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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wurst; Würste; Wursten; Wurstfüllmaschinen; Wurstgift

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Wurst (bei der Artillerie) - Wurstgift

entsehntes Rind- und Schweinefleisch (seltener Kalbfleisch), dem der Wassergehalt teilweise entzogen wird, unter Zusatz von Speck und Gewürz (Pfeffer und Salz) verwendet. Zur Haltbarkeit und Farbenbeständigkeit werden der Wurstmasse oft auch Konservierungsmittel (Zucker, Salpeter, Borsäure und Konservesalze, die jedoch, sofern sie schweflige Säuren enthalten, gesundheitsschädlich und deshalb gleich Borax und Salicylsäure verboten sind) oder kleine Mengen giftfreier Farbstoffe (Cochenille, Fuchsin, Kermesbeersaft) beigefügt. Hauptsitze der Fabrikation von Dauerwurstprodukten sind Braunschweig, Gotha, Waltershausen, Eisenberg, überhaupt fast ganz Thüringen, sowie Mecklenburg, Holstein und Sauerland, in Österreich-Ungarn Triest und Debreczin, in Italien Mailand, Modena und Bologna und in Frankreich Lyon, Bayonne und Arles; neuerdings sind auch Dänemark und Nordamerika zu nennen.- Zu Brat- und Brühwurst, die für den baldigen Konsum bestimmt ist, wird neben denselben Fleischsorten wie zu Dauerwurst, doch mit größerer Bevorzugung des Kalbfleisches, meist Wasser, oft auch Mehl, Semmel und Kartoffel- oder Stärkemehl verarbeitet, teils um dem Wurstgut die nötige Bindigkeit zu verleihen (was jedoch auch durch zweckdienliche Wahl der Fleischsorten, durch Eiweis, Agar-Agar u. s. w. zu erreichen ist), teils um einen größern Wasserzusatz zu ermöglichen. Gewürze für diese W. sind Pfeffer, Salz, Muskatnuß oder -Blüte, in einzelnen Fällen auch Zwiebeln, Schnittlauch, Knoblauch, Majoran, Kümmel, Citrone, Citronenschale, Koriander, Paprika. Die Brühwürste werden, nachdem sie (meist heiß) geräuchert (geselcht) sind, kurz vor dem Gebrauch in Wasser gebrüht, um dann entweder warm (Frankfurter, Wiener, Regensburger, Bock-, Bier- und Knackwürstchen) oder erkaltet (Schinkenwurst, Fleischwurst, Mortadella) genossen zu werden. Bratwürste (Saucischen) werden entweder frisch in der Pfanne oder auch über dem offnen Feuer auf einem Rost gebraten (Rostbratwürste, die in ganz Thüringen, ferner in Nürnberg und Jauer üblich sind). - Zu W. aus gekochtem Fleisch wird neben meist geringwertigern Fleischteilen und -Abfällen das Gekröse (Kopf, Zunge, Herz, Lunge, Nieren, Milz und Geschlinge) aller Schlachttiere, bei Leber- und Weißwurst noch Leber und Gehirn, bei Blutwurst Blut, Schwarten und Sehnen verwendet. Beide Arten erhalten Zusätze von meist in kleine Würfel geschnittenem Speck. Besondere Leberwurstarten enthalten Trüffel, Sardellen, Gänseleber, Pistazien, Rosinen, Zwiebel, Petersilie, Grütze und Mehl. Als Gewürze dienen Pfeffer, Salz, Muskatnuß oder -Blüte, Nelken oder Nelkenpfeffer, Piment, Zimmet, Ingwer, Kardamomen, Koriander, Basilikum, Thymian und Majoran. Zu Weißwurst gehört auch die sog. Gelbwurst, die ihren Namen von dem gelben Darme hat, der mit in Spiritus aufgelöstem Safran gefärbt ist. - Blutwurst erhält je nach Art dieselben Gewürze, doch keine andern Zusätze als die vorgenannten. Es zählen hierzu gewöhnliche Blut- oder Rotwurst, Zungenwurst, Plunze, Schiebling (Spezialität von Lindau i. Bayern), Saunudel, Saumagen, Schwarz-, Rössel- und Kommißwurst. - Sülzenartige Produkte sind Sülzwurst, Schwartenmagen, Preßkopf, Preßsack und Rulken. Sie bestehen aus gekochtem, grob geschnittenem (Pöckel-)Fleisch, dem eine ziemliche Menge Schwarten, Sehnen, Knorpel u. s. w., oft auch eine Farce von gehacktem rohem Fleische oder Blut zugesetzt wird. Sie werden, wie auch die übrigen Kochwürste, zuweilen noch geräuchert. Diese Produkte, die auch in Leinwandbeuteln statt in Därmen oder Blasen gekocht werden (Galantine), bilden den Übergang zu den Sülzen, Gelees, Aspiks, wie diese das Mittel zwischen W. und Pastete. Nach jahrelangen vergeblichen Versuchen ist es gelungen, das Fleisch von Fischen, Krabben und Krebsen zu W. zu verarbeiten (Tönning) und als dauerhafte Ware auf den Markt zu bringen. Diese Fischwurst ist verhältnismäßig billig und eignet sich zur Massen- und Feldverpflegung ebenso, wie die seit dem Deutsch-Französischen Kriege 1870/71 eingeführte Erbswurst (s. d). - W., die für den Export nach den Tropen bestimmt ist, wird in Büchsen konserviert oder bei Dauerwurst mit grober Leinwand umnäht und dann mit einem Überzug von Kalk versehen. - Die ersten Nachrichten über W. befinden sich, abgesehen von Homer, bei Aristophanes (in den "Acharnern"). Der Name W., dessen Ableitung zweifelhaft ist, entstand wahrscheinlich im 13. Jahrh. - Über Herstellung der Wurstwaren s. Fleischzerkleinerungsmaschinen und Wurststopfmaschinen; über Verfälschungen der Wurstwaren s. Verfälschungen. - Außer der Litteratur zu Fleischer und Fleischzerkleinerungsmaschinen vgl. noch: Eppner, Die deutsche Wurstfabrikation (5. Aufl., hg. von Todzi, Weim. 1890).

Wurst, bei der Artillerie, s. Wurstlafetten.

Würste, in der Befestigungskunst walzenförmige Bunde von entblättertem Strauchholz, ähnlich wie Faschinen (s. d.) zu verwenden. Auch ähnliche Konstruktionsteile im Packwerkbau (s. d.) nennt man W.

Wursten, Wurster Watt, s. Wurstnerland.

Wurstfüllmaschinen, s. Wurststopfmaschinen.

Wurstgift (Venenum botulinum) und Wurstvergiftung (Botulismus, Allantiasis). Schon seit dem Ende des 18. Jahrh. kennt man eigentümliche Erkrankungen, die nach dem Genuß von schlecht geräucherten oder verdorbenen Würsten auftreten und nicht selten einen tödlichen Ausgang nehmen. In vielen Fällen der Art, die aus früherer Zeit beschrieben sind, handelt es sich ohne Zweifel um Erkrankungen durch Trichinen (s. d.); doch ist andererseits sicher nachgewiesen, daß sich in mangelhaft gekochten und geräucherten oder unzweckmäßig aufbewahrten Würsten infolge einer eigentümlichen Zersetzung des Fleisches oder Fettes ein Gift entwickeln kann, das sehr charakteristische, von der Trichinose wohl unterschiedene Vergiftungserscheinungen hervorruft. Wahrscheinlich handelt es sich auch bei dem W. um die Bildung der gefährlichen Leichenalkaloide (s. d.). In neuern Fällen ist es gelungen, gifterzeugende Bakterien in den Fleischwaren nachzuweisen. Am häufigsten veranlassen Blut- und Leberwürste sowie die als Schwartenmagen und Preßsack bezeichneten Würste derartige Vergiftungen.

Die ersten Krankheitserscheinungen bei der Wurstvergiftung sind in der Regel Übelkeit mit Erbrechen und Durchfall, Schwindelgefühl sowie hochgradige Muskelschwäche und Hinfälligkeit, dann hartnäckige Verstopfung, auffallende Sehstörungen (Erweiterung der Pupillen, Lähmungen der Augenmuskeln und des obern Lides, Doppelsehen und Accommodationsstörungen), Lähmungen der Schlingmuskeln sowie des Kehlkopfes und der Zungenmuskulatur, wodurch die Sprache klanglos und lallend wird. Die Sterblichkeit ist ziemlich bedeutend (23-43 Proz.); der Tod erfolgt meist zwischen dem