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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Lebende Bilder; Lebendige Kraft

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Lebende Bilder – Lebendige Kraft

jener Lebenseigenschaften (Sterben, Tod) dem zerstörenden Einwirken der allgemeinen physik.-chem. Kräfte anheim (Verwesung, Fäulnis). Im Gegensatze zu diesen Eigentümlichkeiten sind die leblosen Körper der Natur entweder innerlich formlos (amorph) oder in Krystallform (dann meist von geradlinigen Flächen begrenzt) vorhanden. Sie sind ferner binär (aus je zwei oder 2 + 2 u. s. w. Urstoffen) zusammengesetzt; sie unterliegen den zersetzenden Einwirkungen der Außenwelt (dem Verwittern), ohne sich zu reproduzieren; sie wachsen nicht durch innere Fortentwicklung, sondern höchstens scheinbar durch Ansatz von außen her (wie die Eiszapfen oder die Eiskrystalle gefrierender Fensterscheiben); sie besitzen keine Organe, pflanzen sich demnach nicht fort, haben keinen Kreislauf, keine Empfindung u. s. w.

Je nach der Art der Lebensäußerungen im einzelnen, nach den Körpern und Körperteilen, an denen sie sich vollziehen, und nach der Intensität der Erscheinungen unterscheidet man verschiedene Formen des L., die aber wegen der Übergänge nicht so scharf zu trennen sind, wie man aus einzelnen Kennzeichen folgern könnte. Die hauptsächlichsten sind: 1) Das latente L., das als Keimleben zunächst an den Samen oder Eiern zu beobachten ist. Diese Körper behaupten, wenn nicht übermäßig zerstörende Einflüsse der Außenwelt (z. B. sengende Hitze) sie treffen, ihre Gestalt, Mischung und Lebensfähigkeit, unter Umständen wenigstens die erstern, viele Jahre lang. (S. Keim.) Ähnliche Zustände beobachtet man beim Puppenzustand mancher Insekten, bei eingekapselten Trichinen, beim Sommer- oder Winterschlaf vieler Pflanzen und Tiere, beim Scheintod. Hierher gehören auch die merkwürdigen Thatsachen, daß viele niedere Tiere (Infusorien, Räder- und Bärentierchen) bei Mangel von Wasser sich einkapseln und in diesem Zustande viele Jahre lebensfähig bleiben. Geraten sie wieder in günstige Verhältnisse (Feuchtigkeit), so erwachen sie zu neuem aktiven L. Man sagt wohl, die Tiere trocknen ein, aber das ist nicht so zu verstehen, als ob sie aller Feuchtigkeit verlustig gingen, dann müßten sie sterben, aber eben dadurch, daß sie sich mit einer wenig durchläßlichen Hülle umgeben, sich einkapseln, bewahren sie noch den, auch zum latenten L. nötigen Grad von Feuchtigkeit. Auch Landschnecken, besonders Wüstenschnecken, sind in der Art angepaßt, daß sie in ihre Gehäuse zurückgezogen und gegen die Außenwelt durch einen selbstverfertigten Deckel der Gehäusemündung abgeschlossen, die Dürre lange in latentem L. überstehen können, und oft erst nach Jahren bei eintretender Nässe wieder munter werden. 2) Das pflanzliche oder vegetative L., welches in Wachstum, Ernährung (Reproduktion), Absonderung und Fortpflanzung, ohne deutlich nachweisbare Empfindung für äußere Einflüsse und ohne Ortsbewegung besteht. Doch giebt es hier schon Ausnahmen, z. B. die Selbstbewegung der sog. Sensitiven (Mimosa pudica), der Fliegenfalle (Dionaea muscipula), der agilen und Schwärmzellen vieler niedern Pflanzen u. s. w. 3) Das animalische oder tierische L., in Empfindung und Selbstbewegung (Willensbewegung) sich äußernd, als deren Träger und Vermittler ein Nervensystem vorhanden ist. Vom pflanzlichen L. unterscheidet es sich auch dadurch, daß seine Glieder nicht wuchern, d. h. daß seine überflüssigen Säfte nicht zur Bildung immer neuer Glieder verwendet, sondern in eine allgemeine Lebensflüssigkeit (das Blut) zurückgeleitet werden, aus welcher die Glieder des Tierleibes, ähnlich wie die Pflanzen aus den unmittelbaren Elementen, ihre Nahrung ziehen. Das tierische L. zeigt sich innerhalb der Tierreihe von den Infusorien bis zu den Säugetieren hinauf in sehr verschiedenen Graden der Entwicklung. Während bei den höhern Tieren die verschiedenen psychischen Vermögen: Beobachtungsgabe, Erinnerung, Phantasie u. s. f., zu unverkennbarer Äußerung kommen, ist in seinen niedersten Formen das tierische L. von dem pflanzlichen nicht mit Sicherheit unterscheidbar. 4) Das psychische L. des menschlichen Organismus, welches darin besteht, daß sich auf der Grundlage der äußerlich-sinnlichen Empfindung und der animalischen Gliederbewegung die dem innern Sinn und dem Selbstbewußtsein angehörigen Thätigkeiten entwickeln, nämlich die des Gedächtnisses, der dichtenden Phantasie und der durch artikulierte Sprache sich kundgebenden Vernunft oder Überlegungskraft in ihrer dreifachen Gliederung als eines theoretischen, praktischen und ästhetischen Vermögens. In übertragener Bedeutung redet man 5) vom geistigen L.; dasselbe bethätigt sich auf erfindende und handelnde Art in der Weltgeschichte als das L. der menschlichen Gesellschaft, dessen Organe die einzelnen Personen ihrer moralischen Bestimmung nach sind. Das Ganze dieses L. ist das Gesamtleben der Menschheit, wozu sich das Familienleben, Volksleben, Staatsleben, Kirchenleben u. s. w. als einzelne integrierende Bestandteile verhalten. Dasselbe besteht in Vereinen als Kollektivpersonen zu gemeinsamen durch sie zu verrichtenden Handlungen und Werken, in denen sich ein ihnen gemeinsamer Geist offenbart, von welchem sie untereinander beseelt sind. Die Lehre von den Lebensgesetzen und Lebenserscheinungen heißt Biologie (s. d.).

Vgl. Treviranus, Biologie (6 Bde., Gött. 1802‒22); Krause, Die reine Lebenslehre zur Begründung der Lebenskunstwissenschaft (ebd. 1843); Schultz-Schultzenstein, Die Verjüngung des menschlichen L. (2. Aufl., Berl. 1850); Preyer, Über die Erforschung des L. (Jena 1873); Moleschott, Der Kreislauf des L. (5. Aufl., Mainz und Gießen 1875‒87); H. Spencer, Principien der Biologie (deutsch, 2 Bde., Stuttg. 1876‒77); Preyer, Naturwissenschaftl. Thatsachen und Probleme (Berl. 1880).

Lebende Bilder (frz. tableaux vivants), die Darstellung von Werken der Malerei und Plastik durch lebende Personen. Als Erfinderin der L. B. gilt die Gräfin von Genlis (s. d.), die Erzieherin der Kinder des Herzogs von Orléans, zu deren Belehrung und Unterhaltung sie histor. Bilder ausdachte und mit Hilfe der Maler David und Isabey von ihrer Umgebung darstellen ließ. Später wurden L. B. auch auf dem Theater gebräuchlich. – Vgl. Wallner, Sujets zu L. B. (2 Bde., Erf. 1876‒81).

Lebendige Kraft, die Fähigkeit einer mit Geschwindigkeit behafteten Masse, sich einer Kraft entgegen zu bewegen. Es liegt also in einer bewegten Masse eine gewisse Wirkungsfähigkeit oder Energie (s. d.). Während Descartes behauptete, daß diese Wirkungsfähigkeit durch die Bewegungsgröße (s. d.), d. h. durch das Produkt mv aus Masse m und Geschwindigkeit v, zu messen sei, legte Leibniz der L. K. das Produkt mv² als Maß zu Grunde. Der ganze Streit beruht, wie schon D’Alembert erkannt hat, auf einem Mißverständnis. Ein schwerer Körper erlangt in der doppelten Fallzeit die doppelte End- ^[folgende Seite