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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Protestantisch-bischöfliche Kirche Nordamerikas; Protestantische Freunde; Protestantische Union; Protestantismus

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Protestantisch-bischöfliche Kirche Nordamerikas - Protestantismus

zel und Katheder und jede Gewissensknechtung. Der P. will nicht eine einseitige theol. oder kirchliche Richtung zur Alleinherrschaft bringen, sondern nach dem Grundsatz der Freiheit für die verschiedensten auf dem Boden der Reformation erwachsenen Richtungen Raum schaffen. Teils in Lokal-, teils in Provinzialvereinen, teils durch Generalversammlungen (Protestantentage genannt) sucht er das kirchliche Interesse zu wecken und seine Ideen zu verbreiten. Der Sitz der Leitung, früher in Heidelberg, ist seit 1874 in Berlin, wo sich der ältere Unionsverein von Anfang an mit ihm verschmolzen hat. Mit dem P. verbunden ist der Niederländische Protestantenbund und der Schweizerische Verein für freies Christentum. - Vgl. die Berichte der einzelnen Protestantentage; das Jahrbuch des P. von Hoßbach und Thomas (Elberf. 1869-71); die von Hönig herausgegebenen Prot. Flugblätter (ebd.); P. W. Schmidt, Der P. für und wider beleuchtet (Berl. 1872).

Protestantisch-bischöfliche Kirche Nordamerikas, die seit 1789 organisierte Gemeinschaft der Anhänger des anglikan. Bekenntnisses in Nordamerika, zählt 51 Diöcesen, 69 Bischöfe, 3632 Priester, 362 Diakonen und 1/2 Mill. erwachsener Gemeindeglieder mit 3974 Kirchen und 223 höhern Lehranstalten. Ihre oberste Behörde heißt die Generalkonvention, die sich aus sämtlichen Bischöfen und den gewählten Abgeordneten der Gemeinden zusammensetzt. Diese Kirchengemeinschaft missioniert mit großem Eifer unter den Indianern, in China, Japan, Haïti und Liberia. 1873 hat sich von ihr die freiere reformiert-bischöfliche Kirche mit jetzt etwa 120 Geistlichen und 109 Kirchen abgezweigt. - Vgl. Connell, History of the American Episcopal Church (Neuyork 1890).

Protestantische Freunde, s. Freie Gemeinden.

Protestantische Union, die 4. (14.) Mai 1608 zu Auhausen geschlossene Vereinigung der prot. Fürsten, nämlich Christians von Anhalt, des Herzogs von Württemberg, der Markgrafen von Ansbach, Kulmbach und Baden und des Pfalzgrafen von Pfalz-Neuburg. An ihre Spitze trat als Bundesdirektor der Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz. 1609 traten auf dem Bundestage zu Schwäbisch-Hall auch Straßburg, Ulm und Würzburg, 1610 Kurbrandenburg, Landgraf Moritz von Hessen und mehrere Reichsstädte bei; ferner schloß die P. U. 1608 ein Bündnis auf 15 Jahre mit den Generalstaaten, ebenso 1612 einen Vertrag mit England, das sich zu einer Bundeshilfe verpflichtete, und trat 1613 auch mit Gustav Adolf von Schweden in Verbindung, vermochte aber trotzdem gegen die 1609 von dem Kurfürsten Maximilian von Bayern gestiftete kath. Liga (s. d.) nicht mit ihren Forderungen durchzudringen und löste sich schließlich nach verschiedenen Mißerfolgen 1621 wieder auf. - Vgl. Ritter, Geschichte der Deutschen Union von den Vorbereitungen des Bundes bis zum Tode Rudolfs II. (2 Bde., Schaffh. 1867-73); ders., Politik und Geschichte der Union zur Zeit des Ausganges Rudolfs II. und der Anfänge des Königs Matthias (Münch. 1880).

Protestantismus, Gesamtbezeichnung für die aus der Reformation des 16. Jahrh. hervorgegangenen Kirchengemeinschaften, im Unterschiede sowohl von der röm.-kath. als der griech.-orient. Kirche. Die Bekenner des P. heißen Protestanten. Seinen geschichtlichen Ursprung hat dieser Name von der feierlichen Protestation, die die evang. Stände auf dem zweiten Reichstage zu Speyer 19. April 1529 gegen den alle kirchlichen Reformen verbietenden Beschluß der Mehrheit eingereicht hatten. Seit dieser Zeit wurden sie als die protestierenden Stände bezeichnet, daher der Name Protestanten zuerst im Munde der Gegner für alle Anhänger der deutschen Reformation aufkam, von diesen selbst aber als Ehrenname aufgenommen wurde. Allmählich ging derselbe auch auf die Evangelischen der außerdeutschen Länder über.

Das Wesen und die ursprüngliche Gestalt des P. stehen im engsten kulturgeschichtlichen Zusammenhange mit einer Reihe verwandter Erscheinungen auf andern Gebieten des geistigen Lebens. Überall machte sich am Ende des Mittelalters ein Erwachen zu geistiger Selbständigkeit geltend, das sich zunächst in dem Bestreben äußerte, sich durch erneute Vertiefung in die ursprünglichen Quellen von der Herrschaft eines verunreinigten Herkommens und unklassischer Autoritäten zu befreien. Wie die Renaissance in Kunst und Litteratur auf das klassische Altertum, so ging die religiöse Reformation auf die Urkunden des Christentums, die heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments zurück, um auf ihrem Grunde die kirchlichen Lehren und Ordnungen zu erneuern. Diese Tendenz ging in der Reformation aber wiederum aus dem Streben nach persönlicher religiöser Gewißheit und Selbständigkeit des frommen Subjekts hervor, das schon längst den Anstoß zur Bekämpfung aller äußern kirchlichen Heilsvermittelung gegeben hatte. Wie nachmals die neue, mit Cartesius anhebende Philosophie den ganzen Bestand unsers wirklichen oder vermeintlichen Wissens untersuchte und mit Energie dahin strebte, im unmittelbaren Selbstbewußtsein des denkenden Ich die erste schlechthin unumstößliche Gewißheit zu finden, so suchte die Reformation persönliche Gewißheit des Heils in der unmittelbaren innern Erfahrung des frommen Gemüts. Als das Princip des P. ergiebt sich infolgedessen in erster Linie die ihrer selbst gewisse evang. Frömmigkeit, die sich in dem durch die Heilige Schrift bezeugten ursprünglichen Christentum als in ihrem Urbilde wiedererkennt und sich so durch die geschichtliche Offenbarung in Jesu Christo objektiv begründet weiß. Erst hieraus leitet der P. die sog. negative Seite seines Princips her, das Recht der frommen Subjektivität nämlich, gegen alles äußere Traditions- und Autoritätswesen und jeden kirchlichen Gewissenszwang zu protestieren, sofern dieselben vor dem religiösen Gewissen ihr Recht nicht darzuthun vermögen. Dieses in sich einheitliche Princip (die Redeweise von einem zwiefachen Princip, dem Materialprincip der Rechtfertigung und dem Formalprincip der Schriftautorität, kam erst im Anfang des 19. Jahrh. aus) hat sich nicht bloß gegenüber dem Katholicismus, sondern auch innerhalb der eigenen kirchlichen Entwicklung des P. als deren vorwärts treibender Faktor zur Geltung bringen müssen. Der ältere P. gewann zunächst nur eine der kath. Kirche noch ähnliche kirchliche Gestalt. Er stimmte mit jener nicht bloß in der Festhaltung der in den ersten fünf bis sechs Jahrhunderten festgestellten Lehrformeln, sondern auch in der Wertschätzung des ganzen dogmatischen Christentums überhaupt und in dem Zurückgreifen auf eine unantastbare äußere Lehrnorm überein. Nur fügte er dem alten System die Lehre von der Rechtfertigung