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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Morphinismus; Morphium; Morphologie

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Morphinismus - Morphologie

Das M. findet sich nur im Milchsäfte der Mohnkapseln von Papaver somniferum L. (s. Papaver), und zwar darin relativ am meisten etwa 14 Tage vor der Reife derselben. Beim Anritzen oder Anschneiden der Kapseln dringt ans den wunden Stellen derselben ein dicklicher weißer, an der Luft bald braun werdender Saft hervor, welcher nach seiner Gewinnung und Verdickung (an der Luft bei gelinder Wärme oder durch Zusatz konsistenter Mittel) geformt, mit Mohnblättern umhüllt und unter dem Namen Opium (s. d.) in den Handel kommt. In allen Opiumsorten sind M. und ein zweites Alkaloid, das Narkotin, in der größten Menge enthalten. Von ersterm finden sich darin bis zu 21 Proz. Der durchschnittliche Morphiumgehalt beträgt 8 bis 10 Proz. Außer dem M. und dem Narkotin finden sich in dem Opium noch die Basen Codeïn, Thebaïn, Papaverin und Narceïn und zuweilen außerdem Meconidin, Laudanin, Codamin, Lanthopin, Kryptopin, Protopin, Laudanosin, Metamorphin und Rhöadin; letztere Base kommt auch in dem Klatschmohn, Papaver rhoeas L., vor. In den großen chem. Fabriken, in denen man M. darstellt (es sind in erster Linie zu nennen: Merck in Darmstadt, Jobst in Stuttgart, Dubosc in Paris, Rosengarten in Philadelphia und Powers & Wheigtmann in Philadelphia), verfährt man in der Weise, daß man das Opium mit verdünntem Alkohol auszieht und das Filtrat, mit überschüssigem Ammoniak versetzt, längere Zeit stehen läßt. Die abgeschiedenen Basen werden mit Natronlauge behandelt. Darin löst sich das M., während das Narkotin ungelöst zurückbleibt. Letzteres wird durch Umkrystallisieren aus Alkohol gereinigt. Aus der alkalischen Lösung wird das M. durch kohlensaures Ammoniak gefällt und durch Umkrystallisieren aus Alkohol gereinigt. In chem. Beziehung verhält sich das M. wie eine einsäurige tertiäre Base und liefert krystallisierende Salze. Seine chem. Konstitution ist in neuester Zeit mit ziemlicher Sicherheit festgestellt worden, seine Synthese aber bisher noch nicht gelungen. Es bildet kleine farblose, glänzende Prismen, schmeckt schwach bitter, reagiert alkalisch, löst sich schwer in kaltem Wasser, in 500 Teilen siedendem, ist schwer löslich in Alkohol, fast unlöslich in Äther, Chloroform und Benzol, etwas löslich in heißem Amylalkohol.

Die Pharmacopoea Germanica (sowohl die erste Ausgabe von 1872 wie die zweite von 1882) hatte nur zwei Salze des M., das salzsaure und das schwefelsaure M. (Morphinum hydrochloricum und Morphium sulfuricum) aufgenommen, dagegen das reine M. sowie das essigsaure Salz, welche früher offizinell waren, gestrichen; die dritte Ausgabe (von 1890) hat indes auch das Morphium sulfuricum gestrichen und nur das Morphium hydrochloricum beibehalten. Die Auflösung der neutralen Morphiumsalze wird durch Eisenchlorid dunkelblau gefärbt. Beim Erwärmen mit konzentrierter Schwefelsäure löst sich das M. mit rötlichgrauer Farbe auf, die durch Salpetersäure in Blutrot übergeht. Ein Gemenge von M. und Zucker wird durch Schwefelsäure purpurrot gefärbt.

M. ist ein narkotisches Gift, welches in kleinen Gaben vorübergehend erregt, jedoch sehr bald und nachhaltig das Sensorium lähmt, Betäubung und Schlafsucht erzeugt und in irgend erheblichern Gaben (beim Erwachsenen unter Umständen schon nach 0,1 bis 0,2 g) schließlich durch Lähmung des centralen Nervensystems den Tod herbeiführt. Das M. findet als beruhigendes, schmerz- und krampfstillendes, schlafmachendes Mittel bei Schlaflosigkeit, quälenden Neuralgien, bei krampfhaften und konvulsivischen Affektionen, bei Krampfhusten und asthmatischen Zuständen, bei Delirien, Geistesstörung u. dgl. eine ausgedehnte Anwendung. Als Gegenmittel dienen bei der akuten Morphiumvergiftung starker Kaffee, Tannin und gerbsäurehaltige Flüssigkeiten; daneben erweisen sich die schleunige Entleerung des Magens durch Brechmittel oder durch die Magenpumpe, ferner künstliche Atembewegungen, beständiges Herumführen des Kranken und kalte Übergießungen nützlich. Sehr häufig wird das M. bei neuralgischen und krampfhaften Zuständen in subkutaner Injektion (s. d.) mit großem Erfolg angewandt; doch werden diese Einspritzungen vielfach auch mißbräuchlich als üble Gewohnheit vorgenommen und führen dann zur chronischen Morphiumvergiftung (Morphiumsucht oder Morphinismus), die allgemeine Abmagerung, Erschlaffung und schließlich vollständige Zerrüttung des Nervensystems zur Folge hat. Da die Morphiumsüchtigen infolge ihrer Energielosigkeit sowie wegen der bei der Entwöhnung vom Morphiumgenuß sich einstellenden Beschwerden nur sehr schwer von ihrer Leidenschaft zu heilen sind, so wird die Kur am besten in einer geschlossenen, gut überwachten Anstalt vorgenommen. - Vgl. Levinstein, Die Morphiumsucht (3. Aufl., Berl. 1883); Erlenmeyer, Die Morphiumsucht und ihre Behandlung (3. Aufl., Neuwied 1887).

Morphinismus, Morphiumsucht, die chronische Morphiumvergiftung, s. Morphin.

Morphium, s. Morphin.

Morphologie (grch.), die Lehre von der Gestalt. In der Botanik ist M. diejenige Disciplin, welcher die Betrachtung der Formverhältnisse sowohl des ganzen Pflanzenkörpers als auch der ihn zusammensetzenden einzelnen Organe zufällt. Insofern es sich dabei um die Gestalt und den Bau der einzelnen Zellen oder Gewebesysteme handelt, spricht man von Anatomie, Histologie oder Phytotomie, als einem Teil der M. Gewöhnlich braucht man M. nur im engern Sinne, indem man darunter die Betrachtung der äußern Gestalt und der Stellungsverhältnisse der verschiedenartigen Organe des Pflanzenkörpers versteht. Die Einteilung und Beschreibung der einzelnen Glieder, wie Blatt, Stamm, Wurzel u.s. w., bildet demnach einen besondern Teil der morpholog. Untersuchung (Organographie). Aber erst die Vergleichung der einzelnen Organe, ihrer Entwicklung in ontogenetischer und phylogenetischer Beziehung giebt dieser Disciplin den Charakter einer Wissenschaft. Die vergleichende M., wie man dieselbe analog der vergleichenden Histologie nennt, hat sich demnach hauptsächlich mit der Entwicklungsgeschichte zu beschäftigen, und sebr viele morpholog. Fragen sind nur auf Grund eingehender entwicklungsgeschichtlicher Untersuchungen zu lösen. - Vgl. Bischof, Handbuch der botan. Terminologie und Systemkunde (3 Bde., Nürnb. 1833-44); Hofmeister, Allgemeine M.(Lpz. 1868); Eichler, Blütendiagramme (2 Bde., ebd. 1875-78); Goebel, Grundzüge der Systematik und speciellen Pflanzenmorphologie (ebd. 1882); ders., Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane (in Schenks "Handbuch der Botanik", Bd. 3, Bresl. 1884); Warming, Handbuch der systematischen Botanik (Kopenh. 1891).