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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Heerfahrt; Heerfolge; Heerführer; Heerführung; Heergeräte; Heermann; Heermeister

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Heerfahrt - Heermeister

andererseits bei erstern eine andere zu sein pflegt als bei letztern. Aus der Militär-Sanitätsstatistik in den Sanitätsberichten über Friedens- und Kriegsheere, die in den größern Staaten sehr vervollkommnet ist, vornehmlich in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Deutschland, ergeben sich drei Hauptgesichtspunkte: 1) daß die enge Zusammendrängung der Menschen, welche mit dem Begriff einer Armee schon im Frieden, mehr noch im Kriege untrennbar verbunden ist, Gesundheit und Leben außerordentlich bedroht, daß demgemäß die Erhaltung der Gesundheit in den Armeen sehr schwierig ist, obgleich im allgemeinen die Armeen aus dem kräftigsten und gesundesten Teile der Bevölkerungen, überwiegend in jugendlichem Alter bestehen; 2) daß die H. im engern Sinne (die Seuchen) den schlimmsten Feind der Armeen darstellen, welchem im Kriege bisher fast ausnahmslos weit mehr Menschenleben zum Opfer gefallen sind als den feindlichen Waffen; 3) daß neuerdings mit der wachsenden Fürsorge für den Soldaten und mit den wissenschaftlichen Fortschritten der Gesundheitslehre die Erkrankungen und Todesfälle in allen größern Armeen sich erstaunlich vermindert haben, wodurch bewiesen wird, daß für die Erhaltung der Gesundheit und des Lebens öffentliche Maßnahmen ungemein viel zu leisten vermögen und daß besonders gerade die gefürchtetsten Seuchen als "vermeidbare Krankheiten" betrachtet werden müssen. Zu Punkt 1 sei hervorgehoben,daß es bis jetzt nur in der deutschen Armee und auch in dieser erst neuerdings gelungen ist, die jährliche Sterblichkeitsziffer geringer zu gestalten als bei der entsprechenden männlichen Altersklasse der Civilbevölkerung. Aus dem unter 2 Gesagten erhellt die Wichtigkeit der Armeegesundheitspflege für die Schlagfertigkeit der Armeen. Oft war der unglückliche Ausgang kriegerischer Unternehmungen durch das Überhandnehmen von Seuchen bedingt. Bei den deutschen Armeen 1870-71 blieb zum erstenmale während eines großen Krieges die Zahl der durch Krankheiten verursachten Todesfälle (14 904 = 18,2 auf Tausend der Durchschnittskopfstärke) hinter der Zahl der Gefallenen und nachträglich an Wunden Gestorbenen (28 278 = 34,7 Promille) zurück, obwohl auch damals Typhus, Ruhr und Pocken seuchenartig verbreitet waren. Die unter 3 betonte Verbesserung des Gesundheitszustandes in den Armeen wird am schlagendsten durch die Erkrankungs- und Sterblichkeitsziffern der preuß. Friedensarmee veranschaulicht, deren neuere Sanitätsberichte die Zahlen des 12. und 13. Armeekorps mit umfassen. Bei derselben erkrankten 1867-72 durchschnittlich jährlich 1344, von 1873/74 bis 1881/82 nur 1194 und von 1882/83 bis 1889/90 nur 831 auf das Tausend der Durchschnittskopfstärke. Die durchschnittliche jährliche Sterbeziffer infolge von Krankheiten betrug 1829-38: 13,1, 1846-63: 8,8, 1867-72: 5,8, 1873/74-1881/82: 4,2 und 1882/83-1889/90: 2,7 auf tausend Köpfe. An dieser Verminderung sind insbesondere diejenigen beiden Seuchen sehr stark beteiligt, welche früher vorzugsweise als Armeekrankheiten galten: Typhus und Tuberkulose. Die Zahl der Todesfälle durch Verunglückung ist infolge der sorgfältigen Leitung der militär. Übungen in der deutschen Armee geringer als bei vielen bürgerlichen Berufen; sie belief sich früher durchschnittlich jährlich auf 0,50 und von 1882/83 bis 1889/90 nur noch auf 0,35 Promille der Kopfstärke. Dabei wird regelmäßig ein erheblicher Teil dieser Verunglückungen durch Baden an verbotenen Orten und anderes eigenes Verschulden herbeigeführt. Hingegen weisen alle Armeen wesentlich höhere Selbstmordziffern auf als die entsprechenden Altersklassen der männlichen Civilbevölkerung. In der preuß. Armee betrugen die Todesfälle durch Selbstmord 1829-38: 0,35, 1846-63: 0,46, 1867-72: 0,63, 1873/74-1881/82: 0,65, 1882/83-1889/90: 0,64 Promille. Im übrigen zeigt die Statistik, daß die Verschiedenheit der Selbstmordhäufigkeit nicht nur bei den verschiedenen Armeen, sondern auch bei den einzelnen Armeekorps einer und derselben Armee genau der Verschiedenheit der den betreffenden Rassen und Volksstämmen eigentümlichen, in die militär. Verhältnisse mitgebrachten Selbstmordneigung entspricht, ebenso wie die Zunahme der Selbstmorde in den Armeen in neuerer Zeit den gleichartigen Vorgängen in der Civilbevölkerung parallel läuft. Die überall hervortretende Steigerung dieser Selbstmordneigung aber mit dem Eintritt in die militär. Daseinsbedingungen, welcher für die meisten einen tiefen Eingriff in das gesamte bürgerliche und geistige Leben bedeutet, muß als eine der wichtigsten H. betrachtet werden.

Heerfahrt, Feldzug unter Aufgebot des Heerbanns (s. d.).

Heerfolge, im Mittelalter die Verpflichtung, Kriegsdienste zu leisten (s. Heerbann), namentlich Ritterdienste, aber auch dem Herrn zur Hilfeleistung in dessen Privatfehden zu folgen.

Heerführer, s. Feldherr.

Heerführung, s. Strategie.

Heergeräte oder Hergewedde, im deutschen Rechte Bezeichnung der zur kriegerischen Ausrüstung erforderlichen Sachen, welche sich in dem Nachlasse eines Mannes vorfinden, später namentlich ein Roß, Degen, ein Anzug, ein Bett, ein Tischtuch mit Servietten, 2 Schüsseln von Zinn. Diese Sachen bildeten eine besondere Erbmasse, welche an den nächsten ebenbürtigen Schwertmagen (s. d.), nicht an den Erben fällt. Heutzutage kommt das Institut nur noch provinziell vor. (Vgl. auch Gerade.)

Heermann, Johs., evang. Kirchenliederdichter, geb. 11. Okt. 1585 zu Rauden in Schlesien, wurde 1612 Geistlicher in Koben im Fürstentum Glogau. Durch die Kriegsunruhen 1634 vertrieben, starb H. 27. Febr. 1647 zu Lissa. Seine Kirchenlieder sind, 62 an der Zahl, zusammen gedruckt in seiner "Hauß- und Hertz-Musica" (1630 u. ö.; u. d. T. "Geistliche Lieder" neu hg. von Ph. Wackernagel, Stuttg. 1856). Obgleich teilweise sehr verändert, sind von diesen Liedern noch jetzt vorzüglich im kirchlichen Gebrauch: "Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen", "O Gott, du frommer Gott", "Wo soll ich fliehen hin" u.s.w. - Vgl. Ledderhofe, Das Leben Johann H.s (2. Aufl., Heidelb. 1876).

Heermeister, ursprünglich soviel als Kriegsheerführer, hieß im Mittelalter überhaupt der Vorgesetzte einer einem Ritterorden gehörigen Provinz, der die Ritter seiner Provinz im Kriege anführte. Im Johanniterorden führte insbesondere das Haupt der Ballei Brandenburg diesen Titel. Der erste H. des Ordens der Schwertbrüder wurde um 1521 gewählt; ihm verlieh Kaiser Karl V. 1525 den Reichsfürstenstand mit Sitz und Stimme auf dem Reichstage, worauf der H. auch den Titel Fürstenmeister annahm. Der Landmeister des Deutschen Ordens hatte einen höhern Rang als der H. und die Landkomture. (S. Kommende.) Er war, bevor der Hochmeister in Marienburg seinen Sitz aufschlug,