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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Depositen zur Benutzung
den alle Wertobjekte verwaltet, deren Hinterlegung
durch einen Rechtsstreit oder durch Ungewißheit des
wahren Eigentümers einer Sache oder Forderung
veranlaßt wurde; bei dem letztern alle Vermögens-
stücke, welche der Eigentümer nicht selbst verwalten
oder verrechnen konnte oder durfte, insbesondere
das Vermögen der Mündel. Gegenstände der Depo-
sitalverwaltung sind Gelder, Wertpapiere, Kostbar-
keiten und Urkunden. Die Verwaltung erfolgte teils
in getrennter Rechnung und Buchführung für den
einzelnen Hinterleger (Specialdepositorium)
oder im Namen und für Rechnung des gesamten bei
diesem Gericht vorhandenen Iudizial- oder Pupillar-
depositenfonds (Generaldepositorium). Die
zum Depositorium gelangenden Gelder mußten zins-
bar angelegt werden, entweder durch Belegung bei der
königlichenpreuß. Bank, oder durch Ankauf deposital-
mäßiger Wertpapiere, oder durch Ausleibung gegen
depositalmähige (pupillarisch sichere) Hypotheken
nach Maßgabe der hierüber erlassenen sehr detaillier-
ten Bestimmungen. In andern deutschen Staaten
war das gerichtliche D. in ähnlicher Art geordnet.
Mit diesem System waren schwerwiegende Nachteile
verbunden. Den Gerichten war eine umfangreiche
Vermögensverwaltung übertragen, zu welcher sie
ungeeignet waren; den mit diesen Geschäften be-
trauten Richtern war eine pekuniäre Verantwortlich-
keit auferlegt, die sie unter Umständen wirtschaftlich
zu Grunde richtete und in allen Fällen schwer drückte;
die Verwaltung war schwerfällig, weitläufig und scha-
blonenhaft, dabei verhältnismäßig sehr kostspielig.
In vollem Gegensatz hierzu steht das franzö-
sische System des D. Durch Art. 110 des Gesetzes
vom 28. April 1816 wurde für gauz Frankreich eine
allgemeine Depositenkasse (cai886 äss ä6pöt8 et
c0U8ißu3^ioii8) eingerichtet, deren Befugnisse und
Organisation durch die Ordonnanz vom 3. Juli 1816
geregelt wurden. In diese Kasse sind einzuzahlen
alle Gelder, deren Hinterlegung aus irgend einem
gesetzlichen Grunde verlangt oder angeordnet werden
kann, mag der Grund ein civilrechtlicher, prozessua-
lischer oder verwaltungsrechtlicher sein. Durch eine
besondere Ordonnanz vom gleichen Tage wurde die
Depositenkasse ermächtigt, freiwillige Hinterlegungen
von Geld von Privatleuten anzunehmen, und es
wurde den Verwaltungskörpern, Gemeinden und
allen gemeinnützigen Anstalten die Befugnis erteilt,
bei der Depositenkasse die Gelder zu hinterlegen,
welche auf Grund der jährlichen Finanz- und Steuer-
gesetze zur Verfügung stehen, sowie auch Beträge,
welche von ihren ordentlichen und außerordentlichen
Einkünften, Einnahmeüberschüssen und andern ähn-
lichen Ursachen herrühren. Die staatliche Depositen-
kasse ist für die von ihren Beamten in Empfang ge-
nommenen Summen und (seit 1875) Wertpapiere
verantwortlich; sie trägt alle Kosten und Gefahr in
betreff der Bewachung, Bewahrung und Verwal-
tung der deponierten Gelder. Bei gesetzlich vor-
geschriebenen Hinterlegungen werden für die ersten
60 Tage, bei freiwilligen Hinterlegungen für die
ersten 30 Tage keine Zinsen gezahlt; von da ab wer-
den für die hinterlegten Beträge 3 Proz. jährlicher
Zinsen vergütet. Die Rückzahlung erfolgt 10 Tage,
nachdem das Zahlungsbegehren bei dem Vorsteher
der Kasse gestellt ist. Die Verwaltung der Depo-
sitenkasse steht unter der Aufsicht der durch Art. 99
des Gesetzes vom 28. April 1816 eingesetzten Kom-
mission und ressorticrt vom Finanzministerium.
Durch ein Gesetz vom 31. März 1837 wurden ihr
auch die Sparkassengelder zugewiesen, durch Gesetz
vom 15. Juli 1850 die Gelder der Hilfsgenossen-
schaften auf Gegenseitigkeit, wenn sie den Betrag
von 1000 und 3000 Frs. übersteigen. Dieses franz.
System gilt zur Zeit in Elsaß-Lothringen mit
der Maßgabe, daß die Rechte und Pflichten der
^3.1886 ä68 ä6Z)0t8 6t C0U8iFQHti0I18 auf die Landes-
kasse übertragen sind und von dem Ministerium (De-
positenverwaltung) wahrgenommen werden, die An-
nahme und Rückgabe der Depositen aber unter Bei-
hilfe der Enregistrements-Einnehmereien durch die
Aktiengesellschaft für Boden- und Kommunalkredit
erfolgt. Die Vorteile dieses Systems bestehen in
seiner ungemeinen Einfachheit und Bequemlichkeit,
in der Entlastung aller Gerichte und Verwaltungs-
behörden von Geschäften der Vermögensverwaltung,
in der Konzentrierung aller zur Hinterlegung ge-
langender Kapitalien. Dagegen besteht die Sicher-
heit der hinterlegten Gelder ausschließlich in dem
Kredit des Staates, und die deponierten Summen
bilden in Frankreich eine schwebende Schuld von
enormer und stets wachsender Höhe. Das ganze
Vermögen der Kommunalverbände, der Gemein-
den, der Sparkassen und Hilfskassen, der gemein-
nützigen Anstalten steht in Gefahr, bei finanziellen
Schwierigkeiten des Staates in Mitleidenschaft
gezogen zu werden und verloren zu gehen, und
alle gesetzlichen Vorschriften, die eine Hinterlegung
von Geldern anordnen, enthalten zugleich eine ge-
setzliche Nötigung, dem Fiskus einen ungedeckten
Kredit zu gewähren.
Unter dem Einfluß dieses franz. Systems ist in
neuerer Zeit auch in Preußen das D. umgestaltet
worden. Durch die Vormundschaftsordnung vom
5. Juli 1875 hörte die Hinterlegung der Mündel-
gelder beim Gericht auf; mit dem 1. Jan. 1876 wur-
den die sämtlichen Pupillardepositorien aufgelöst
und die Vermögensbestände aller Generaldepositorien
gingen in das Eigentum des Staates über. Mün-
delgelder, welche zu laufenden Ausgaben nicht er-
forderlich sind, welche aber in eigentlichen Anlage-
papieren nach den obwaltenden Umständen nicht so-
fort angelegt werden können, sind nunmehr bei der
Reichsbank oder bei öffentlichen, obrigkeitlich bestä-
tigten Sparkassen vorläufig zinsbar zu belegen.
Infolge der Einführung der Reichsjustizgesetze er-
wies sich auch eine Reform der sog. Iudizialdeposi-
torien erforderlich; diefelbe ist erfolgt durch die Hin-
terlegungsordnung vom 14. März 1879, welche an
Stelle der Depositalordnung von 1783 getreten ist.
Ihre Tendenz ist darauf gerichtet, die Depositalver-
waltung den Gerichten soviel als möglich abzuneh-
men. Sie schreibt deshalb vor, daß bares Geld,
Wertpapiere, die an den Inhaber bezahlt werden
können, und Kostbarkeiten bei der Verwaltungs-
behörde binterlegt werden und daß die Verwaltung
dieser Depositen den Bezirksregierungen obliegt.
Der Prozentsatz, zu welchem die Verzinsung erfolgt,
wird durch königl. Verordnung festgesetzt; die Ver-
zinsung beginnt mit dem ersten Tage des der Ein-
zahlung folgenden Monats. Mobilien, die nicht
Kostbarkeiten sind, und Urkunden sind bei den Amts-
gerichten zu hinterlegen. Außerdem kann in drin-
genden Fällen statt der Hinterlegung bei der Re-
gierung die "vorläufige Verwahrung" beim Gericht
gestattet werden. Diese "Verwahrung" erfolgt auch
bei barem Gelde ohne Vermischung mit anderm Gelde,
woraus sich crgiebt, daß keine Verzinsung stattfindet.
Depositen zurBenutzung,s. Depositenbanken.
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