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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Vigorit - Villa

Vigorit, ein Sprengstoff, der zu den Dynamiten (s. d.), besonders zu den Nitrogelatinen oder Abeliten (s. d.) gehört; er besteht aus Nitroglycerin, Kalisalpeter, chlorsaurem Kalium, nitriertem Holzmehl und Kreide. (S. Explosivstoffe.)

Vikar (lat. vicarĭus), der Stellvertreter eines weltlichen oder geistlichen Beamten im Dienste. Von großer Bedeutung war das Vikarwesen in der röm.-kath. Kirche des Mittelalters, da es ganz gewöhnlich war, daß Domherren und Pfarrer, während sie selbst die Haupteinkünfte ihrer Ämter bezogen, diese letztern gegen ein geringes Gehalt (Congrua, s. d.) durch ständige oder noch öfter nur auf Zeit bestellte V. verwalten ließen. Häufig wurden die geistlichen Ämter nur ihrer Einkünfte willen an Personen oder Korporationen, wie Klöster, Domstifte u. s. w., vergeben, die sie gar nicht selbst verwalten konnten. Diese Einrichtung trug sehr viel zum Verfall des kirchlichen Lebens bei. Ihren Hauptübelständen hat das Tridentinische Konzil (s. d.) gesteuert. In England hat sich eine ähnliche Einrichtung bis jetzt erhalten, sofern höhere Geistliche oft die Einkünfte von Pfarrstellen genießen, die gegen den Bezug des sog. kleinen Zehnten von V. (vicars) verwaltet werden. (S. auch Apostolischer Vikar, Erzpriester, Generalvikar, Kapitularvikar, Pfarrvikar.)

Vikariatsmünzen, Münzen, die von den Kurfürsten geprägt wurden, denen während der Erledigung des röm.-deutschen Kaiserthrones das Reichsvikariat übertragen war. Namentlich giebt es von den sächs. Kurfürsten viele V., auf denen immer auf die Reichsvikariatswürde Bezug genommen ist.

Vikelas, Demetrius, s. Bikc'las.

Vikinger, s. Normannen.

Vikrāmāditya, Ära des, s. Ära.

Viktor, Viktoria, s. Victor, Victoria.

Viktorinus, röm. Rhetor, s. Victorinus.

Viktualien (lat.), Nahrungsmittel, Speisen.

Világos (spr. willahgosch), Groß-Gemeinde im ungar. Komitat Arad, früher Stadt, 26 km nordöstlich von Arad, an der Linie Arad-Gurahoncz der Vereinigten Arader und Csanader Eisenbahnen, am Fuß eines hohen Berges mit den Ruinen des berühmten Schlosses Világosvár, das schon 1190 bestand und 1444 in den Besitz Johann Hunyadys kam, besteht aus zwei Gemeinden, Ungarisch-Világos (Magyar-Világos) und Alt- oder Walachisch-Világos (Ó- oder Román-Világos), und hat (1890) 1939 und 1012 E., eine griech.-orient. Kirche mit einem Prototypen, zwei Schlösser und Weinbau. Hier streckte 13. Aug. 1849 der ungar. General Görgey (s. d.) vor den Russen die Waffen.

Vilaine (spr. wilähn), 220 km langer franz. Fluß in der Bretagne, entspringt nordwestlich von Laval, bei Juvigné im Depart. Mayenne, fließt zuerst nach SW. bis Vitré im Depart. Ille-et-Vilaine, wird bei Cesson auf 144 km schiffbar, nimmt alsbald bei Rennes rechts die kanalisierte Ille auf, wodurch sie mit der Rance (St. Malo) verbunden wird, wendet sich nach S., erhält rechts den Meu, links die Seiche, weiterhin rechts Canut, links Semnon und an der Grenze vom Depart. Loire-Inférieure links den Don. Bei Redon kreuzt sie den Kanal Brest-Nantes und nimmt rechts den Oust (s. d.) auf. Von da auf der Grenze von Morbihan und Loire-Inférieure nach S. bis zur Einmündung des Isac fließend, geht sie in Morbihan mehr westlich und mündet unterhalb La Roche-Bernard, bei Pénestin, mit breitem Bett in den Atlantischen Ocean.

Vilâjet (Wilàjet), s. Ejâlet und Osmanisches Reich (Verfassung und Verwaltung).

Vilbel, Stadt im Kreis Friedberg der Hess. Provinz Oberhessen, an der Nidda und der Linie Cassel-Marburg-Frankfurt a. M. der Preuß. Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Gießen), hat (1895) 3982 E., darunter etwa 790 Katholiken, Post, Telegraph, evang. und kath. Kirche, Reste eines Römerbades, Ruinen einer Burg, vier Sauerbrunnen; Tabak-, Cigarren- und Liqueurfabrikation, starken Obstbau und Obstweinfabrikation. - Vgl. Waitz, Aus V.s geschichtlicher Vergangenheit (Vilbel 1894).

Vilderwank, Fehnkolonie, s. Fehn- und Moorkolonien.

Vilen (Wilen; Einzahl Vila), überirdische weibliche Wesen des slaw. Volksglaubens, im Russischen durch die Rusalken (s. d.) verdrängt; im Südslawischen spielen sie im Aberglauben und der Volkspoesie bedeutende Rollen.

Vilich, preuß. Landgemeinde, s. Bd. 17.

Vill., hinter lat. Pflanzennamen Abkürzung für Dominique Villars (spr. willahr), geb. 1745, gest. 1814 als Professor zu Straßburg; er schrieb "Histoire naturelle des plantes du Dauphine" (3 Bde., Grenoble 1780-89) und "Précis d'un voyage botanique fait en Suisse" (Straßd. 1812).

Villa, bei den alten Römern ein Haus auf dem Lande; die dazu gehörige Flur wurde im allgemeinen ager genannt. Lag das Haus dicht vor dem Thore einer Stadt, so hieß sie Villa suburbana. Die V. der reichen Römer der Kaiserzeit waren mit verschwenderischer Pracht ausgestattet, so die V. des Plinius, von der ausführliche Beschreibungen erhalten sind, und die großartige V. des Kaisers Hadrian zu Tivoli, von der ausgedehnte Ruinen vorhanden sind. Das Landhaus mit den Wirtschaftsgebäuden, in denen auch der Villicus (Verwalter oder Meier) mit den Sklaven wohnte, begriff man unter der Bezeichnung Villa rustica, die Vorratsgebäude selbst hießen Villa fructuaria. Ein gutes Beispiel einer Villa suburbana ist in Pompeji die sog. Villa di Diomede (Overbeck, Pompeji, 4. Aufl., Lpz. 1884), einer Villa rustica der 1895 in Boseoreale bei Pompeji aufgedeckte Wirtschaftshof. In der Zeit der Karolinger hießen Villae regiae die königl. Meiereien oder Domänen, auf welchen häufig auch die Könige selbst ihren Aufenthalt nahmen. Die Italiener haben Namen und Sache aus dem Altertum beibehalten, indem namentlich in Florenz die reichen städtischen Besitzer neben das Landhaus und die landwirtschaftlichen Gebäude Lusthäuser (Casino) errichteten; das System kam aber in Rom und Genua erst zur Vollendung (Farnesina [s. d.], 1509 von Peruzzi, Madama von Raffael, Villa Lante von Giulio Romano, Villa Papa Giulio von Vasari 1550, alle zu Rom, die V. des Alessi in Genua, Palazzo del Te in Mantua u. a.). Dem großartigern Barockcharakter entsprechen die römischen V. der Folgezeit, die gleich den ältern in architektonischer wie gärtnerischer Beziehung sowie wegen ihres Reichtums an Kunstwerken weltberühmt sind, besonders die Villa Albani, Borghese, Farnese, Ludovisi, Massimi, Medici, Doria-Pamfili, Spada u.a. zu Rom und die Villa d'Este zu Tivoli. Aber auch bei Florenz, Neapel, Genua, im Venetianischen u. s. w. giebt es V. von hervorragender Bedeutung. Besonders zu erwähnen ist Palladios Rotonda bei Vicenza, welche schon im 17. Jahrh. namentlich in England, ferner auch in Frankreich (Schloß Marly) und Holland nachgeahmt wurde und