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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Mutter (Schraubenmutter) - Mutterkorn

Mutter, Schraubenmutter, s. Schrauben.

Mutterbänder, s. Eierstock und Gebärmutter.

Mutterbiene, Königin, s. Biene.

Mutterbohrer, s. Schraubenbohrer.

Muttergemeinde, s. Mutterkirche.

Mutter Gottes, s. Maria (Mutter Jesu).

Muttergut (lat. bona materna), alle von der Mutter oder von der Mutterseite erworbenen Gegenstände, deren Eigentum dem Hauskinde, deren Verwaltung und Nießbrauch aber dem Vater zusteht. Die rechtliche Stellung des Vaters an diesem Kindesvermögen ist im geltenden Rechte nicht gleichmäßig geregelt. Das M. vererbt sich nach manchen deutschen Rechten besonders (nach dem Fallrecht, s. d.). Von M. oder Mutterteil ist in dem geltenden Rechte noch insofern die Rede, als vorgeschrieben ist, der wiederheiratende Witwer müsse, bevor er zur neuen Ehe schreiten darf, das M. der Kinder (zuweilen auch das von der Mutterseite für sie Erworbene) feststellen lassen und sicherstellen. - Vgl. Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875, §. 38, Absatz 2; Preuß. Allg. Landr. II, 1, §. 18 und im übrigen die Übersicht bei von Sicherer, Personenstand und Eheschließung in Deutschland. Erläuterung des Reichsgesetzes von 1875 (2. Ausg., Erlangen 1881), S. 435 fg.

Mutterhalter, soviel wie Hysterophor (s. d.).

Mutterharz, s. Galbanum.

Mutterhefe, s. Spiritusfabrikation.

Mutterhering, s. Alse.

Mutterkirche, zunächst die von einem Apostel gegründete Gemeinde, sodann die älteste Kirche eines Landes, von der die Gründung anderer Kirchen ausging, ferner die Hauptkirche eines Landes und endlich in einer größern Parochie die Hauptkirche im Gegensatz zu den Filialkirchen. Die Gemeinde einer M. heißt Muttergemeinde. im Unterschiede von der Filialgemeinde (s. d.).

Mutterkoller, s. Koller.

Mutterkorn (das Secale cornutum oder der Clavus secalis der Apotheker), schwarzviolette, oft gebogene, hornartige Körper, die aus den Spelzen der reisenden Roggenähren hervorstehen und wie abnorm vergrößerte, ausgewachsene Roggenkörner aussehen. Ganz ähnliche, nur kleinere M. beobachtet man bisweilen auch bei Weizen, Spelz, Gerste und vielen andern Gräsern. Sie sind im Innern weiß und mehlig, auswendig oft bläulich bestäubt, an der Spitze zusammengeschrumpft und mit einem bräunlichen, trocknen Mützchen versehen, der Länge nach unregelmäßig gefurcht oder grubig, anfange weich, fast schmierig, und am Grunde innerhalb der wie mit Öl getränkt aussehenden Spelzen von einem zähen, ekelhaft süß schmeckenden Schleim umgeben, zuletzt hart, hornig und trocken. Diese Erscheinung wird durch einen Pilz aus der Familie der Pyrenomyceten (s. d.), Claviceps purpurea Tul. (s. Tafel: Pflanzenkrankheiten, Fig. 4 a), hervorgerufen. Das M. stellt ein sog. Sclerotium (s. d.) dar und entwickelt sich aus dem Mycelium, das das Getreidekorn allmählich zerstört. Im Laufe des Sommers zeigt sich in den Blüten der Gräser häufig eine Erscheinung, die man gewöhnlich als Honigtau bezeichnet. Es ist dies eine zähe, klebrige, süß schmeckende Flüssigkeit, die zwischen den Spelzen der Grasblüten hervordringt und sehr zahlreiche stäbchenförmige Conidien enthält. Diese werden von einem Pilzmycelium, das auf und im Fruchtknoten wuchert (b), erzeugt und treten in einer schleimigen Masse eingebettet nach außen, wo sie von verschiedenen die Blüte des süßen Sekrets halber besuchenden Insekten weiter verbreitet werden. Sie können, ans andere Blüten übertragen, durch Keimung dieselben Krankheitserscheinungen hervorrufen. Diese Form des Pilzes war früher als eine besondere Art Sphacelia segetum beschrieben worden.

Nachdem das Mycelium sich weiter entwickelt und das Gewebe des Fruchtknotens größtenteils zerstört hat, hört die Conidienbildung auf und es entwickelt sich nun aus demselben das M. Dasselbe besteht aus einem festen hornartigen Pseudoparenchym und enthält reichlich Reservestoffe in seinen Zellen. Mittels dieses Sclerotiums (c) überwintert der Pilz, das M. fällt aus den Spelzen heraus und gelangt in den Boden; hier keimt es jedoch erst im nächsten Frühjahr, indem sich mehrere Fruchtkörper aus demselben entwickeln (d), die auf ihren roten oder violetten Stielen kleine kugelige Gebilde (e) tragen, die zahlreiche flaschenförmig vertiefte Perithecien (f) enthalten. Hier werden die Sporenschläuche (Ascus, g) und in diesen meist je acht fadenförmige Sporen gebildet, die bei der Reife durch porenartige Öffnungen nach außen treten. Gelangen sie auf geeignete Nährpflanzen, so keimen sie und bilden ein neues Mycelium, das wiederum die Sphacelia-Generation darstellt. Die Mittel gegen das Auftreten des M. bestehen hauptsächlich in der Vernichtung der Sclerotien, sowohl der beim Dreschen und Reinigen des Getreides erhaltenen, die in die Jauchegrube zu werfen sind, als auch der auf den Gräsern befindlichen, die an den Rändern des Ackers, den Wege- und Grabenrainen wachsen. Frühzeitiges Mähen des Roggens, um das Ausfallen des M. zu verhüten, sowie sorgfältiges Mähen der wildwachsenden Gräser in der Nähe des Feldes lassen das M. am besten beseitigen.

Das M. des Roggens wirkt in irgend erheblichen Gaben als heftiges, scharf narkotisches Gift. Der wiederholte Genuß von Brot, das aus mutterkornhaltigem Mehl gebacken wurde, und das an seiner bläulichen Farbe, einem eigentümlichen Geruch und einem scharfen, bittern Geschmack kenntlich ist, ruft Mutterkornvergiftung hervor. (S. Kriebelkrankheit.) Die im M. wirksamen Bestandteile sind ein Alkaloid, Cornutin (s. d.), und eine Säure, Sphacelinsäure; dem sonst noch neben Ekbolin darin vorkommenden Ergotin (s. d.) und der Ergotinsäure (Sclerotinsäure) soll keine Wirkung zukommen; außerdem enthält es die Zuckerart Mykose, ein Harz, Trimethylamin und ein fettes Öl, das Mutterkornöl. Die Anwesenheit eines selbst geringen Gehalts an M. im Mehl ist leicht nachweisbar durch Alkohol und Schwefelsäure. Man entfettet das Mehl durch Auskochen mit Spiritus, schüttelt die Probe mit reinem Alkohol und fügt nach dem Absetzen einige Tropfen verdünnter Schwefelsäure hinzu. Rötung der Flüssigkeit zeigt das Vorhandensein von M. an. Erwärmt man ferner mutterkornhaltiges Mehl oder Brot mit Kalilauge, so entsteht ein charakteristischer Geruch nach Heringslauge. Das M. wird als Pulver (Secale cornutum) oder als Extrakt (Extractum secalis cornuti und Extractum secalis cornuti fluidum, beide offizinell, s. Ergotin) auch in der Heilkunde benutzt, weil das Ergotin anhaltende Kontraktion der Blutgefäße und gewisser organischer Muskelfasern, insbesondere der Gebärmuttermuskulatur hervorruft, weshalb es gegen profuse Blutungen verschiedener Organe und in der Geburtshilfe zur Verbesserung der Wehen-^[folgende Seite]