Autorenkollektiv,
Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig,
Dritte Auflage, 1884
Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse
unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.
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Aloëfarbstoffe - Aloin
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Aloë'
Anmerkung: Fortsetzung von Nummer 1)
türkische A.
(Aloë socotrina);
diese Sorte wurde früher auf der Insel Socotora im
Golf von Aden gewonnen; jetzt kommt jedoch keine A. mehr
von dort, sondern man belegt mit diesem Namen teils die
von Maccula unweit Kosseir an der arabischen Südküste
kommende, teils auch die von Zanzibar. Man erhält diese
Sorte in großen braunroten, innen oft noch weichen
Stücken mit muschligem, glasglänzendem Bruche, an den
Kanten granatrot durchscheinend. Stammpflanzen sind
Aloë vulgaris und
A. socotrina.
2) Kap-Aloë
(Aloë capensis),
kommt vom Kap der guten Hoffnung, hat eine tief braune
Farbe, ist außen grünlich bestäubt. Diese bei uns
gebräuchlichste Sorte soll aus
Aloë arborescens,
A. ferox,
A. africana,
A. spicata u. and.
bereitet werden.
3) Curaçao-Aloë
(Aloë curassavica),
von der gleichnamigen Insel, ist außen glänzend schwarz,
im Bruche dunkelbraun, undurchsichtig, kommt fast gar
nicht in unseren Handel; dasselbe gilt auch von der
indischen oder
Bombay-Aloë. Unter
den Leberaloësorten ist die beste
4) die Barbados-Aloë
(Aloë Barbadensis),
welche in Westindien aus verschiedenen dort kultivierten
Aloësorten, hauptsächlich aber Aloë vulgaris gewonnen
wird. Man erhält sie von Jamaika und Barbados in
Kürbisflaschen; sie ist gewöhnlich schwarzbraun,
undurchsichtig, im Bruche uneben, wenig wachsglänzend
und riecht beim Anhauchen safranartig.
Als geringere Sorten von Leberaloë gehen im Handel die
nicht glänzenden arabischen,
griechischen und
Bombayaloësorten. Echte Leberaloë zeigt in dünnen
Splittern mit Wasser befeuchtet unter starker Vergrößerung
hellgelbe, prismatische Kristalle von Aloin, welches in
den glänzenden Aloësorten fehlt, weil es in diesen
verändert ist. - Die A. wird zu medizinischen Zwecken,
neuerdings auch zur Herstellung brauner Farben für die
Färberei verwendet. Eine für medizinische Zwecke nicht
brauchbare, Sand und Unreinigkeiten enthaltende Sorte ist
die Roßaloë
(Aloë caballina),
sie bildet eine schwarze glanzlose Masse und wird aus
Blättern gewonnen, die bereits extrahiert wurden. In
Apotheken hat man ein
Aloëextract
(Extractum Aloës),
der wäßrige, eingedickte Auszug der A. - Die Einfuhr der
A. ist zollfrei.
Aloëfarbstoffe. Aus der Aloë lassen
sich verschiedene Farbstoffe darstellen, so namentlich
Pikrinsäure,
Aloëtinsäure und
Chrysaminsäure. Ein
Gemenge der letzten beiden Säuren kommt als
Echtbraun in den Handel
und wird zum Färben von Wolle, Baumwolle und Leder verwendet.
Diese beiden Säuren haben auch die merkwürdige Eigenschaft,
an sich unechte Farbstoffe, wie z. B. Orseille, Anilinfarben,
lichtecht zu machen, wozu schon ein verhältnißmäßig geringer
Zusatz genügt. - Zollfrei.
Aloëhanf. (Agavehanf, fr. chanvre
d'aloës, engl. Aloe-hemp). Dies Fasermaterial wird gewonnen
aus den Blättern einiger in Mittelamerika, Westindien,
Südamerika und Ostindien heimischen Arten der Agave,
besonders von Agave americana. Letztere Pflanze ist auch bei
uns bekannt, da sie vielfach in Gewächshäusern gezogen wird.
Ihre Gestalt besteht aus einem Satz bretartiger,
↔
mannshoher, graugrüner, mit Stacheln besetzter Blätter, einer
riesigen Aloë vergleichbar läßt sich auch im gewöhnlichen
Leben als Aloë bezeichnen mit dem Beisatz hundertjährig,
weil sie bei uns nur höchst selten einmal ihren prächtigen
Blütenschaft treibt. Im südlichen Europa, namentlich Portugal,
Südspanien, Sicilien, auch in Algier, ist die Agave so gut
wie heimisch geworden; sie dient dort aber hauptsächlich zu
Einzäumungen von Grundstücken, welche das Vieh wirksam
abhalten; auch die Verwendung zu Tauwerk (aus algierischer
Faser) scheint bei den Franzosen neuerdings in Gang zu kommen.
In Amerika erhält man Agavepflanzungen zunächst zur Gewinnung
des Saftes, welcher nach bald eintretender Gährung ein
berauschendes Getränk liefert, das unter dem Namen Pulque von
den niedern Volksklassen allgemein konsumiert wird. Der Saft
kann erst erhalten werden, wenn der Blütenschaft, etwa 10
Jahre nach der Pflanzung, anfängt aus der Mitte der
Blätterkrone aufzusteigen, man schneidet ihn so tief aus,
daß eine Höhlung entsteht, welche man einige Zeit hindurch
täglich ausschöpfen kann. Die Agave kommt durch diese
Behandlung zum Absterben, nutzt aber noch weiter durch die
Fasern, die sich in Unzahl parallel laufend durch die Länge
der Blätter ziehen. Um sie frei zu machen, werden die Blätter
zwischen Walzen gequetscht, die fleischigen Teile
herausgewaschen, die Fasern getrocknet und gekämmt. Der so
gewonnene Stoff heißt in Mexico Pita, in Yucatan Sisal, in
Nordamerika Tampico temp, in England flexian fibre oder fl.
grass. Auf Cuba und in Brasilien wächst eine der mexikanischen
Agave verwandte Art, A. cubensis, die in derselben doppelten
Weise, anf (Anmerkung des Editors: richtig: als)
Getränk und Faserstoff, benutzt werden soll. Der A. ist
gelblichweiß, glänzend, von besonderer Festigkeit und geringem
spezifischem Gewicht; er dient besonders zu Schiffstauen,
welche viel stärker und elastischer als hänfene sind und
nicht geteert zu werden brauchen. In der nordamerkanischen
(Anmerkung des Editors: richtig: nordamerikanischen)
Marine sind dergleichen Taue sehr allgemein in Gebrauch;
auch auf belgischen Schiffen sind sie eingeführt und aus Belgien
gelieferte Breitseile
sind jetzt auch in westphälischen Kohlen- und Bergwerken
statt der Drahtseile in Gebrauch gekommen und gut befunden.
Man fertigt aus den Fasern außerdem Packtücher, Kaffeesäcke,
Teppiche, feinere und gefärbte Seilerwaren u. s. w.,
künstlich gekräuselt dient er als Polstermaterial. - Der
Hanf ist zollfrei, das Garn daraus, sowie die Gewebe werden
wie Leinen nach Tarif Nr. 22 a, b, d u. e 2 verzollt.
Aloëholz (Paradiesholz, fr.
calambour, engl. ahaloth). Wohlriechende harzreiche
Holzarten aus Ostindien, größtenteils dieselben wie Adler-
und Agallocheholz, wird zu Drechslerarbeiten verwendet. Die
beste Sorte ist graubraun, gemasert und hat lange Adern,
kommt aus der Levante und Ostindien. - Zoll: S. Tarif im
Anh. Nr. 13 c 1 und 2.
Aloin (Aloinum); der in der Aloë
enthaltene reine Bitterstoff; er kann nur aus der Leberaloë,
am besten aus der Barbados erhalten werden, da er in den
anderen Sorten größtenteils verändert ist und nicht mehr
kristallinisch erhalten
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 13.