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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Münster (Stadt im Elsaß)

und Glasgemälden, einem Kapitelsaal mit Holzschnitzereien (1550) und einer Uhr (1400; 1550 restauriert); die got. Lambertikirche (14. Jahrh.; s. Tafel: Deutsche Kunst Ⅱ, Fig. 7), deren Turm abgebrochen ist; die got. Liebfrauenkirche (1340‒46) mit kolossalem Turme; die roman. Ludgerikirche (1200) mit got. achteckigem Turme, dessen oberes Geschoß mit den offenen Fenstern, Stabwerk und Filialen zu einer zierlich krönenden Galerie aufsteigt; die Servatiikirche (1180) und die Martinikirche. Von den weltlichen Gebäuden zeichnen sich aus das Rathaus mit got. Giebel (1335), dessen Saal, worin 24. Okt. 1648 der Westfälische Friede unterzeichnet wurde, unverändert erhalten und mit den Bildnissen der Gesandten geziert ist, der alte Stadtkeller (1569‒71) mit dem Museum des Kunstvereins; das neue nach Pennsylvanischem System erbaute Zuchthaus; der neue Centralbahnhof; die Paläste der Freiherren von Romberg, des Grafen Droste und anderer Adligen sowie zahlreiche Privathäuser aus dem Ende des 15. Jahrh. mit hohen Treppengiebeln. Die königl. Akademie ist 1771 durch Kurfürst und Fürstbischof Maximilian Friedrich mit vier Fakultäten gegründet und 1773 durch Papst Clemens ⅩⅣ. und Kaiser Joseph Ⅱ. bestätigt worden. Erster Kanzler war Freiherr von Fürstenberg. Nach Aufhebung der Universität (1818) blieben die theol. und philos. Fakultät; 1843 erhielt die Anstalt ihren jetzigen Namen. Die Akademie hatte (1893/94) 41 Docenten, 392 Studenten und 34 Hospitanten, (1894) 425 Studenten und 25 Hospitanten sowie eine königl. Paulinische Bibliothek (110000 Bände, 761 Handschriften, 80000 kleinere Schriften). Ferner hat M. ein königl. pädagogisches Seminar, kath. Priesterseminar, zwei kath. Konvikte (Collegium Borromaium und Ludgerianum), kath. Paulinisches Gymnasium, 795 gegründet, Realgymnasium, kath. Lehrerinnenseminar, zwei höhere Mädchenschulen, israel. Lehrerseminar, einen Kunst-, Altertums-, Historischen Verein, einen westfäl. Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst mit mehrern Sektionen u. s. w., eine Provinzialirrenanstalt und zahlreiche milde Stiftungen, darunter das Clemenshospital mit den Barmherzigen Schwestern und das Krankenhaus der Franziskanerinnen auf St. Mauritz.

Die Industrie erstreckt sich auf Fabrikation von Leinwand, Baumwollzeugen und Leder; auch bestehen Brennereien und Brauereien. Bildwerke aus Baumberger Stein, Schnitzwerk, Glasgemälde werden weithin versendet. Hauptgegenstände des Handels sind Leinwand, Mehl und andere Landesprodukte, sog. westfälische Schinken und Pumpernickel.

Geschichte. M. kommt unter dem Namen Mimigardevord schon zu Karls d. Gr. Zeiten vor, der 805 dem zum Bischof der Sachsen ernannten heil. Liudger diesen Ort als Wohnsitz anwies. Die erste Ansiedelung um das Kloster wurde 1115 befestigt, und die Außenstadt erhielt nun vom Kloster (lat. monasterium) den Namen M. Die Stadt hatte unter Bischof Hermann Ⅱ. (1174‒1203) ihren jetzigen Umfang schon erreicht, erhielt um 1180 Stadtrechte und Befestigungen. Um die Mitte des 13. Jahrh. ging sie mit andern Städten Westfalens Schutzbündnisse ein, während sie den Bischöfen und dem Domkapitel gegenüber ihre Freiheiten erweiterte. Seitdem begannen im Innern die Kämpfe der mächtigen Gilden gegen die patricischen Erbmännerfamilien, bis in den demokratischen Stürmen (1447‒57) die Gilde in der Gesetzgebung gleiche Berechtigung erhielt. Dem Aufschwunge, den die Wissenschaft und Schule durch den Domherrn Rudolf von Langen (gest. 1518) genommen, folgte die Erregung auf dem religiösen Gebiete, indem die Reformation seit 1532 auch hier unter Kämpfen Eingang fand, aber den Wiedertäufern (s. d.) alsbald weichen mußte. Das phantastische Reich des Neuen Sion unter König Johann (s. d.) von Leiden fiel jedoch bald unter den Trümmern der mit Hilfe des Reichs eroberten Stadt zusammen (1534‒35), welche nach Niederwerfung des Aufstandes wieder rasch emporblühte. Nur der Übermut der Gilden und das Streben nach unmittelbarer Reichsfreiheit führte zu Streitigkeiten gegen die Machtstellung der Fürstbischöfe und endlich zu offenem Kampfe. Bischof Bernhard von Galen eroberte die Stadt und unterwarf sie sich unter Vernichtung ihrer alten Rechte und Freiheiten (1661).

Das vormalige Hochstift M. war das größte des Westfälischen Kreises und zählte auf 9900 qkm etwa 350000 E. Anfangs unter der Vogtei der Grafen von Tecklenburg, wurde es im 12. Jahrh. zum Reichsfürstentum erhoben. Auch erhielt der Bischof, der im Westfälischen Kreise erster kreisausschreibender Fürst und Direktor war, 1708 Sitz und Stimme im Reichsfürstenrate, in den er aber nie eingeführt wurde. Seit 1719 waren die Erzbischöfe von Köln zugleich Bischöfe von M., das jedoch seine besondere Regierung behielt. Im Reichsdeputationshauptschlusse von 1803 wurde das Hochstift säkularisiert. Das Territorium wurde geteilt und als Entschädigung an Preußen, an den Herzog von Holstein-Oldenburg, den Herzog von Aremberg, das fürstl. und rheingräfl. Haus Salm, den Herzog von Croy und den Herzog von Looz und Corswarem gegeben. Der dem letztern zugefallene Teil erhielt den Namen des Fürstentums Rheina-Wolbeck. Preußen bildete aus seinem Anteile (3300 qkm mit 128000 E.) das Fürstentum M., welches im Tilsiter Frieden 1807 an Frankreich abgetreten und zu dem neu gebildeten Herzogtum Berg geschlagen, 1810 aber zum größten Teile mit den an die Häuser Salm, Aremberg, Croy und Looz und Corswarem gefallenen Teilen des Hochstifts M. mit dem franz. Kaiserreiche vereinigt wurde. Infolge der Bestimmungen des Wiener Kongresses erhielt Preußen das Fürstentum M. zurück, mit Ausnahme von Cloppenburg und Vechta, die wieder unter oldenb. Hoheit kamen, und zugleich die Souveränität über die ehemals münsterschen Landesteile der Häuser Salm, Croy und Looz und Corswarem. Hannover aber wurde Souverän über die münsterschen Besitzungen. – Vgl. Erhard, Geschichte M.s (Münst. 1837); Geschichtsquellen des Bistums M. (Bd. 1‒4, ebd. 1851‒81); Cornelius, Geschichte des Münsterschen Aufruhrs (Bd. 1‒2, Lpz. 1855‒60); Brückmann. Altes und Neues aus dem Münsterland (Paderb. 1865); Tücking, Geschichte des Stifts M. unter Christoph Bernard von Galen (Münst. 1865); Geisberg, Merkwürdigkeiten der Stadt M. (9. Aufl., ebd. 1889); Führer durch das Münsterland (Bd. 1, ebd. 1893).

4) M. im Elsaß, Hauptstadt des Kantons M. (19148 E.) im Kreis Colmar des Bezirks Oberelsaß, im Münsterthal (s. d.), an der Nebenlinie Colmar-Metzeral der Elsaß-Lothr. Eisenbahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Colmar), Hauptzollamtes, Konsistoriums der Kirche augsburgischen Bekenntnisses und kath. Dekanats, hatte 1890: 5664 E., darunter 2777 Evangelische und 21 Israeliten, 1895: 5797 E., Postamt zweiter Klasse, Telegraph, kath.