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Corpuscula – Corpus juris
Corpuscŭla (lat., d. i. Körperchen), früher Benennung der weiblichen Geschlechtsorgane der Gymnospermen; da diese jedoch mit Recht als den Archegonien bei den Gefäßkryptogamen und Moosen entsprechend betrachtet werden, so nennt man sie neuerdings auch Archegonien (s. d. und Gymnospermen).
Corpus delicti (lat., wörtlich: Körper des Verbrechens), im Strafrecht der Thatbestand (s. d.) eines Verbrechens, d. i. der Inbegriff der zu diesem erforderlichen Handlungen und Wirkungen. Ursprünglich bezeichnete der inquisitorische Prozeß bei den sog. delicta facti permanentis damit die Werkzeuge, durch welche ein Verbrechen verübt worden ist, die Spuren desselben, was man dann zum Inbegriff aller äußerlich wahrnehmbaren Merkmale eines Deliktes erweiterte.
Corpus doctrīnae (lat.), verschiedene im 16. Jahrh. in den evang. Landeskirchen eingeführte Sammlungen kirchlicher Bekenntnisschriften (s. Symbolische Bücher), wie das C. Misnicum oder Philippicum von 1559 für Kursachsen, im Melanchthonschen Geiste zusammengestellt und in vielen Landeskirchen eingeführt, späterhin durch die Konkordienformel (s. d.) verdrängt; das pommersche (niedersächsische) C. von 1561, das Nürnberger von 1573; in streng luth. Geiste das Hamburger von 1560, das der Stadt Braunschweig von 1563, das pommersche von 1564, das preußische von 1567, das braunschweig-wolfenbüttelsche von 1569, das herzoglich sächsische (C. Thuringicum) von 1570, das kurbrandenburgische von 1572 und die beiden für Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel 1576 veranstalteten Sammlungen (C. Wilhelminum und C. Julium). Sie verloren seit Einführung des Konkordienbuchs (s. d.) 1580 in den meisten luth. Landeskirchen ihre Geltung.
Corpus Domĭni (lat.), Fronleichnam (s. d.).
Corpus evangelĭcum (lat.). Durch den Westfälischen Frieden (1647) war bestimmt worden, daß auf dem Reichstag in Religionssachen gesonderte Beschlußfassung (itio in partes) stattzufinden habe. Demgemäß konstituierte sich für Religionssachen ein besonderes Corpus catholicum (oder catholicorum) unter Vorsitz von Kurmainz, ein besonderes C. e. (oder evangelicorum) unter Vorsitz erst von Kursachsen, später, nach dem Übertritt von Kursachsen zur kath. Kirche, von Kurbrandenburg. – Vgl. Frantz, Das kath. Direktorium des Corpus Evangelicorum (Marb. 1880).
Corpus inscriptiōnum, s. Epigraphik.
Corpus juris (lat.) nennt man gewisse Rechtssammlungen. C. j. civīlis heißen vornehmlich die im 12. Jahrh. unter diesem Namen zusammengefaßten Rechtsbücher Justinians (die Institutionen, Pandekten, der Codex und die Novellen). Der Kaiser Justinianus Ⅰ. (s. d.) hatte den für seine Zeit großartigen Plan gefaßt, das überlieferte röm. Recht in einer Gestalt zusammenzufassen, die dessen Handhabung erleichterte. So handwerksmäßig dieser Plan ausgeführt ist, so hat er die weltgeschichtliche Bedeutung gehabt, daß die reife Geistesarbeit der Römer dadurch in eine Form zusammengedrängt wurde, welche die Überlieferung auf die spätern Generationen und Völker in einem Grade sicherte, daß das röm. Recht als ein geschlossenes Ganze zugleich Gegenstand eines ausgebreiteten Studiums und der unmittelbaren Anwendung werden konnte. Justinian hatte 530 unter dem Vorsitz seines Reichskanzlers Tribonian eine Kommission von 16 Juristen (darunter 4 Professoren) mit dem Auftrag niedergesetzt, aus den Schriften der röm. Juristen ein Gesetzbuch in 50 Büchern zu verfertigen. Die Arbeit wurde in drei Jahren mit der die einzelnen Stellen zum größten Teil aus dem Zusammenhang herausschneidenden Papierschere fertig gestellt, sodaß uns wenigstens in bis auf kleine Abänderungen (emblemata Triboniani) wortgetreuen Excerpten ein Teil der Schriften von 39 röm. Juristen, unter ihnen die ersten jurist. Denker aller Zeiten: Salvius Julianus, Papinianus, Ulpianus, Paulus u. a., mit den Namen der Urheber und der jurist. Werke, aus denen sie genommen sind, überliefert werden konnten. Dieses Sammelwerk sind die berühmten Pandekten (griech.: Alles ist aufgenommen) oder Digesten (lat.). Die Bücher sind in Titel eingeteilt, die einzelnen Stellen werden von den Juristen in der verkehrten Weise citiert: L. 93, § 3, D. de solutionibus et liberationibus (46, 3); statt, wie man andere Bücher, u. a. die Bibel, citiert: Buch 46, Titel 3 (mit der Überschrift De solut. et lib.), Stelle 93, §. 3. Am 16. Dez. 533 wurden diese Digesten «dem Senat und allen Völkern» als Gesetz verkündet. Mit ihnen zusammen erlangte Gesetzeskraft ein kurzes Lehrbuch, die Institutionen, das Justinian zur Einführung in das Studium der Pandekten nach einem gleichnamigen Werk des röm. Juristen Gajus hatte ausarbeiten lassen. Nach diesem Muster werden noch heute unsere Studenten in das Rechtsstudium eingeführt. Sie hören im ersten Semester Institutionen vor den Pandekten. Den dritten Teil des C. j. bildet der Codex, eine Sammlung kaiserl. Gesetze und Entscheidungen in 12 Büchern, der in der jetzigen Gestalt 534 publiziert wurde. Den vierten Teil bilden neuere Gesetze Justinians, die dazu bestimmt waren, veraltete Einrichtungen zu beseitigen, Kontroversen zu entscheiden, notwendig erscheinende Reformen durchzuführen. Das sind die Novellen. In den gedruckten Ausgaben des C. j. sind gewöhnlich noch angehängt die libri feudorum, d. i. eine mittelalterliche Sammlung von das Lehnswesen betreffenden Vorschriften und die Gesetze einiger römischer und deutscher Kaiser. Die Ausgaben des C. j. civilis heißen glossierte, wenn sie die fortlaufenden Randbemerkungen (Glossen) haben, die Accursius im ersten Drittel des 13. Jahrh. aus den Erklärungen der Rechtslehrer zu Bologna zusammengestellt hat. Nur die glossierten Stellen haben in den Ländern des Gemeinen Rechts Gesetzeskraft, weil die von den Glossatoren nicht erklärten Stellen in dem als geltendes Recht in Deutschland und andern Ländern aufgenommenen C. j. einfach weggelassen waren. Bis 1525 giebt es nur glossierte, dann 100 Jahre glossierte und unglossierte, seit 1627 (opera et studio Jo. Fehii Lugdunensis) keine glossierten mehr. Unter den unglossierten ist wichtig die Gothofredische (Genf 1624), oft nachgedruckt, am schönsten von Simon van Leeuwen (Amsterd. 1663). Unter den nicht Gothofredischen unglossierten sind hervorzuheben: die von Haloander (Meltzer, Nürnb. 1529‒31), von Contius (Lyon 1571), die Göttinger von Gebauer (und Spangenberg; 1776‒97), die von Gebrüder Kriegel begonnene (von Herrmann und Ofenbrüggen fortgesetzte: Lpz. 1833‒43; 17. Aufl. 1887), endlich die erste kritische Ausgabe, die alle ihre Vorgänger in den Schatten stellt, von Mommsen und Krüger (2 Bde., Berl. 1868‒74; 6. Aufl., ebd. 1893 fg.). Eine Verdeutschung lieferten Otto, Schilling und Sintenis (7 Bde., Lpz. 1830‒33).
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