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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

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Italien.

Dies gilt insbesondere für das Gebiet der Kunst. Es ist ja Thatsache, daß in Ländern mit einer Adelsvorherrschaft die Verfeinerung der Lebensgewohnheiten der herrschenden Schichte ein Aufblühen der Kultur und damit der Künste mit sich bringt. Im mittelalterlichen Italien trug zu der Kunstentwicklung wohl das meiste der Umstand bei, daß es im Lande eine Unzahl von Herren und Fürsten gab, die mit einander in Prunksucht wetteiferten.

Die Italiker. Die alten Italikerstämme betrieben zweifellos auch den Seehandel. Griechische Berichte sprechen von den Seeräubern im adriatischen und tyrrhenischen Meere, welche die Ausdehnung des griechischen Handels nach Norden verhinderten. Man dürfte vielleicht nicht fehlgehen, wenn man dies so auffaßt, daß eben die nördlichen Italiker in ihrem Küstenbereich selbst den Seehandel besorgten, was die griechischen Wettbewerber unwirsch als "Seeraub" bezeichneten. Der etruskische Adel selbst dürfte sich, wie ich glaube, jedoch nicht an der Seeschiffahrt beteiligt haben, sondern überließ diese den Unterworfenen, so daß ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Persern und Phönikern entstand. Wenn daher die Etrusker auch zur See mächtig erscheinen, so daß selbst die Karthager ihre Bundesgenossenschaft suchten, so ist das so zu verstehen, daß die altitalischen Seefahrer eben unter ihrer Herrschaft und in ihren Diensten standen.

Entwicklungsgang der Kultur und Kunst in Italien. Unter diesen Voraussetzungen würde die ganze Entwicklung der etruskischen Kultur, insbesondere der Kunst, leicht verständlich und es ergäbe sich folgendes Bild. In Ober- und Mittelitalien entwickelte sich unter den indogermanischen Italikerstämmen eine eigene bodenständige Kultur und Kunst, welche im Allgemeinen jener der stammverwandten Bevölkerung der Ost-Mittelmeerländer (Griechen) ähnlich war. Die Beteiligung der Italiker am Seeverkehr brachte diese in Berührung mit den phönikischen, ägyptischen und griechischen Kulturkreisen, und frühzeitig - noch vor der Etruskerherrschaft - machten sich die Einflüsse derselben geltend.

Unter den Etruskern, welche gewisse Eigentümlichkeiten in die altitalische Kultur und Kunst einführten, wurde den Ansprüchen des herrschenden, reich gewordenen Adels durch die einheimische Kunst nicht genügt, sondern das Eindringen der inzwischen höher entwickelten griechischen begünstigt; es wurden nicht nur Kunstsachen eingeführt, sondern wohl auch fremde Künstler ins Land gezogen.

Dies hatte zur notwendigen Folge, daß die bodenständige Kunst ihre Eigenart immer mehr einbüßte und schließlich fast völlig jene der griechischen annahm. Das eigen-italische Kunstgewerbe war im stande gewesen, die Bedürfnisse der Menge zu befriedigen, es war also eine Einfuhr von gewöhnlichen Massengegenständen nicht nötig. Es zeigen somit auch die Funde an solchen minderwertigen, mehr für die Menge bestimmten Geräten und Ziersachen aus der älteren Zeit deutlicher die italische Eigenart.

Schon in dieser älteren Zeit aber wurden die feineren Kunstsachen eingeführt, später von eingewanderten Griechen hergestellt, und deren bessere Kunstübung wurde zuletzt auch für die gewöhnlichen Geräte maßgebend, so daß in der jüngeren Zeit auch die Massengegenstände "griechisch" erscheinen.

^[Abb.: Fig. 77. Goldenes Diadem (Kopfschmuck) aus Mykenai.]