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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Armenische Kirche

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Armenische Kirche

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Armenien'

Arabern und dem Byzantinischen Reiche wurde A. aufs neue verheert, schließlich verblieb es den Chalifen, die es ebenfalls durch nicht erbliche Statthalter, jetzt Ostikane heißend, regieren ließen. Ein Armenier Aschot, aus der Familie der Bagratunier (s. d.), erhielt 885 vom Chalifen Mutamid Billah die Erlaubnis zur Aufrichtung eines erblichen nationalen Unterkönigtums in A., und nun regierten Angehörige der altberühmten, schon von Moses von Chorene speciell verherrlichten Bagratunierfamilie, die von einem Juden Namens Sembat abstammen wollte, der zur Zeit Nebukadnezars als Gefangener nach A. gekommen sei, in A. bis gegen Ende des 11. Jahrh. Dann mußte diese Dynastie, von Byzantinern und Seldschuken bedroht, und im eigenen Lande durch den Abfall des Arzrunierhauses geschwächt, das im Gau Waspurakan eine eigene Herrschaft gegründet hatte, den Byzantinern weichen. Darauf kamen über A. furchtbare Verheerungen durch die Mongolen, namentlich durch Timur, wovon eine armenische Beschreibung von Thomas von Mezoph noch erhalten ist; Kurden, Perser und Osmanen begannen sich in und um A. zu befehden, später kam das Russische Reich, das seit dem russ.-pers. Kriege von 1829 und dem russ.-türk. von 1878 Teile A.s einverleibte, als Mitbewerber dazu, und jetzt ist das von Armeniern bewohnte Gebiet ziemlich gleichmäßig zwischen Rußland und der Türkei geteilt. Einen kleinen Abschnitt davon besitzt Persien. Die russ.-türk.-pers. Landesgrenzen in A. stoßen zusammen auf dem Kleinen Ararat.

Zur Zeit, als Hocharmenien den Byzantinern ebenfalls anheimfiel, die das A. westlich vom Euphrat, das sog. Kleinarmenien, schon längst besaßen, hatte sich Ruben, ein Verwandter des letzten Bagratunierkönigs, nach Cilicien hinüber geworfen, wo vorher schon viele Armenier vor Türken und Persern Zuflucht gesucht hatten, und dort und im Taurus ein zweites, von Byzanz unabhängiges und auf Byzanz eifersüchtiges Armenisches Reich gebildet, das dann unter den Rubeniden zur Zeit der Kreuzzüge einen beachtenswerten christl. Machtfaktor inmitten mohammed. Staaten abgab. Kaiser Heinrich VI. gestand dem Rubeniden Leo II. den Königsrang zu, die Rubeniden verschwägerten sich dann mit souverän gewordenen Kreuzfahrerfamilien, namentlich mit den Lusignans von Cypern; sie sind als regierendes Haus mit Leo VI. 1393 ausgestorben.

Litteratur. Saint-Martin, Mémoires historiques et géographiques sur l'Arménie (2 Bde., Par. 1818); Neumann, Geschichte der Übersiedelung von 40000 Armeniern (Lpz. 1834); M. Wagner, Reise nach dem Ararat (Stuttg. 1848); Tozer, Turkish Armenia and Eastern Asia Minor (Lond. 1881); Abich, Geolog. Forschungen in den kaukas. Ländern. Tl. 2: Geologie des armenischen Hochlandes (Wien 1882, mit Atlas); Radde, Reisen an der pers.-russ. Grenze. Talysch und seine Bewohner (Lpz. 1886); ders., Die Fauna und Flora des südwestl. Kaspi-Gebietes (ebd. 1886); Kaukas.-Statistisches Komitee, Gouvernement Elisabethpol (Tiflis 1888); dass., Karser Landstrich (ebd. 1889, beides russisch): Fredé, Voyage en A. et en Perse (Paris 1885). – Tschamtschean, Geschichte A.s (3 Bde., Vened. 1784, armenisch); Issaverdens, Armenia and the Armenians (2 Bde., ebd. 1874–75); Langlois, Collection des historiens anciens et modernes de l'Arménie (2 Bde., Par. 1867–69); Dulaurier, Le Royaume de la Petite Arménie, im ↔ «Recueil des historiens des croisades, Documents arméniens», Bd. 1 (ebd. 1869); Alishan, Sisouan (Vened. 1885, armenisch).

Armenische Kirche. Das Christentum kam sehr früh nach Armenien, nach der Tradition schon durch den Apostel Thaddäus; doch stammt die erste sichere Kunde erst aus dem 2. Jahrh.; auch wurde es durch harte Verfolgungen zeitweilig wieder verdrängt, bis der Bischof Gregor (s. d.) der Erleuchter um 301 den König Tiridates für dasselbe gewann und sodann im 5. Jahrh. durch Mesrop die Bibel in die Landessprache übersetzt ward. In dem Kirchenstreite über die zwei Naturen in Christus hielten es die Armenier mit den Monophysiten (s. d.), verwarfen unter Begünstigung des Perserkönigs Khosrev, der das Land gegen 536 erobert hatte, auf einer Synode zu Twin das chalcedonensische Konzil (s. Chalcedon) und lebten seitdem als abgesonderte Partei, die sich nach Gregorius die Gregorianische Kirche nannte. Ihr Oberhaupt wurde der Katholikos (d. h. der «allgemeine Bischof») zu Etschmiadzin (s. d.). Bei ihnen entfaltete sich bald ein reiches wissenschaftliches Leben; namentlich suchte man die in syr. Sprache erhaltene theol. Litteratur durch Übersetzungen der armenischen Geistlichkeit zugänglich zu machen. Als ihren größten Theologen verehren sie Nerses von Klaj, armenischen Katholikos aus dem 12. Jahrh., dessen Werke mehrmals herausgegeben sind. Von der griech. (orthodoxen) Kirche haben sich die Gregorianer bis heute getrennt gehalten. Dagegen haben die röm. Päpste zu verschiedenen Zeiten, z. B. 1145, 1341, 1439, wenn die Armenier die Hilfe des Abendlandes gegen die Mohammedaner in Anspruch nahmen, Unionsversuche gemacht. Dennoch ist dem Papsttum nur die Vereinigung mit einem Bruchteil der A. K. gelungen. Solche unierte Armenier giebt es in Polen, Galizien, Persien, unter dem Erzbischof zu Nachitschewan im russ. Gebiet der Donischen Kosaken; außerdem in einigen Klöstern, wie auf dem Berge Libanon, in Rom, Marseille und namentlich auf der Insel San Lazzaro bei Venedig (s. Mechitaristen). Sie erkennen die geistliche Oberherrschaft des Papstes an, stimmen in ihren Glaubenssätzen mit den Katholiken überein, haben aber ihre eigene Kirchenordnung.

Der Lehrbegriff der A. K. unterscheidet sich vom griechisch-orthodoxen besonders dadurch, daß er in monophysitischer Weise in Christus nur eine Natur annimmt. Hinsichtlich der sieben Sakramente hat diese Kirche das Eigentümliche, daß sie die Firmelung gleich mit der Taufe verbindet; daß sie beim Abendmahl gesäuertes Brot, in unvermischten Wein getaucht, gebraucht; daß sie die letzte Ölung nur geistlichen Personen gleich nach ihrem Tode zukommen läßt. Die Armenier verehren Heilige, glauben aber an kein Fegefeuer. Im Fasten thun sie es selbst den Griechen zuvor. Ihren Gottesdienst halten sie in der Türkei meist des Nachts; die Messe in altarmenischer, die Predigt in neuarmenischer Sprache. Ihre hierarchische Verfassung weicht wenig von der griechischen ab. Etschmiadzin ist noch jetzt der Sitz des Katholikos, wohin jeder Armenier in seinem Leben wenigstens einmal wallfahrten soll. Das heilige Salböl, das der Katholikos bereitet und an die Geistlichen verkauft, und die häufigen Wallfahrten der Armenier verschaffen ihm die Mittel, den Aufwand des Gottesdienstes zu bestreiten und treffliche Bildungsanstalten für Lehrer zu erhalten. Die Patriarchen zu Konstantinopel und Jerusalem, die Erzbischöfe und Bischöfe der Arme-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 899.