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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Abgesang; Aufgebotsverfahren; Aufgeien; Aufgeld; Aufgesang

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Aufgebotsverfahren - Aufgesang

nalkonvent 1793 das ganze Volk zur Rettung des von allen Seiten bedrohten Landes unter die Waffen rief. Der Ausdruck Massenaufgebot (levée en masse) ward bei dieser Gelegenheit in die Sprache aufgenommen. In Österreich wurde 1809 ein A. versucht; die Erhebung der Tiroler gegen die Bayern und Franzosen, die der Spanier in ihrem Kampfe gegen Napoleon können als solche gelten. Großartig erhob sich 1813 in Preußen das Volk nach dem Aufrufe des Königs zum Befreiungskampfe gegen die Fremdherrschaft Mit dem Landwehrsystem, das Preußen nach der Wiederherstellung des Friedens annahm, wurde für künftige Ereignisse die Wehrkraft des Landes ausgebildet und für die verschiedenen Bedürfnisse in verschiedene A. (erstes, zweites A. der Landwehr und Landsturm) eingeteilt. (S. Landwehr und Landsturm.) Während der zweiten Periode des Krieges von 1870-71 beschloß die nach dem Sturze des Kaiserreichs in Paris gebildete Provisorische Regierung, den Traditionen des Nationalkonvents folgend, die levée en masse.

Aufgebotsverfahren. Das A. hat die Civilprozeßordnung im ganzen nur im Umfange eines gemeinsamen Procedurrahmens für die durch Reichsund Landesgesetze vorgeschriebenen Fälle eines gerichtlichen Aufgebote (s. d.) geregelt (§§. 823-836). Zuständig dafür sind die Amtsgerichte; die örtliche Kompetenz bestimmt sich nach den bestehenden Gesetzen. Das Aufgebot, welches auf schriftlich oder zum Protokoll des Gerichtsschreibers gestellten Antrag erfolgt und mündliche Verhandlung nicht voraussetzt, hat zu enthalten die Bezeichnung des Antragstellern, die Aufforderung, die Ansprüche und Rechte spätestens im Aufgebotstermin anzumelden, die Bestimmung dieses Termins, die Bezeichnung der Rechtsnachteile der Nichtanmeldung; dasselbe wird öffentlich bekannt gemacht. Erfolgt vor oder in dem Aufgebotstermin keine Anmeldung, so wird auf Antrag Ausschlußurteil erlassen; erfolgt eine Anmeldung, durch welche das vom Antragsteller zur Begründung des Antrags behauptete Recht bestritten wird, so wird nach Beschaffenheit des Falles entweder bis zur Entscheidung über das angemeldete Recht das A. ausgesetzt oder im Ausschlußurteile das angemeldete Recht vorbehalten. Das Ausschlußurteil kann nur mittels Klage gegen den Antragsteller aus gewissen Gründen angefochten werden, insbesondere wenn die Voraussetzungen des A. nicht vorlagen, oder bei Erlaß der öffentlichen Aufforderung gefehlt, oder ein angemeldeter Anspruch gesetzwidrig unberücksichtigt geblieben ist. - Besondere Bestimmungen trifft die Deutsche Civilprozeßordnung für das Aufgebot von Urkunden (§§. 837-850), und zwar obligatorische Vorschriften für dasjenige von Wechseln und andern indossabeln Papieren (kaufmännischen Anweisungen und Verpflichtungsscheinen über Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere, Konnossementen der Seeschiffer, Ladescheinen der Frachtführer, Auslieferungsscheinen über Waren und andere bewegliche Sachen, Bodmereibriefe und Seeassekuranzpolicen). Nach diesen Bestimmungen ist antragsberechtigt derjenige, welcher das Recht aus der Urkunde geltend machen kann, also bei Inhaberpapieren der letzte Inhaber. Zuständig ist das Amtsgericht des Erfüllungsortes; wenn solcher in der Urkunde nicht bestimmt ist, dasjenige, bei welchem der Aussteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat oder in Ermangelung eines solchen zur Zeit der Ausstellung gehabt hat. Zur Begründung des Antrags bat der Antragsteller Abschrift der Urkunde beizubringen oder deren wesentlichen Inhalt anzugeben, den Verlust derselben und die seine Berechtigung zum Antrag begründenden Thatsachen glaubhaft zu machen und sich zur eidlichen Versicherung der Wahrheit zu erbieten. Im Ausschlußurteil ist die Urkunde, gemäß der Androhung dieses Rechtsnachteils im Aufgebot, für kraftlos zu erklären. Durch das Ausschlußurteil wird derjenige, welcher dasselbe erwirkt hat, dem durch die Urkunde Verpflichteten gegenüber berechtigt, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen. Für das Aufgebot anderer Urkunden als der Wechsel und der oben genannten indossabeln Papiere gelten vorstehende Bestimmungen teilweise nur subsidiär.

Auf dem Gebiete des Erbrechts ist ein öffentliches A. dem geltenden Rechte in mehrfacher Hinsicht bekannt. a. Die Mehrzahl der neuern Rechte kennt ein A., in welchem unbekannte Erben aufgerufen werden, ihre Ansprüche anzumelden, bevor der Nachlaß demjenigen zufällt, welcher den Nachlaß als erblosen zu beanspruchen hat. Vgl. z. B. Preuß. Allg. Landr. II, 16, §. 24 mit I, 9, §§. 471 fg.; Code civil Art. 70; Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2619; österr. Gesetz vom 9. Aug. 1854, §. 129. b. Diejenigen Gesetze, welche die Erbbescheinigung (s. d.) zum Gegenstände haben, kennen ein A. zur Ermittelung von Personen, welche ein Erbrecht in Anspruch nehmen. Das preuß. Gesetz vom 28. März 1879 hat ein erbschaftliches Gläubigeraufgebot durch das Gericht auf Antrag des Erben mit eigentümlichen Wirkungen geordnet. Der Zweck ist, dem Erben den Entschluß vorzubereiten, ob er den Nachlaßkonkurs beantragen soll; die Gläubiger, welche sich nicht gemeldet haben, können die Ansprüche gegen den Erben nur so weit geltend machen, als der Nachlaß noch nicht erschöpft ist (§§. 10, 15). Ähnliche Vorschriften finden sich in einigen andern Staaten, z.B. in dem Lüb. Gesetz vom 25. März 1882 und in dem Hamb. Gesetz vom 25. Juli 1879. Nach dem Hamb. Gesetz können die nicht angemeldeten Ansprüche, welche dem Erben nicht bekannt sind, später überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden.

Das Österr. Bürgerl. Gesetzbuch kennt in den §§.813-815 eine gerichtliche Einberufung der Erbschaftsgläubiger mit etwas abweichenden Wirkungen. Das Züricher Gesetzbuch in der neuen Fassung von 1887 bat ähnliche Vorschriften unter der Bezeichnung «öffentliches Inventar«» in den §§. 941 fg. mit der Wirkung des Erlöschens der Forderung ohne Ausschlußurteil. - Der Deutsche Entwurf hat sich in seinen §§. 2120 fg. im wesentlichen dem preuß. Rechte angeschlossen, Motive V, 643 fg.

Vgl. Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts (5 Bde., 2. Aufl., Berl. 1885), §. 285, VII u. fg.

Aufgeien, die untern Ecken der Segel (Schothörner) mit den Geitauen nach der Mitte der Nahe aufziehen, um den Wind aus ihnen zu nehmen oder sie festzumachen

Aufgeld, s. Agio; auch soviel wie Draufgeld, s. Arrha.

Aufgesang und Abgesang, ursprünglich technische Ausdrücke des Meistergesangs zur Bezeichnung strophischer Gliederung, werden jetzt für den altdeutschen Strophenbau durchweg verwandt. Die mittelhochdeutsche lyriscke Kunststrophe zerfällt seit etwa 1170 in der Regel in drei Teile, von denen die beiden ersten Stollen, oder zusammengefaßt Auf-^[folgende Seite]