. In der Metallwarenindustrie sind namentlich die sog. Sauerwässer, meist Schwefelsäure, die
↔ zum Abbeizen von Eisen, Kupfer oder Messing gedient haben, durch ihren Gehalt an Metallsalzen und
freie Säure nachteilig. Da die Unschädlichmachung der Sauerwässer überaus leicht und durch Gewinnung der darin
enthaltenen Metallsalze noch lohnend ist, so kann von jeder solchen Fabrik die Fernhaltung derselben von den
Wasserläufen verlangt werden.
Die an organischen Stoffen reichen A. der Papier-, Stärke- und Zuckerfabriken, der Gerbereien, Wollwäschereien u. s. w.
sind um deswillen von großem Nachteil, weil in ihnen zahlreiche Organismen, den Pilzen und Algen angehörig, den
günstigsten Boden der Entwicklung finden. Diese können so massenhaft auftreten, daß sie das ganze Bett kleiner Flüsse
erfüllen, Verstopfungen in Röhrenleitungen herbeiführen. Viele derselben sind Fäulnis- und Gärungserreger, geben zur
Bildung von Schwefelwasserstoff Veranlassung, machen dadurch das Wasser ungenießbar und töten die Fische. Zur
Reinigung dieser A. dient einfache Filtration oder Berieselung, ferner Lüftung mit Schornsteinluft und Fällung mit Kalkmilch,
Thon, Aluminiumhydroxyd u. s. w. So viele Mittel man auch empfohlen hat, so hat doch bislang keins im Großbetriebe sich
völlig bewährt, und es ist auch zu bezweifeln, ob dieses jemals gelingen wird, da der größte Teil der organischen Stoffe
nicht zu beseitigen ist. – Vgl. König, Die Verunreinigung der Gewässer (Berl. 1887); Jurisch, Die Verunreinigung der
Gewässer (ebd. 1890). (S. Städtereinigung.)
Abwehr von Schaden. Wissentliche Beschädigung
anderer Personen, fremder Sachen oder solcher eigenen Sachen, welche der Eigentümer Dritten schuldet, ist eine
widerrechtliche Handlung und verpflichtet deshalb zum Schadenersatz. Wo aber die Beschädigung erforderlich wird, um
einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder andern abzuwenden, also im Falle der
Notwehr (s. d.), hört auch für das Privatrecht die Widerrechtlichkeit der Handlung und folgeweise eine
Verpflichtung zum Schadenersatz auf, wie in allen Rechten, so auch nach dem Deutschen Entwurf eines Bürgerlichen
Gesetzbuchs §. 191. Nach demselben (§. 192 zweite Lesung) handelt auch nicht widerrechtlich, wer eine fremde Sache
beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder andern abzuwenden, sofern die Beschädigung
oder Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich war und der Schaden nicht
außer Verhältnis zu der Gefahr steht, nur daß der Handelnde, wenn er die Gefahr verschuldete, zum Schadenersatz
verpflichtet ist: eine wichtige Bestimmung gegenüber den Gefahren, welche von Tieren, von durch die Gewalt der
Elemente ergriffenen Sachen drohen. Der Entwurf erster Lesung (§. 187) hatte die Berücksichtigung des relativen Wertes
der Güter, welche gerettet oder beschädigt bez. zerstört werden, einer verständigen Rechtsanwendung überlassen.
Andererseits reicht die Bestimmung noch nicht aus, um den Notstand (s. d.) völlig zu decken.
Abweichung oder Deklination, in der
Astronomie der Abstand des Gestirns vom Äquator, gemessen auf einem durch das
Gestirn und die Pole gelegten, also gegen den Äquator senkrechten Kreise, der
Abweichungs- oder Deklinationskreis oder
auch Stundenkreis heißt; die A. ist nördlich oder südlich, je nachdem der Stern
nördlich oder südlich vom Äquator steht. – In der Optik nennt man A.
(Abirrung, Aberration) bei den sphärischen
Linsen und sphärischen Hohl-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 82.