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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gnadenbilder – Gnathostomata

führten auch hier nur zu einer Wiederherstellung der altorthodoxen Lehre von der G. Dagegen hat die freie prot. Theologie die göttliche Gnadenwirksamkeit als den geschichtlich sich verwirklichenden ewigen Heilswillen Gottes beschrieben, der den Menschen durch das Bewußtsein von Sünde und Knechtschaft unter dem Gesetz hindurch zur Anerkennung der geistigen Hilflosigkeit des endlichen Subjekts und zur unbedingten Hingabe des Herzens an den göttlichen Liebeswillen führt, wie er in Christus geschichtlich offenbart wird, in den Herzen der Gläubigen aber als Macht des göttlichen Geistes sich beurkundet.

Gnadenbilder, in der kath. Kirche als wunderthätig angesehene Bilder Christi, der Maria und der Heiligen. Die Stätten, an denen G. sich befinden, heißen Gnadenorte.

Gnadenbriefe (lat. gratiosa rescripta gratiae), Reskripte, wodurch der Papst auf ein an ihn gerichtetes Gesuch eine Pfründe, ein Privilegium, eine Dispensation, einen Ablaß u. s. w. verleiht.

Gnadenbund, der Bund Gottes mit der Menschheit nach dem Sündenfall (s. Föderaltheologie).

Gnadenfeld, Herrnhuterkolonie im Kreis Cosel des preuß. Reg.-Bez. Oppeln, 12 km im SW. von Cosel, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Ratibor) und Steueramtes, hat (1890) 400 E., Post, Telegraph, ein theol. Seminar, eine Eisengießerei mit Maschinenfabrik.

Gnadenfrei, Herrnhuterkolonie im Kreis Reichenbach des preuß. Reg.-Bez. Breslau, 10 km im SO. von Reichenbach, an der Linie Raudten-Camenz der Preuß. Staatsbahnen, schließt sich dem obern Teile von Peilau an und hat (1890) 832 E., Postämter zweiter und dritter Klasse, Telegraph, Realschule der Brüdergemeine, Erziehungsanstalten für Knaben und Mädchen, Dampffärberei, Appreturanstalt und mechan. Weberei.

Gnadengabe, soviel wie Geistesgabe (s. d.).

Gnadengenuß, Gnadenkompetenz, die auf Grund gesetzlicher oder reglementärer Bestimmungen erfolgende zeitweise Fortgewährung der Dienstbezüge eines verstorbenen Staats- oder Gemeindebeamten an dessen Witwe und Kinder.

Gnadenhalbjahr, Gnadenjahr, s. Gnadenzeit.

Gnadenkette, s. Gnadenpfennig.

Gnadenkirchen, sechs Kirchen (zu Sagan, Freistadt, Militsch, Landeshut, Teschen und Hirschberg), deren Bau den Protestanten in Schlesien 1707 der Vertrag zu Altranstädt (s. d.) frei gab.

Gnadenkompetenz, s. Gnadengenuß.

Gnadenkraut, s. Gratiola.

Gnadenmittel, im kirchlichen Sprachgebrauch die ordnungsmäßigen Mittel, an die sich die Wirksamkeit des Heiligen Geistes zur Zueignung der Gnade (s. d.) an die Einzelnen gebunden hat, im Gegensatze zu der schwärmerischen Behauptung einer unvermittelten Gnadenwirksamkeit. Sämtliche christl. Kirchen bezeichnen als G. das Wort Gottes und die Sakramente.

Gnadenorte, s. Gnadenbilder.

Gnadenpfennig, eine goldene Medaille mit dem Bildnis des Verleihers, an einer sog. Gnadenkette zu tragen, wurde im 16. Jahrh. von Fürsten vielfach als Auszeichnung verliehen.

Gnadenquartal, s. Gnadenzeit.

Gnadensachen, s. Begnadigung.

Gnadenstand (lat. status gratiae), nach prot. Lehre der Zustand derer, die mittels des Glaubens der Versöhnung und Rechtfertigung (s. d.) teilhaftig geworden und in das Verhältnis der Kindschaft bei Gott eingetreten sind. Lutheraner hielten den G. für verlierbar, Reformierte für unverlierbar.

Gnadenstuhl übersetzte Luther das hebr. Kapporeth, Deckel der Bundeslade (s. d.).

Gnadenwahl, s. Prädestination.

Gnadenwappen, s. Wappen.

Gnadenzeit heißt in der evang. Kirche die Frist, innerhalb deren das Einkommen einer erledigten Pfarrstelle ganz oder teilweise der Witwe und den Waisen des verstorbenen Pfarrers zu gute kommt; je nach ihrer Länge bezeichnet man sie als Gnadenjahr, Gnadenhalbjahr oder Gnadenquartal. In der kath. Kirche besteht eine analoge Einrichtung, indem die Einkünfte vakanter Pfarreien eine Zeit lang sei es zur Erbmasse, sei es an Interkalar-Emeriten-Pensionsfonds, sei es ins Pfarrvermögen fallen; die Rechtssätze und Übungen hierüber sind in Deutschland außerordentlich vielgestaltig.

Gnaphalĭum L., Ruhrkraut, Pflanzengattung aus der Familie der Kompositen (s. d.) mit etwa 100 Arten, die fast über die ganze Erde ausgebreitet sind und selbst in den kalten Zonen nicht fehlen. Es sind meist filzig behaarte, krautartige, seltener strauchartige Gewächse mit kleinen schön gefärbten Blütenköpfchen, deren Hüllblättchen gleichfalls lebhafte Färbung besitzen. Die wichtigste Art ist G. Leontopodium L., das Edelweiß (s. Tafel: Alpenpflanzen, Fig. 3), von manchen Botanikern von H. abgetrennt und Leontopodium alpinum Cass. genannt, ein wolliges Alpenkraut, dessen Blütenköpfchen in Dolden auf der Spitze des Stengels stehen, von einem Kranze sternförmig ausgebreiteter, langer, dicht weißfilziger Deckblätter umgeben; diese Art findet sich nur auf hohen Kalkalpen, läßt sich jedoch leicht aus Samen anziehen und als Zierpflanze in Töpfen oder zur Ausschmückung von Felsenpartien im Garten verwenden. In der Kultur werden ihre Blütenköpfchen nie so rein weiß wie auf ihren natürlichen Standorten. Einige andere Arten sind durch eine besonders dichte weißfilzige Behaarung ausgezeichnet und in die Gärten eingeführt, wo sie zur Herstellung von Teppichbeeten im Gartenrasen Verwendung finden. Die bekannteste derselben ist G. lanatum Hort. (G. petiolatum L.), das Wollruhrkraut, eine halbstrauchige Pflanze des Kaplandes, die zwar in ihrem Vaterlande eine Höhe von 1,60 m erreicht und sich stark verästelt, aber durch Niederhaken, Entspitzen und Beschneiden sich so niedrig erhalten läßt, daß die ziemlich großen filzigen Blätter den Boden dicht bedecken und mit dem Grün des Rasens oder mit braun-, rot- oder dunkelbelaubten Gewächsen, mit denen diese Art gruppiert wird, den angenehmsten Kontrast bilden; auch ist eine Varietät mit gelb gefleckten Blättern in Kultur. Die Vermehrung geschieht nur durch Stecklinge. Das in Deutschland häufige sog. Katzenpfötchen wird jetzt zur Gattung Antennaria (s. d.) gerechnet.

Gnathalgie (grch.), Kinnbackenschmerz; Gnathoneuralgie, Nervenschmerz der Backen, Gesichtsschmerz; Gnathorrhăgie, Mundhöhlenblutung; Gnathospásmus, Kinnbackenkrampf.

Gnathobdellĭdae, s. Blutegel.

Gnathostomăta, Gruppe aus der Krebsordnung der Copepoden (s. d.), und zwar aus der Unterordnung der Eucopepoda, mit kauenden Mundteilen und vollständig gegliedertem Körper. Hierher gehören unter andern die Hüpferlinge.