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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Französische Kunst

tralisches, geziertes und süßliches Wesen auflöste, aber zugleich alle Reize einer echt höfisch anmutigen Darstellungsweise an sich zog. Nebenher entwickelte sich gleichzeitig anlehnend an Holland eine überaus glänzende Kleinmalerei. Die von Watteau (s. Taf. V, Fig. 5) und seinen Nachfolgern Lancret und Pater höchst zierlich ausgeführten Bilder aus dem geselligen Leben der höhern Stände, mit vornehm theatralisch kostümierten Herren und Damen, die sich in stattlichen Gärten oder Landschaften auf das galanteste mit Musik, Tanz u. s. w. unterhalten, zeigen das lockere, aber anmutige Leben des Hofes Ludwigs XV. auf seiner Höhe. De Favray und Leprince machten sich ebenfalls als Genremaler beliebt. Chardin lieferte Genrescenen aus den niedern Verhältnissen des häuslichen Lebens, Küchenstücke und Stillleben, die den Vergleich mit ähnlichen Werken der besten Holländer aushalten. Desportes und Oudry malten mit großem Erfolge Jagd- und Tierstücke; Lantura und Joseph Vernet waren geschätzte Landschafts- und Marinemaler. Gleichzeitig mit letztern entwickelte Greuze in Familienscenen aus dem bürgerlichen Mittelstande und in anmutigen Mädchengestalten (s. Taf. V, Fig. 8) eine in Ton und Gegenstand weiche Gefühlsmalerei, welche an Diderots Rührdramen erinnert. Die Zeit wendete sich zu neuen, von den Klassicisten (de Lairesse, van der Werff u. a.) angeregten antiken Gedanken und ernstern symbolisierenden Gegenständen, bis durch die Encyklopädisten die völlige Herrschaft der Antike vorbereitet wurde. Ernste Geschichte und gesellschaftliche Zustände beschäftigten vorzugsweise die Gemüter; unter dem Einfluß dieser Zeit stehen Vien und Peyron, die Vorbereiter und Vorläufer der um den Schluß des 18. Jahrh. eintretenden Kunstepoche.

Entsprechend dem Messidorstil in der Baukunst brachte auch in der Malerei die revolutionäre Bewegung eine Kunst von höchster Schlichtheit und trockner Gesetzmäßigkeit, den Klassicismus zu Wege, dessen größter Vertreter Louis David war. In der Farbe wie in der Zeichnung befleißigte er sich bei eifrigem Naturstudium strengster Einfachheit und einer idealen Entkleidung von allem Zufälligen. Die Richtung ging dabei auf das Pathetische. Mit wenigen großen Zügen viel zu sagen, war die Absicht der klassischen Kunst (s. Taf. V, Fig. 9 u. 10). Sie verfiel dadurch leicht ins Allegorische, Ausgeklügelte, Hohle. Nur im Bildnisfach, als dessen hervorragender Vertreter Davids Schüler Gérard (s. Taf. V, Fig. 11) zu nennen ist, bewahrte sie sich die alte franz. Kraft der Erfassung des Individuums. Davids übrige Stilgenossen Guérin, Girodet-Trioson, Gros, dienten in ihren Gemälden vorzugsweise dem Schlachtenruhm des ersten Kaiserreichs, mühten sich die modernen Vorgänge mit den klassischen Regeln in Einklang zu bringen, ohne das frostige Wesen ablegen zu können, das der Schule in der strengen Komposition, wie namentlich in der glatten Farbengebung anhaftete. Erst Prud'hon führte sie sowohl in koloristischer wie stofflicher Beziehung auf neue Bahnen und erfüllte sie mit neuem Geiste. Ihr trat zuerst in den zwanziger Jahren Géricault mit einem entschiedenen Streben nach Naturalismus entgegen, der selbst vor der Darstellung des Erschrecklichen sich nicht scheute und dies mit ganzer Kraft wahrheitsgetreu zu schildern trachtete. Delacroix nahm diese Richtung mit stürmischer Begeisterung auf (s. Taf. VI, Fig. 1) und wurde zum Gründer der romantischen Schule. War der Klassicismus vorwiegend zeichnerisch, so strebte diese den Reizen der Farbe nach. Ihre Darstellungsart hat im Gegensatz zu der frühern Abklärung und Ruhe etwas Leidenschaftliches, Erregtes, Aufflammendes. Sie wollte packen und die Dinge als Spiegel eines ergriffenen Künstlerherzens ergreifend zur Schau bringen. Die Künstlerpersönlichkeit drängt sich durch die alles beherrschende Regel vor und macht sich in kühnen, oft überkühnen Griffen in das Menschenleben sowie in einer wuchtigen Malweise bemerkbar. Durch die Engländer Bonington und Constable angeregt, begannen die Franzosen sich nun auch der Landschaftsmalerei zuzuwenden, die bei ihnen erst spät öffentliche Anerkennung fand: Huet, Isabey, Roqueplan, Marilhat Diaz suchten auch ihrerseits nicht mehr in der zeichnerischen Wiedergabe, sondern in der farbigen und gemütlichen Stimmung den Wert ihrer Bilder. Gudin ging in der Seemalerei ähnliche Wege. Zwar gelang es den Meistern noch nicht sich völlig von ältern holländ. Einflüssen frei zu machen, aber sie schufen doch aus romantischer Naturschwärmerei eine neue Art tiefeindringender Naturbetrachtung, die für die Folgezeit segensreich wirkte. Die deutsche, weichherzige Romantik vertrat der Holländer Ary Scheffer.

Den die nationale Kunstauffassung mächtig anregenden Romantikern gegenüber entwickelte auch die klassische Schule neue Kräfte. An ihrer Spitze stand Ingres, ein Meister sicherer Zeichnung, fein abgewogener Verhältnisse und zarter, geschmeidiger Pinselführung, der sich auch die Errungenschaften der Romantiker, namentlich deren auf die Nebendinge (Kostüm, Architektur, Kulturgeschichtliches) gerichtete Studien nicht entgehen ließ. Der einseitigen Verehrung der vorzugsweise statuarischen Antike fügte er die der malerischen Formenfülle Raffaels hinzu (s. Taf. VI, Fig. 3). Flandrin erweiterte das Programm der Schule noch durch die tiefe Innerlichkeit und echt kirchliche Haltung seiner Werke. An diese Meister reiht sich eine noch heute blühende Schule der Klassicisten, die zwar nicht mehr die eigentlichen Führer der Malerei sind, aber die romantische Bewegung überdauerten und durch ihre traditionelle Kunstübung im Zeichnen wie im Malen, ihre sorgfältige Schulung namentlich in der Darstellung der menschlichen Gestalt der F. K. den Charakter der Stetigkeit verliehen, die ihr bei allen Schwankungen eigen ist. Als der Führer dieser Richtung ist Cabanel zu nennen, dessen Werke die vollendeten Formen Ingres mit einer einschmeichelnden Farbe und außerordentlicher malerischer Technik verbinden. Seine Schüler Gervex, Regnault, Cormon u. a. haben namentlich die Farbe nach den Errungenschaften anderer Schulen fortgebildet, hinsichtlich der Zeichnung sich mehr und mehr von dem Klassicismus befreit. Dieser erhielt sich kräftig in Bouguereau und in Baudry, der in den großen Fresken in der Oper Gelegenheit fand, seine Meisterschaft im Behandeln von malerischen Massen zu bekunden.

Die romantische Schule fand in der Zeit Ludwig Philipps in Horace Vernet und Delaroche ihre größten Vertreter. Der erstere war der Verfechter eines kräftigern, lebenswahrern Kolorits und einer realistischen Darstellung der Vorgänge. Seine großen Schlachtenbilder (s. Taf. V, Fig. 12) ebenso sehr wie die rationalistisch angehauchten religiösen Gemälde führten ihn auf den Orient zu, dessen Farbenpracht ihn mächtig anzog. Eine ganze Schule von Orientmalern schloß sich seinem Vorbilde an,