Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Landwirtschaftliche Versuchsstationen; Landwirtschaftsgesellschaft; Landwirtschaftskammern

954

Landwirtschaftliche Versuchsstationen - Landwirtschaftskammern

einswesen (im "Handwörterbuch der Staatswissenschaften", Bd. 4, Jena 1892, S. 959 fg.).

Landwirtschaftliche Versuchsstationen, auch Agrikulturchemische Versuchsstationen genannt, Einrichtungen zu Forschungen auf chem.-physiol. Gebiete der Landwirtschaft sowie zur Kontrolle der vom Landwirt gekauften Sämereien, Futter- und künstlichen Düngemittel. Die ältesten in den vierziger Jahren entstandenen L. V. waren die zu Bechelbronn im Elsaß (einem Landgute Boussingaults) und zu Rothamstead (England). Jedoch beginnt der Aufschwung erst mit der 1851 erfolgten Gründung der Versuchsstation in Möckern bei Leipzig. Gegenwärtig giebt es in allen Ländern Europas 67 L. V., in Deutschland (1894) 48, nämlich zu Augsburg (1865), Bernburg (1882, für Pflanzenphysiologie), Bonn (1856), Braunschweig (1862), Bremen (1877, für Moorkultur), Breslau (2 Stationen, 1856 und 1875), Cöthen (1864), Dahme (1857), Danzig (1877), Darmstadt (1871), Dresden (1890), Elbstorf (1871), Eldena (1878), Geisenheim (1872, für Obst- und Weinbau), Göttingen (1857, und 1874 Kontrollstation), Halle a. S. (1863, ferner 1867 für Tierphysiologie und 1891 für Pflanzenschutz), Hildesheim (1870), Hohenheim (1865 und 1874 für Samenkontrolle), Insterburg (1858), Jena (1883), Karlsruhe (1859 und 1872, für Pflanzenphysiologie), Kiel (1871 und 1883 für Samenkontrolle), Königsberg i. Pr. (1875 und 1877 für Milchwirtschaft), Köslin (1863), Magdeburg (1889), Marburg (1882), Möckern (1851), München (1857), Münster (1871), Oldenburg (1876), Pommritz (1864), Poppelsdorf (1856), Posen (1877), Rastatt (1875), Rufach (1874), Speyer (1860), Tharandt (1869, für Pflanzenphysiologie), Triesdorf (1874), Wiesbaden (1881) und Würzburg (1877). In den Vereinigten Staaten von Amerika sind die L. V. als Staatsinstitute in jedem Einzelstaate errichtet. Während die Mehrzahl zu agrikulturchem. Untersuchungen im allgemeinen bestimmt sind, widmen sich einige derselben lediglich speciellen Zweigen; so hat man Versuchsstationen für Spiritusfabrikation, Brauerei, Weinbau, Hopfenbau, Milchwirtschaft u. a. m. Die deutschen L. V. sind zum geringern Teile staatliche Institute, meistens von landwirtschaftlichen Vereinen gegründet und von den betreffenden Staaten subventioniert, nur wenige sind von den Provinzialverbänden errichtet. - Vgl. Entwicklung und Thätigkeit der land- und forstwirtschaftlichen Versuchsstationen in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens (Berl. 1877) und die Zeitschrift: Die L. V. (seit 1858).

Landwirtschaftsgesellschaft, Deutsche, eine allgemeine nationale Vereinigung, 1884 begründet, beschränkt sich auf das Gebiet der landwirtschaftlichen Technik unter Ausschluß aller wirtschaftspolit. und gesetzgeberischen Fragen; sie widmet dem Ausstellungswesen hervorragende Pflege, indem sie Jahr für Jahr abwechselnd in den verschiedenen Teilen des Reichs eine allgemeine landwirtschaftliche Ausstellung veranstaltet. Mit dieser verbindet sie die ebenfalls jährliche Wanderversammlung, während eine zweite Hauptversammlung im Februar in Berlin, dem ständigen Sitze der Gesellschaft, abgehalten zu werden pflegt. Das leitende Organ ist ein Gesamtausschuß, die laufenden Geschäfte besorgt der Vorstand durch ein Direktorium. Zur Pflege besonderer Zweige des landwirtschaftlichen Gewerbes bildet sie Abteilungen und Sonderausschüsse. Die L. vermittelt den Ankauf von Düngemitteln, sowie den An- und Verkauf von Futtermitteln und Saaten, sie giebt den Mitgliedern Auskunft in allen Fragen des landwirtschaftlichen Betriebes. Außer ihrem "Jahrbuch" giebt die Gesellschaft "Mitteilungen" heraus, in zwanglosen Heften, die monatlich 2-3mal erscheinen, außerdem "Anleitungen" für praktische Landwirte und "Arbeiten und Versuche" der Gesellschaft. Die Mitgliedschaft kann nur von physischen Personen erworben werden. Die Gesellschaft zählt zu Beginn 1894 bereits mehr als 9500 Mitglieder, staatliche Unterstützung empfängt und begehrt sie nicht. Trotzdem verfügt sie, da der Beitrag der Mitglieder auf 20 M. normiert ist, Anfang 1894 über 700000 M. Vermögen.

Landwirtschaftskammern, gesetzlich geordnete Korporationen, die, aus Wahlen hervorgehend, zunächst bestimmt sind, die Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Interessen der Regierung gegenüber durch Rat und Auskunftserteilung sowie durch Geltendmachung von Wünschen und Forderungen zu vertreten, denen aber zugleich die Aufgabe zufällt oder zugewiesen werden kann, durch allgemeine Anregungen, Maßnahmen und Unternehmungen das Gedeihen der Landwirtschaft innerhalb des ihnen unterstellten Bezirks nach Möglichkeit thätig zu fördern. Bis zu einem gewissen Grade sind den L. die bestehenden landwirtschaftlichen Centralvereine (s. Landwirtschaftliche Vereine) nach Stellung und Wirksamkeit verwandt; sie unterscheiden sich indessen von diesen auf freier Vereinsbildung beruhenden Organen dadurch, daß sie ähnlich den meisten Handelskammern (s. Handels- und Gewerbekammern) innerhalb der zugewiesenen Bezirke die Gesamtvertretung eines ganzen Berufszweigs darstellen, dem entsprechend aus allgemeinen Wahlen hervorgehen, an denen jeder Landwirt teilzunehmen berufen ist, und vom Staate als öffentliche Behörden anerkannt sind. Während die Vereine nur von ihren Mitgliedern Beiträge erheben können, giebt die Stellung der L. ihnen gegenüber der Gesamtheit der in ihnen vertretenen Berufsgenossen ein Besteuerungsrecht, das sie für allgemein technische landwirtschaftliche Unternehmungen finanziell leistungsfähiger macht als die freien Vereine.

Nachdem 1884 zum erstenmal, jedoch erfolglos, im preuß. Landesökonomiekollegium die Befürwortung einer derartigen Berufsorganisation angeregt worden war, sprach 1892 dieselbe Körperschaft sich für fakultative Umwandlung der bestehenden Centralvereine in L. aus. Ebenso faßte das preuß. Abgeordnetenhaus im Juli 1893 einen auf Schaffung einer allgemeinen landwirtschaftlichen Berufsorganisation abzielenden Beschluß. Diese Anregungen, in Verbindung mit dem Anwachsen der agrarischen Agitation, veranlaßten die preuß. Regierung im Jan. 1894, einen Gesetzentwurf behufs obligatorischer Errichtung von L. dem Landtage zu unterbreiten. In der Regel sollen danach die L. das Gebiet einer Provinz umfassen. Sie wären verpflichtet, sich auf Erfordern über die auf die landwirtschaftlichen Verhältnisse bezüglichen gesetzgeberischen und Verwaltungsmaßregeln gutachtlich zu äußern, ohne daß die Regierung ihrerseits verbunden wäre, ihren Rat in solchen Fällen einzuholen. Auf technischem Gebiete ist ihnen eine mit derjenigen der Centralvereine konkurrierende Wirksamkeit zugedacht, event. ist sogar ein Aufgehen der Centralvereine in den L. in Aussicht genom-^[folgende Seite]