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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gastein

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Gastein

Gastein, Name eines Thals und dreier Ortschaften im österr. Kronlande Salzburg.

1) Das an großartigen Landschaftsbildern reiche Thal G., auch die Gastein genannt, ein 40 km langes und 2 km breites Seitenthal des Pongaues oder mittlern Salzachthals, hat zum Hintergrunde im S. den Malnitzer oder Naßfeld-Tauern (2414 m) und den Ankogel (3263 m), zu Seitenwänden aber links und rechts zwei von jenem Zuge gegen N. auslaufende Alpenzweige. Überall sind die Gebirge mit grünen Matten und Wäldern bedeckt, aus denen hier und dort Felsmassen und Gletscher hervorragen. Das Thal bildet den Gerichtsbezirk G. (328,41 qkm, 4 Gemeinden, 21 Ortschaften, 4372 E.) der Bezirkshauptmannschaft St. Johann. In der Mitte des Thals fließt die wilde Gasteiner Ache, welche verschiedene Wasserfälle bildet und sich zuletzt durch die Klamm oder den 4 km langen Klammpaß drängt, um bei einer Fabrik in Lend, dessen Pochwerk sie durch ihren letzten Wassersturz treibt, in die Salzach zu münden. Lend (327 E.) im Gerichtsbezirk Taxenbach der Bezirkshauptmannschaft Zell am See, in 631 m Höhe, ist der nächste Eisenbahnpunkt (Giselabahn) zur Verbindung mit Wildbad G. Im äußersten Südwesten liegt in 1127 m Höhe das Dorf Böckstein (232 E.) im Gerichtsbezirk G. am Ausgange des Anlaufthals, mit einer schönen Kirche (1766 ), guter Kuranstalt und dem Poch-, Wasch- und Amalgamierwerk für das goldführende Erz des daneben ansteigenden Rathausbergs (2684 m). In der Nähe bildet die Ache den Kessel- und Bärenfall, sowie der Abfluß des Bockhardtsees (der untere 1851, der obere 2061 m hoch) den 80 m hohen Schleierfall.

2) Wildbad G., Dorf etwa 4 km unterhalb Böckstein, rechts der Ache, in 991‒1046 m Höhe, am Rücken des Graukogels (2600 m), hat (1890) 558, als Gemeinde 1394 E. und ist einer der berühmtesten europ. Badeorte, dessen Quellen schon im 7. Jahrh. bekannt waren, bereits 1436 vom Herzog Friedrich, nachmaligen Kaiser Friedrich Ⅲ., in neuerer Zeit alljährlich vom Deutschen Kaiser Wilhelm Ⅰ. benutzt wurden sowie gegenwärtig von dem Kaiser von Österreich, in dessen Privatbesitz das Bad übergegangen ist, und der Kaiserin besucht werden. Die ältern Häuser sind terrassenartig an der östl. Thalwand aufgefügt, während an der westl. Seite in neuerer Zeit einige schöne Häuser und Villen erbaut sind, darunter die des Erzherzogs Johann mit einem an Alpenpflanzen reichen botan. Garten. Beide Thalwände trennt die Ache, die sich in zwei Fällen, im obern 63 m, im untern 85 m, von der obern Thalstufe herabstürzt und die Betriebskraft für die elektrische Beleuchtung abgiebt. Die Saison dauert von Mai bis September; die Zahl der Kurgäste betrug (1892) 6800.

Das Klima hat alpinen Charakter; selbst im hohen Sommer, wo der Sonnenschein kaum 8 Stunden in das Thal fällt, sind die Morgen und Abende empfindlich kalt, und noch am Mittag bei der drückendsten Hitze ist die Luft feucht; auch fällt öfters Schnee. Dem Mangel an Wohnungen ist in der jüngsten Zeit durch lebhafte Bauthätigkeit zum größten Teil abgeholfen. Als Kursaal und Spaziergang bei trübem Wetter, das im Juni und Juli hier vorherrscht, dient die Wandelbahn, eine Glasgalerie neben der Hauptbrücke mit schöner Aussicht in das Thal. Das Schloß, von dem letzten Fürst-Erzbischof von Salzburg, Hieronymus, 1794 erbaut und den Kurgästen gewidmet, aber erst durch die österr. Regierung denselben eröffnet, enthält mehr als 20 Zimmer, das mit Serpentin ausgelegte Fürstenbad und 5 andere Bäder. Das vornehmste Gast- und Badehaus ist seit 300 Jahren im Besitz der Familie Straubinger, deren Namen es führt. Von den 18 Quellen sind nur 8 gefaßt: sie heißen die Fürsten-, die Wasserfall-, die Chirurgen-, die Doktor-, die Unter- oder Hauptquelle, die Fledermaus-, die Grabenbäcker- und die Ferdinandsquelle. Sie ergeben täglich 43000 hl Wasser, sind sämtlich in ihren Mischungsverhältnissen gleich und haben eine Temperatur von 25,8 bis 49,6° C. sowie nur 0,35 feste Bestandteile in 1000 Teilen Wasser. Der Wirkung nach rechnet man das Mineralwasser von G. zu den alkalisch-salinischen, obgleich der Grund dieser Wirkung nicht klar ist, da die chem. Analyse die Gasteiner Wasser von gewöhnlichem Quellwasser nur wenig verschieden findet. Man sucht daher ihre besondere Heilkraft in der ihnen innewohnenden Elektricität. Man wendet die Quellen besonders an bei chronischen Nervenkrankheiten und Leiden der Geschlechtsorgane, bei gichtischen, rheumatischen und senilen Beschwerden, Folgen von Verwundungen, Leiden der Schleimhäute und chronischen Hautkrankheiten. Benutzt wird das Wasser zum Trinken und Baden. 1826‒30 wurde eine Wasserleitung (8,5 km lang) erbaut, die das Quellwasser des Wildbades nach Hofgastein führt, wo es in einer Temperatur von 37 bis 41° C. anlangt.

In Wildbad G. erfolgte 14. Aug. 1865 zwischen Österreich und Preußen die Abschließung des Vertrags über die provisorische Verwaltung Schleswig-Holsteins (Gasteiner Konvention), der dann 20. Aug. zu Salzburg von dem Kaiser Franz Joseph und dem Könige Wilhelm Ⅰ. unterzeichnet wurde. Hiernach ging die Verwaltung Holsteins an den Kaiser von Österreich, die Schleswigs an den König von Preußen über, während Lauenburg gegen eine von Preußen an Österreich zu zahlende Entschädigung von 2½ Mill. Thlrn. an die Krone Preußen fiel.

3) Hofgastein, Marktflecken und Hauptort des Thals, 75 km im S. von Salzburg, rechts der Ache in 869 m Höhe, am Fuße des dreigipfeligen Gamskarkogel (2465 m), ist geräumiger als das Wildbad, mit freundlichen Wohnungen für die Kurgäste versehen und hat ohne die einverleibten Katastralgemeinden (1890) 844, mit denselben 2208 E., Bezirksgericht (328,4 qkm, 4 Gemeinden, 21 Ortschaften, 4372 E.), Post, Telegraph, schöne Pfarrkirche, Erzbüste des Kaisers Franz Ⅰ. und ein Armenhaus. Das Militärhospital, ehemals ein Gewerkshaus, dann Besitztum des um die Filialbadeanstalt vielfach verdienten Erzbischofs von Erlau, Ladislaus Pyrker, ward von diesem 1832 für 8 Offiziere und 30 Mann errichtet. Hofgastein war, wie auch noch einzelne Gebäude mit ihrer Ornamentik bekunden, in der Mitte des 16. Jahrh. neben Salzburg der reichste Ort des Salzburger Landes. Der Bergbau, schon von den Römern betrieben und 717 wieder eröffnet, wurde vielfach von fremden, namentlich von sächs. Knappen betrieben und ergab in der Mitte des 16. Jahrh. jährlich 2360 Mark Gold und 19000 Mark Silber. Unter den 22151 Salzburger Auswanderern von 1731 waren 1000 Gasteiner. Seitdem ist die Einwohnerzahl des Thals auf die Hälfte herabgesunken und der Bergbau, welcher bereits 1600 mit der Auswanderung vieler Knappen abnahm, in Verfall geraten; manche Stollen sind vergletschert. Nur im Rauriser Goldbergwerke und im