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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bach

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Bach (Joh. Sebastian)

Er setzte mit Energie das von seinem Vorgänger eingeleitete Werk der Centralisation der Österreichischen Monarchie fort. Unter den von ihm durchgeführten Reformen sind die wichtigsten: die Aufhebung der Patrimonialgerichte, die Durchführung der Grundentlastung, das Gemeindegesetz, die neue, in Österreich und Ungarn ganz gleichmäßige Organisation der Verwaltung. Hingegen war das Regierungssystem streng absolutistisch und begünstigte die Herrschaft des Klerus auf allen Gebieten, wie er denn auch an dem Abschluß des Konkordats mit dem päpstl. Stuhle vom 18. Aug. 1855 eifrigen Anteil nahm. Die von ihm vertretene Politik brach indes mit dem Italienischen Kriege von 1859 zusammen, und B.s Ministerlaufbahn nahm 21. Aug. 1859 ihr Ende; darauf wurde er Botschafter in Rom, wo er als eine Stütze der Ultramontanen wirkte und bis 1867 verweilte. B. wurde 1854 vom Kaiser in den Freiherrenstand erhoben und war bis zu seinem Rücktritte Kurator der Akademie der Wissenschaften. Er starb 12. Nov. 1893 auf seinem Gute in Unter-Waltersdorf.

Bach, Joh. Sebastian, der größte prot. Kirchenmusiker und Orgelspieler Deutschlands, wurde als Sohn Joh. Ambrosius B.s (1645-95), Hof- und Ratsmusikus zu Eisenach, 21. März 1685 zu Eisenach geboren. Nach dem frühen Tode seiner Eltern kam er, noch nicht 10 J. alt, zu einem ältern Bruder, dem Organisten Johann Christoph B. (gest. 1721) nach Ohrdruf, wo er das Lyceum besuchte und von seinem Bruder Unterricht im Klavierspiel empfing. Durch Vermittelung des Ohrdrufer Kantors Herda wurde er im 15. Jahre als Diskantist in den Kirchenmusikchor der Michaelisschule in Lüneburg aufgenommen und besuchte öfters Hamburg, Lübeck und Celle, wo für Orgel- und Orchesterspiel, für Oper- und Konzertgesang ausgezeichnete Kräfte waren. 1703 wurde B. Hofmusikus (Violinist) in Weimar, 1704 Organist in Arnstadt, von wo aus er Ende 1705 eine Studienreise zu dem Orgelmeister Buxtehude nach Lübeck unternahm, 1707 Organist zu Mühlhausen, 1708 Hoforganist zu Weimar und 1714 zugleich Konzertmeister daselbst. Seine überragende Meisterschaft auf der Orgel und dem Klavier bewies er 1717 in Dresden bei einer merkwürdigen Gelegenheit. Zu einem musikalischen Wettstreit mit dem franz. Klavier- und Orgelvirtuosen Marchand als Herausforderer wurde B. auf Veranlassung des sächs. Konzertmeisters Volumier herbeigerufen. Nachdem sich aber beide Gegner gegenseitig erkannt, entzog sich Marchand dem Kampfspiele in eiliger, heimlicher Flucht. Kaum nach Weimar zurückgekehrt, wurde B. (1717) vom Fürsten Leopold von Anbalt-Cöthen als Kapellmeister berufen; 1723 erhielt er die Musikdirektor- und Kantorstelle an der Thomaskirche zu Leipzig, in der er nun bis zu seinem Tode (28. Juli 1750) unter keineswegs glänzenden Verhältnissen verblieb. Ferner war er Titularkapellmeister des Herzogs von Weißenfels, und vom Dresdener Hofe erhielt er 1736 die Würde eines königlich poln. und kurfürstlich sächs. Hofkompositeurs. Eine besondere Auszeichnung ward ihm durch Friedrich d. Gr. zu teil. Dem öfters ausgesprochenen Wunsche folgte 1747 die förmliche Einladung zu einem Besuche nach Potsdam, wo B. vom König mit großen Ehrenbezeigungen aufgenommen wurde. Ein von diesem aufgegebenes Thema zum Phantasieren arbeitete B. bald kunstmäßig aus und übersandte es ihm als «Musikalisches Opfer» gedruckt.

Durch Lehre und Vorbild erzog B. einen Stamm vortrefflicher Komponisten, Orgel- und Klavierspieler, der sich über ganz Norddeutschland, zunächst durch Sachsen und Thüringen verbreitete, und aus dem mehrere seiner Söhne hervorragen. So bedeutend indessen der Einfluß B.s in Theorie und Praxis auf den Gang der musikalischen Kunst und Wissenschaft war, so ist es doch noch mehr der reiche Schatz seiner Kompositionen an sich, wodurch er auf die Gegenwart Einfluß gewonnen hat. In seinem Stil hat die polyphone Kunst, an der vom 15. Jahrh. ab die Meister aller Länder arbeiteten, ihre höchste Entwicklung gefunden; aber auch jede andere Schreibart beherrschte er mit derselben Freiheit und Ursprünglichkeit. Hinter dem unerschöpflichen Reichtum und der Mannigfaltigkeit seiner Formen steht eben eine außerordentliche Persönlichkeit, im Seelenleben von unvergleichlicher Tiefe und Frische, auf jedem Gebiete menschlichen Empfindens gleich heimisch, fruchtbar und originell. B.s Kompositionen gehören zum Grundstamme unsers musikalischen Schatzes. Eine vollständige prachtvolle Ausgabe dieser Werke veranstaltet seit 1850 (bei Breitkopf & Härtel) die Bach-Gesellschaft zu Leipzig, wodurch namentlich seine Passionen, Messen und Kirchenkantaten allgemeiner bekannt geworden sind. Von den einzelnen Klavier- und Orgelwerken B.s erschienen bereits früher Ausgaben. Vollständigere Sammlungen veranstalteten zuerst Peters in Leipzig (durch Czerny, Griepenkerl und Dehn) und Haslinger in Wien.

Die erste beträchtliche Steigerung erfuhr die Teilnahme an B.s Musik besonders durch die Bemühungen Mendelssohns. Durch seine Vermittelung wurde B. 1842 vor der ehemaligen Thomasschule zu Leipzig ein, freilich nur bescheidenes, Denkmal errichtet. Ein anderes in Eisenach (Bronzestatue von Donndorf, gegossen von Howald in Braunschweig) wurde 28. Sept. 1884 enthüllt. Von B.s Werken erschienen bei seinen Lebzeiten im Druck: 1) Eine Sammlung der verschiedenartigsten Kompositionen für Klavier mit und ohne Pedal, u. d. T. «Klavierübung» (Tl. 1-4, hg. 1726-42). 2) «Musikalisches Opfer» (s. oben, gestochen Lpz. 1747). 3) «Die Kunst der Fuge» (gestochen und 1752 herausgegeben). Sämtliche Kirchenkompositionen für Gesang und Orchester und die meisten Instrumentalwerke hinterließ er ungedruckt: 1) Fünf Jahrgänge von Kirchenstücken auf alle Sonn- und Festtage, darunter Oratorien auf Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und fünf Passionen. 2) Viele Messen, Magnifikat, einzelne Sanktus, Dramen, Serenaden, Geburts-, Namenstags- und Trauermusiken, Brautmessen, auch einige komische Singstücke. 3) Einige zweichörige Motetten. 4) «Das wohltemperierte Klavier» (Tl. 1, 1722; Tl. 2, um 1740). 5) Präludien und Fugen für Orgel, Choralvorspiele u. s. w. Außerdem eine Menge anderer Instrumentalsachen von allerlei Art und für verschiedene Instrumente. Eine eingehende Biographie erschien in Mitzlers «Musikalischer Bibliothek" (1754, Bd. 4, Tl. 1) von Agricola, einem Schüler B.s, und des letztern Sohn K. Ph. Emanuel; diese Schrift ist eine zuverlässige Quelle, namentlich in Hinsicht auf das Verzeichnis von B.s Werken; ferner von Forkel (Lpz. 1803), Hilgenfeld (ebd. 1850), Bitter (2. Aufl., 4 Bde., Berl. 1881). Überholt sind diese Arbeiten durch Spitta (2 Bde., Lpz. 1873-80). - Vgl. auch Ramann, B. und Händel (ebd. 1869).

Die Familie B.s stammt (nach Spitta) aus Thüringen (nicht Ungarn) und hat, außer den Söhnen