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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Mißbrauch; Mißfall; Mißgeburt; Mißgunst; Mißhandlung; Mißheirat

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Mißbrauch - Mißheirat

meablen Stoffen, abnorm hohe oder niedere Temperatur u. dgl. Die Lehre von den M. wird als Teratologie bezeichnet.

Litteratur. Panum, Untersuchungen über die Entstehung von M., zunächst in den Eiern der Vögel (Berl. 1860); Förster, Die M. des Menschen (nebst Atlas, Jena 1861); Gurlt, Über tierische Mißgeburten (mit 20 Tafeln, Berl. 1877); Dareste, Recherches sur la production artificielle des monstrosités (Par. 1877); Gerlach, Die Entstehungsweise der Doppelmißbildungen bei den höhern Wirbeltieren (Stuttg. 1882); Ahlfeld, Die M. des Menschen (2 Abschn. mit Atlas, Lpz. 1880-82).

In der Botanik heißen M. oder Monstrositäten, auch Bildungsabweichungen, alle abnormen Veränderungen in der Form einzelner Pflanzenteile. Dieselben können entweder durch pflanzliche oder tierische Parasiten hervorgerufen werden, oder durch andere Einflüsse, wie allzu reichliche oder mangelhafte Ernährung u. dgl., oder auch ohne äußere Einwirkung entstehen. Im erstern Falle tritt entweder eine Vertrocknung, Verschrumpfung oder eine völlige Zerstörung der befallenen Pflanzenteile ein, oder es bilden sich Anschwellungen, Hypertrophien u. dgl., die man allgemein unter dem Namen Gallen oder Cecidien zusammenfaßt. (Näheres s. Gallen und Pflanzenkrankheiten.) Diejenigen Veränderungen, die in der Natur der Pflanze begründet liegen, sind äußerst mannigfaltiger Art. Die Betrachtung derselben bildet einen besondern Teil der Lehre von den Pflanzenkrankheiten oder der Pflanzenpathologie und wird gewöhnlich als Teratologie bezeichnet. Hierher gehören unter anderm die Erscheinungen des Riesenwuchses, Zwergwuchses oder Nanismus, der Verbänderung oder Fasciation (s. d.), ferner die verschiedenen Veränderungen der Blüten, wie die sog. Pelorienbildung, die Vergrünung oder Chloranthie, die abnorme Vermehrung oder Verminderung einzelner Blütenteile, wie sie z. B. bei der Füllung der Blüten auftritt. Auch die vermehrte Knospen- oder Sproßbildung, die sog. Polykladie, ist hierher zu rechnen.

Mißbrauch (lat. abusus), d. h. der falsche, schlechte Gebrauch, den man gegenüber einer Person oder von einer Sache macht, kommt civilrechtlich dahin in Betracht, daß, wie das Sprichwort: "M. macht keine Gewohnheit" sagt, aus mißbräuchlichem Handeln keine Rechte entstehen, und daß nach einem lat. Sprichwort: "Abusus non tollit usum", der mögliche M. einer Einrichtung nicht den Vorteil einer richtigen Benutzung aufhebt und deshalb nicht von Einführung einer solchen Einrichtung abhalten darf. Strafrechtlich bedroht ist M. einer in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindlichen, wie auch einer geisteskranken Frauensperson (Reichsstrafgesetzb. §§. 176 fg.), ferner der M. des Ansehens, wodurch jemand zu einer strafbaren Handlung vorsätzlich bestimmt wird (§. 48), und der M. der Amtsgewalt (§. 339), welcher vorliegt, wenn ein Beamter die in seinem Amte liegenden Befugnisse zum Nachteile eines andern mißbraucht oder zu mißbrauchen droht.

Mißfall, s. Fehlgeburt.

Mißgeburt, eine unvollkommene Entwicklung oder Verkümmerung der natürlichen Bildung des Fötus, verbunden mit Funktionsstörungen einzelner Körperteile (s. Mißbildungen). Das Preuß. Allg. Landrecht enthält in I, 1, §§. 17, 18 die Vorschriften, daß Geburten ohne menschliche Form und Bildung auf Familienrechte und bürgerliche Rechte keinen Anspruch haben, aber, sofern sie leben, ernährt und so viel als möglich erhalten werden müssen. Das Sächs. Bürgerl. Gesetzbuch beurteilt Geburten, welche so von der menschlichen Körperbildung abweichen, daß die Geborenen nicht als Menschen angesehen werden können, so, als wären sie nicht empfangen worden (§§. 32, 33). Auch das Bayrische Landr. 1, 3, §. 2 verlangt "lebendig zur Welt kommen in menschlicher Gestalt". Diese Vorschriften entsprechen noch der Auffassung des röm. Rechts, für welches angenommen wurde, daß die Bildung des Kopfes entscheide. Da die ärztliche Wissenschaft leugnet, daß ein Kind ohne menschliche Bildung von Menschen lebendig geboren werden kann (vgl. Skrzeczka in Goltdammers "Archiv für preuß. Strafrecht", Bd. 14, Berl. 1866, S. 516), so enthält der Deutsche Entwurf derartige Vorschriften nicht. - Vgl. Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts, Bd. 1 (3. Aufl., Berl. 1893), §. 37, Nr. 3.

Mißgunst, die Eigenschaft, dadurch, daß andern etwas Gutes zugehört oder widerfährt, unangenehm erregt zu werden. Die M. schließt nicht den Wunsch ein, das betreffende Gute selbst zu besitzen. (S. Neid und Eifersucht.)

Mißhandlung, s. Körperverletzung. Strafbar ist auch die öffentliche oder Ärgernis erregende, boshafte Quälerei und rohe M. von Tieren (Reichsstrafgesetzb. §. 360). - Beim Militär ist die M. Untergebener ein Vergehen, das derjenige Vorgesetzte begeht, welcher vorsätzlich einen Untergebenen schlägt, stößt oder in anderer Weise körperlich verletzt. Durch Erlaß des Deutschen Kaisers vom 6. Febr. 1890 ist eine gerechte und würdige Behandlung der Soldaten für die preuß. Armee besonders eingeschärft. Strafe für jede einzelne M. Gefängnis von mehr als sechs Wochen bis zu drei Jahren, ein Heruntergehen unter dieses Strafmaß bis mindestens zu einer Woche nur für minder schwere Fälle gestattet.

Mißheirat (neulat. disparagium; frz. mésalliance) "ungleiche Ehe", Ehe zwischen Personen, die einander nicht ebenbürtig sind. (S. Ebenbürtigkeit.) Gegenwärtig ist die Lehre von der M. in Deutschland nur noch für die regierenden Häuser und den hohen Adel von Bedeutung; insbesondere können die dem niedern Adel Angehörigen auch mit Nichtebenbürtigen gültige Ehen schließen. Die Vorschriften des Preuß. Allg. Landr. II, 1, §§. 30 fg. sind durch das Gesetz vom 22. Febr. 1869 aufgehoben. Soweit für Familienfideïkommisse, Stiftungen u. s. w. Ebenbürtigkeit verlangt wird, kann indessen eine M. immer noch von Bedeutung sein, wenn nicht auch hier die Gesetzgebung eingegriffen hat, wie z. B. in Hessen durch Gesetz vom 28. April 1809. Wann für den hohen Adel eine M. vorliegt, ist nicht unzweifelhaft. Es muß auf das Hausgesetz oder die Familienobservanz und schließlich auf das gemeine Privatfürstenrecht zurückgegangen werden. Als im Zweifel geltende Grundsätze sind anzusehen, daß jede Heirat mit einer nichtadligen Person eine M. ist, ebenso die Ehe einer dem Reichsfürstenstande angehörenden Person mit einer Person des niedern Adels. Im Gegensatz zu den kurfürstl. und altfürstl. Häusern haben jedoch die neufürstl. oder bloß reichsgräfl. Häuser die Grenzen der standesgemäßen Ehe weiter gezogen. Die M. begründet eine wahre Ehe und giebt der Frau das