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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Deutsche Mythologie

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Deutsche Mythologie

halt, und ebenfalls ist Brahms im Gebiet der instrumentalen Kammermusik derjenige, dessen Kompositionen am meisten geschätzt und auch von andern am eifrigsten nachgeahmt werden.

Die deutsche Litteratur ist reich an theoretischen und histor. Schriften über Musik. Außer den Biographien von Komponisten sind zu nennen: Forkel, Allgemeine Geschichte der Musik (2 Bde., Lpz. 1788‒1801); Becker, Die Hausmusik in Deutschland im 16., 17. und 18. Jahrh. (ebd. 1840); ders., Zusammenstellung der Tonwerke des 16. und 17. Jahrh. (ebd. 1847); Winterfeld, Der evang. Kirchengesang (3 Bde, ebd. 1843‒47); ders., Zur Geschichte heiliger Tonkunst (2 Bde., ebd. 1850‒52); Kiesewetter, Geschichte der europ.-abendländ. Musik (2. Aufl., ebd. 1846); Naumann, Die Tonkunst in der Kulturgeschichte, Bd. 1 (Berl. 1870); ders., Illustrierte Musikgeschichte (Stuttg. 1880‒85); ders., Deutsche Tondichter von Seb. Bach bis auf die Gegenwart (5. Ausg., Berl. 1882); Brendel, Geschichte der Musik in Italien, Deutschland und Frankreich (7. Aufl., Lpz. 1888); Dommer, Handbuch der Musikgeschichte (2. Aufl., ebd. 1878); Wasielewski, Geschichte der Instrumentalmusik (Berl. 1878); Köstlin, Geschichte der Musik im Umriß (2. Aufl., Tüb. 1880); Ambros, Geschichte der Musik (2. Aufl., 4 Bde., Lpz. 1880‒82; Bd. 5 der 1. Aufl. erschien von O. Kade 1882; Bd. 1 u. 2 in 3. Aufl. 1887 u. 1892); ders., Geschichte der Musik der Neuzeit in Studien und Kritiken aus dem Nachlasse (Preßb. 1882); Reißmann, Illustrierte Geschichte der D. M. (2. Aufl., Lpz. 1892); Svoboda, Illustrierte Musikgeschichte (2 Bde., Stuttg. 1892‒93); Langhans, Die Geschichte der Musik des 17., 18. und 19. Jahrh. Im chronol. Anschlusse an die Musikgeschichte von Ambros (2 Bde., Lpz. 1883‒87). Von Encyklopädien sind hervorzuheben die von Gerber (4 Bde., ebd. 1812‒14), Schilling (7 Bde., Stuttg. 1834‒42), Bernsdorf (3 Bde., mit Nachtrag, Dresd. und Offenb. 1856‒61), H. Ch. Koch, in 2. Aufl. von Dommer (Heidelb. 1865), Gathy (3. Aufl., Berl. 1871), Schuberth (10. Aufl., Lpz. 1877), Paul (2 Bde., ebd. 1873), Riemann (4. Aufl., ebd. 1893), vor allen das Musikalische Konversations-Lexikon, begründet von Mendel, vollendet von Reißmann (11 Bde., 2. Aufl., nebst Ergänzungsband, Berl. 1880‒83). – Vgl. auch H. Kretzschmar, Über den Stand der öffentlichen Musikpflege in Deutschland (Lpz. 1881).

Deutsche Mythologie, die Wissenschaft von den religiösen Vorstellungen und Gebräuchen der heidn. Deutschen, ferner von den in Sitte und Sage, im Märchen und Volksliede fortlebenden Versinnlichungen der Erscheinungen in der Natur und der Eindrücke, die die Vorgänge des Lebens in der Seele der Menschen zurücklassen.

Die letztern sind unsern Vorfahren und uns mit vielen Völkern der Erde gemeinsam (vgl. Tylor, Die Anfänge der Kultur, Lpz. 1873). Aus ihnen heraus hat sich schon in uralter Zeit ein Seelenglaube und Seelenkult, später ein Dämonenglaube und Dämonenkult und endlich der Götterglaube und Götterkult entwickelt. Man spricht infolgedessen von drei verschiedenen Mythenperioden, von denen die ältern jedoch in den jüngern noch fortleben. Zur Zeit der ältesten Berichte über unsere Vorfahren finden wir den Götterglauben in voller Entfaltung; dieser wurde besonders durch das Christentum gebrochen, während Seelen- und Dämonenglaube in Aberglauben, Sitte, Sage und Märchen nach wie vor fortlebte und teilweise christl. Gewand annahm. In welche Zeit die Anfänge des Götterglaubens zu setzen sind, ist schwer zu entscheiden. Die ersten scheinen einer Zeit anzugehören, in der alle indogerman. Stämme noch vereint waren. Sicher ist, daß die Germanen vor ihrer Trennung in einzelne Stämme gemeinsam dieselben Hauptgötter verehrten, allein die Entwicklung der Gottheiten ist bei den einzelnen Stämmen eine verschiedene gewesen; sie war abhängig von der geistigen Beanlagung des Stammes, von der Natur, die ihn umgab, von seinem Verkehr mit andern Völkern, von dem Zeitpunkte, der dem Heidentum ein Ende machte. Nicht viel mehr als einige Namen können wir an einen urgerman. Götterhimmel setzen: diese ergeben sich auf der einen Seite aus den spärlichen Überresten der südgerman. Völker, aus den Berichten der Römer, dem Wortschatze der Inschriften, den mittelalterlichen Kirchen- und Profanhistorikern, auf der andern Seite aus den außerordentlich reichen nordischen Quellen, den Skaldliedern, den prosaischen Erzählungen aus der spätern heidn. Zeit (den Sögur) und den Eddaliedern (s. Edda).

Die Begründung der Wissenschaft einer D. M. ist eins der großen Verdienste Jakob Grimms. Während er aber die junge nordische Mythologie als urgermanisch hinstellte und den deutschen Volksglauben aus dieser entstanden sein ließ, leistete er der kombinierenden Methode, die unsere Mythologie so in Mißkredit gebracht hat, Vorschub. Dies wurde auch nicht anders, als Schwartz 1849 im Gegensatz zu Jakob Grimm den Nachweis führte, daß der noch lebende Volksglaube nicht aus altgerman. Götterglauben hervorgegangen sei, sondern eine ältere Schicht als dieser darstelle. Erst durch die von A. Kuhn und M. Müller geschaffene vergleichende Mythologie der indogerman. Volker und durch W. Mannhardts spätere Arbeiten erhielt die D. M. festern Grund und Boden, auf dem in neuester Zeit namentlich Elard H. Meyer und L. Laistner weiter bauten. Ausschließlich das Gebiet des altgerman. Götterglaubens behandelte vorzüglich K. Müllenhoff, der Kritik der Quellen als Grundregel aller mytholog. Forschung aufstellte und dadurch der Schöpfer der analytischen Methode der Mythologie wurde.

In seinem Kerne allen german. Völkern gemeinsam ist der Glaube an ein Fortleben der menschlichen Seele nach dem Tode in der Natur und an ein Trennen derselben vom Körper während des Schlafs. In diesem Zustande kann die Seele alle möglichen Gestalten annehmen. Dieser alte Glaube lebt noch in mancherlei Formen unseres Volks- und Aberglaubens fort. Hierher gehören der Glaube an Geister und Gespenster, an das Seelenheer, das im Winde daherfährt oder hoch in Lüften kämpft, die nordischen Mythen von den Walkyren (s. d.), Einherjern (s. d.), von den Gienganger oder Apturgöngur (Wiedergänger), von den Irrwischen oder Feuermännern, den schwed. Eldgastar oder Lyktegubben, den Wiesenhüpfern u. a. Ferner gehören hierher die Sagen von der Mart (s. d.), die den Menschen ängstigt, von der Trud oder Drud, vom Alp (s. d.), vom alamann. Schrettele oder Schrat, dem elsäss. Doggeli, den nordischen Fylgjur (d. h. Folgegeistern), den Werwölfen (s. d.), den Hexen (s. d.), dem Bilwis (s. d.). Während sich bei diesen Gestalten ein innerer Zusammenhang zwischen der Seele des Menschen und der mythischen Erschei- ^[folgende Seite]