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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gaumenabsceß - Gauner

tina), die von einer fest anliegenden roten Schleimhaut überzogen sind. (S. Tafel: Mund- und Nasenhöhle des Menschen, Fig. 2, beim Artikel Mund.) Von dem hintern Ende dieses sog. knöchernen oder harten G. hängt schräg nach hinten eine bewegliche, häutige und muskulöse, die Mundhöhle vom Schlunde trennende Platte herab, der weiche G., Gaumenvorhang oder das Gaumensegel (velum palatinum), das in der Mitte nach unten mit einem kegelförmigen Anhange endigt, dem sog. Zäpfchen (uvula); das Gaumensegel geht nach beiden Seiten in eine Art Bogen und von diesen wieder jeder in zwei Falten über, eine vordere und eine hintere, die Gaumenbogen (arcus palatini) genannt, zwischen denen unten die Mandeln (tonsillae) liegen. Der vordere oder Zungengaumenbogen (arcus glosso-palatinus) geht von dem Zäpfchen aus in den Seitenteil der Zungenwurzel über und bildet mit dem der andern Seite die sog. Rachenenge (isthmus faucium). Die verschiedenen Teile des G., insbesondere das bewegliche Gaumensegel, sind sowohl zum Sprechen als zum Schlingen mehr oder weniger unentbehrlich. Dies bemerkt man besonders dann, wenn diese Teile durch Geschwüre zerstört oder durch eine ursprüngliche Mißbildung fehlerhaft beschaffen sind. (S. Gaumenspalte.)

Gaumenabsceß, s. Zahnkrankheiten.

Gaumenbogen, s. Gaumen.

Gaumengeschwür, s. Zahnkrankheiten.

Gaumenlaute, s. Laut.

Gaumennaht, Gaumenobturātor, s. Gaumenspalte.

Gaumensegel, s. Gaumen.

Gaumenspalte (Palatoschisis oder Palatum fissum), eine angeborene und nicht eben seltene Mißbildung des Gaumens, besteht gewöhnlich in einer in der Mittellinie des Gaumens verlaufenden, bis zu 1 cm breiten Spalte, die entweder nur den weichen Gaumen oder diesen mitsamt dem harten Gaumen in zwei seitliche Hälften trennt und eine Reihe lästiger Beschwerden und Funktionsstörungen zur Folge hat. Wenn der harte Gaumen gespalten ist, nennt man den Zustand Wolfsrachen oder Kieferspalte (Rictus lupinus). Gewöhnlich ist damit auch eine einseitige oder doppelseitige Spaltung der Oberlippe (s. Hasenscharte) verbunden, wodurch die Entstellung nur um so auffallender wird. Die G. gehört in die Klasse der sog. Hemmungsbildungen und beruht darauf, daß während der embryonalen Entwicklung die ursprünglich getrennten Gaumenknochen nicht zur Verwachsung gelangten; wahrscheinlich wird dies durch mechan. Einflüsse verhindert, indem in der frühesten Zeit, in den ersten sechs Wochen der Schwangerschaft, ehe die Oberkieferfortsätze miteinander verschmelzen, gewisse Teile sich in die zwischen den Kieferfortsätzen befindliche Spalte hineinlegen und so deren Vereinigung hindern.

Die Beschwerden, die jede Spaltung des Gaumens verursacht, sind sehr erheblich und führen schon in den ersten Tagen nach der Geburt zur Entdeckung des Übels. Zunächst vermögen solche Kinder gar nicht oder doch nur höchst unvollkommen zu saugen und müssen deshalb künstlich und mühsam ernährt werden, indem ihnen die Milch bei erhobenem Kopfe mit dem Löffel nach dem hintersten Teile der Zunge beigebracht wird, und nur bei großer Sorgfalt gelingt es, solche Kinder am Leben zu erhalten. Auch in spätern Jahren ist es den mit G. Behafteten unmöglich, den untern Teil des Schlundes, den Mundschlund, gegen den obern, den Nasenschlund, abzusperren, weshalb sie außer stande sind, zu blasen oder zu saugen, und selbst nach langjähriger Übung kommt ihnen oft die genossene Flüssigkeit zum Teil aus der Nase hervor. Weiterhin lernen solche Kinder sehr schwer sprechen und behalten stets einen unangenehm näselnden Klang der Stimme; selbst bei niedern Graden der G., wo nur der weiche Gaumen gespalten erscheint, ist diese Beeinträchtigung der Sprache sehr auffallend. Die Spalten, bez. Defekte des harten (knöchernen) Gaumens werden durch Uranoplastik geschlossen, d. h. die Schleimhaut und Knochenhaut werden vom Knochen abgelöst und nach Anfrischung der Bänder in der Mittellinie durch Nähte vereinigt. Die Schließung der Spalten des weichen Gaumens geschieht durch Anfrischung und Nahtvereinigung der Spaltränder (Staphylorraphie, Gaumennaht). Gelingt die operative Schließung der Spalten nicht oder ist die Operation aus besondern Gründen nicht ausführbar, so kann man die vorhandenen Beschwerden durch Einsetzen eines künstlichen Gaumens (Gaumenobturators oder Gaumenstopfers, obturator palati, palatum artificiale) aus Gold, Silber oder Hartgummi zu lindern suchen.

Spalten und Löcher im Gaumen können übrigens auch durch Verschwärungen und Zerstörungen der Gaumenknochen erworben werden, welche gar nicht so selten im Verlaufe der konstitutionellen Syphilis oder der Skrofulose sich einstellen. Nach ihrer Ausheilung hinterlassen diese Geschwüre mehr oder minder umfangreiche Defekte im harten oder weichen Gaumen, welche dieselben Beschwerden und Störungen wie die angeborenen G. verursachen können und zu deren Beseitigung gleichfalls die Vornahme der Gaumennaht oder das Tragen einer künstlichen Gaumenplatte sich erforderlich machen.

Gaumenstopfer, s. Gaumenspalte.

Gaumenton oder Gurgelton, unangenehme Klangbeimischung der menschlichen Stimme, infolge deren der natürliche Brustklang entfärbt wird und der entstandene Ton gepreßt und blökend klingt. Die Ursache dieses Stimmfehlers, der bei allen Stimmen, namentlich aber bei Bassisten, vorkommt, liegt in einer falschen Lagerung der Zunge, denn sowie man mit dem Finger bei der Intonation der Vokale die Zungenwurzel nach dem Schlund hinunterdrückt, erhält der betreffende Lokalbrustton regelmäßig einen gaumigen Beiklang. Sänger, die mit diesem Fehler behaftet sind, müssen gehörig auf die Gaumen- und Zungenstellung achten und sich durch häufige Übungen (Gaumen- und Zungenturnen) die Herrschaft über diese Teile zu verschaffen suchen.

Gaumenvorhang, s. Gaumen.

Gauner, früher auch Jauner (in der ältern Diebssprache Joner, soviel wie Spieler, vom hebr. jânâ, betrügen), bedeutet den gewerbsmäßigen Verbrecher, Dieb, Räuber, Betrüger im weitern Sinne. Das Gaunertum hat eine vielhundertjährige Geschichte, eine besondere Organisation und eine besondere Sprache. Entstanden aus dem Vagantentum herrenlos gewordener Knechte, zeitig durchsetzt mit jüd. und zigeunerischen Elementen, gefördert durch die Zustände im Gefolge des Faust- und Fehderechts, wie durch die von Reformation und Gegenreformation veranlaßten Kriege, nicht behindert durch die in völliger Ohnmacht daniederliegende Polizei, konnte sich das Gaunertum zu einer socialen Macht entwickeln. Die älteste Urkunde über G., das vermutlich aus dem ersten Viertel des 15. Jahrh.