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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gericht

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Gericht

gatte Medusa, und malte: Das Floß der Medusa (im Louvre zu Paris). Das Gemälde, ausgezeichnet durch geniale Kraft und dramat. Lebendigkeit, erregte 1819 zu Paris viel Aufsehen, noch mehr aber in England, wo S. W. Reynolds einen Kupferstich danach verfertigte. G. ging nun nach London, arbeitete daselbst schöne, jetzt sehr seltene Lithographien; zurückgekehrt, malte er meist Sittenbilder aus dem engl. Volksleben und Sportbilder (Rennen von Epsom, im Louvre). Er starb 18. Jan. 1824 zu Paris. – Vgl. Clément, G., étude biographique et critique (3. Aufl., Par. 1879).

Gericht und Gerichtsverfassung. Gerichtsverfassung ist die Gesamtheit der Rechtssätze über die Organe, durch welche der Staat seine Gerichtsbarkeit (s. d.) ausübt. Diejenigen Behörden, deren wesentliche Aufgabe das Rechtsprechen, Urteilen ist, sind die Gerichte. Sie sind mit Richtern und Gerichtsschreibern besetzt. Außerdem verwendet die Deutsche Gerichtsverfassung als Organe der Gerichtsbarkeit die Staatsanwaltschaft (s. d.) und die Gerichtsvollzieher (s. d.).

Die Gerichte sind teils ordentliche Gerichte, teils Sondergerichte. Ordentliche Gerichte sind nach §. 12 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Jan. 1877 die Amtsgerichte, die Landgerichte, die Oberlandesgerichte und das Reichsgericht (s. die betreffenden Artikel). Auf die Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit durch diese Gerichte, die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit, bezieht sich das Gerichtsverfassungsgesetz. Den Gerichten in den einzelnen Bundesstaaten kann indes nach §. 4 des Einführungsgesetzes zu denselben jede andere Art der Gerichtsbarkeit (auch Geschäfte der Justizverwaltung) durch die Landesgesetzgebung übertragen werden; insbesondere ist den Amtsgerichten die Ausübung der freiwilligen Gerichtsbarkeit übertragen. Reichsgesetzlich üben die ordentlichen Gerichte sämtlich sowohl Civil- wie Strafgerichtsbarkeit aus.

A. Die Zuständigkeit bestimmt sich einmal in Hinsicht auf die Art der Sachen, welche der Entscheidung der Gerichte zugewiesen sind: sachliche Zuständigkeit, objektive Kompetenz; sodann danach, ob das Gericht zur erstmaligen Entscheidung der Sache berufen ist oder über eine schon einmal von einem übergeordneten Gericht entschiedene Sache in höherer Instanz zu entscheiden hat; Instanzenzug, graduelle Kompetenz; endlich in räumlicher Beziehung nach dem Bezirk, welches jedem Gericht zugewiesen ist: Gerichtsstand (s. d.). Die Strafgerichte teilen sich außerdem, in Hinsicht auf die Stadien des Prozesses, für welche sie funktionieren, in Untersuchungsgerichte (s. d.) und erkennende Gerichte.

Ⅰ. Sachliche Zuständigkeit. 1) In Civilsachen: Nach früherm gemeinem Recht waren die ordentlichen Gerichte unbegrenzt für alle Sachen zuständig. Die heutige Gerichtsverfassung gliedert die Gerichte erster Instanz in Amtsgerichte und Landgerichte und ordnet ihre Zuständigkeit hauptsächlich danach, ob der Streitwert bis zu 300 M. oder mehr beträgt. (Das Nähere s. Amtsgerichte und Landgericht.) – 2) Für Strafsachen bestehen nach franz. Vorbild als Gerichte unterster Ordnung die bei den Amtsgerichten gebildeten Schöffengerichte (nur unter bestimmten Voraussetzungen fungiert innerhalb der schöffengerichtlichen Kompetenz der Amtsrichter allein, als Einzelrichter), als Gerichte mittlerer Ordnung die Strafkammern der Landgerichte und als Gerichte oberster Ordnung die Schwurgerichte, endlich als Gericht erster und letzter Instanz für Hoch- und Landesverrat gegen Kaiser und Reich das Reichsgericht. Die Zuständigkeit der vorgenannten Landesgerichte regelt sich, von der Dreiteilung der Strafthaten in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen ausgehend, im allgemeinen nach der Schwere der Strafthaten. (S. Landgericht, Schöffengericht, Schwurgericht.)

Ⅱ. Graduelle Kompetenz. Diese wird bestimmt durch die Gestaltung des Rechtsmittelsystems. (S. Rechtsmittel.) 1) In Civilsachen sind Gerichte erster Instanz die Amtsgerichte und die Landgerichte (Civil- und Handelskammern); zweite Instanz, Berufungs- und Beschwerdegerichte, sind für die Amtsgerichte die Landgerichte (Civilkammern), für die Landgerichte die Oberlandesgerichte (Civilsenate); über den Oberlandesgerichten steht als dritte und höchste Instanz, als Revisions- und Beschwerdeinstanz, das Reichsgericht, bez. in Bayern für nicht reichsgesetzlich dem Reichsgericht zugewiesene Sachen ein oberstes Landesgericht (s. d.). – 2) In Strafsachen. Die erstinstanzlichen Gerichte mittlerer Ordnung, die Strafkammern der Landgerichte, bilden zugleich die zweite Instanz, Beschwerde- und Berufungsinstanz, in schöffengerichtlichen Sachen; Beschwerdeinstanz für alle landgerichtlichen Entscheidungen sind die Oberlandesgerichte (Strafsenate); diese sind auch Revisionsinstanz für die Landgerichte als Berufungsinstanz, also dritte Instanz; für die Landgerichte als erste Instanz jedoch bilden die Revisionsinstanz, also die zweite Instanz, teils die Oberlandesgerichte (sofern nämlich die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer landesrechtlichen Norm sich gründet), teils das Reichsgericht (Strafsenate); für die Schwurgerichte ist die ausschließliche Revisionsinstanz das Reichsgericht.

Ⅲ. Über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte s. Gerichtsstand.

B. Bezüglich der innern Gerichtsorganisation sind folgende Gegensätze zu bemerken:

1) Einzelrichter oder Kollegialgerichte (s. Einzelrichter). – 2) Beamtete Richter oder nichtbeamtete Richter (Volksrichter); Rechtsgelehrte oder Nichtrechtsgelehrte (Laien). Wenn Rechtsgelehrte, beamtete Richter und nicht rechtsgelehrte, nicht beamtete Richter zusammen fungieren, so kann dies in der Weise geschehen, daß sie das ganze Urteilsgeschäft gemeinschaftlich verrichten, oder so, daß dasselbe unter ihnen geteilt ist. Nach der mittelalterlichen deutschen Gerichtsverfassung ist die Richterthätigkeit geteilt zwischen einem beamteten Richter und der Gerichtsgemeinde oder dieser entnommenen Schöffen. Der Richter ist der Träger der Gerichtsgewalt, er leitet den Prozeß, sein Gebot erst macht das Urteil für die Beteiligten bindend, er sorgt für dessen Vollstreckung, aber gefunden wird das Urteil von der Gerichtsversammlung oder den Schöffen, die er darum zu befragen hat. Heutzutage sind nichtbeamtete Laienrichter (an der Rechtsprechung) beteiligt auf dem Gebiete des Civilprozesses nur in den Kammern der Landgerichte für Handelssachen als Handelsrichter, auf dem Gebiete des Strafprozesses aber in den Erstinstanzgerichten der untersten und obersten Ordnung, den Schöffen- und Schwurgerichten, während die der mittlern Ordnung, die Strafkammern der Landgerichte, ausschließlich mit rechtsgelehrten Beamten besetzt sind. Bei den Handelsgerichten und den