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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Islamitische Kunst

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Islamitische Kunst.

Bogen. Die Bogenformen wurden bereits erwähnt. Der Spitzbogen, welcher zum erstenmal (im 9. Jahrhundert) bei den Arabern erscheint, wird jedoch nicht seinem Wesen entsprechend ausgebildet, dies blieb der germanischen Kunst vorbehalten. Der Sinn für das Absonderliche giebt sich in den Hufeisen- und Kielbogen kund, die in ihren kühn geschweiften Linien - die Bogenränder sind oft noch durch kleine Halbkreise ausgezackt - allerdings einen Augenreiz besitzen.

Säulen. Die Säulenschäfte werden schlank und dünn wie Stäbe gebildet, was ihrer Aufgabe als "Träger" widerspricht; die Knäufe sind mit kraus verschlungenem Zierwerk überladen.

Weltliche Bauten. Die weltlichen Bauten zeigen dieselben Gestaltungen. Außer Palästen der Herrscher kommen noch Grabmäler und die Brunnen in Betracht, welch' letztere häufig von frommen Gläubigen gestiftet wurden, da im Morgenlande, wo vielenorts das Wasser "kostbar" ist, die Brunnen von besonderer Wichtigkeit sind. Bei den Palästen spielen die von Säulenhallen umgebenen Höfe auch die Hauptrolle; auch hier vermißt man eine regelmäßige Anordnung, das Ganze besteht meist aus einem Gemenge von Gebäuden, die Höfe einschließen. Grabmäler und Brunnen sind immer mit Kuppeln überwölbt.

Zierwerk. Arabesken. Die rein bauliche Gestaltung der Werke würde diese mit wenigen Ausnahmen kaum reizvoll erscheinen lassen; alle Mängel, die vorhin angedeutet wurden, müßten augenfälliger hervortreten, wenn nicht das reiche, blendende Zierwerk den Blick davon ablenken würde.

In diesem Punkte hat der arabische Geist sein Bestes geleistet, und der Name "Arabesken" für die der islamitischen Kunst eigentümlichen Zierformen giebt dieser Thatsache Ausdruck. Das Wesen derselben besteht in der unendlich mannigfaltigen Verschlingung von Linien und geometrischen Figuren, welche ineinander übergehen und sich durchdringen, scheinbar keinen Anfang und kein Ende haben, so daß das Auge keinen Ruhepunkt findet. In der Erfindung dieser unendlich bewegten, die Einbildungskraft anregenden Linienspiele waren die islamitischen Künstler unübertroffene Meister. Dazu gesellt sich noch die Buntheit der Farben, welche den Reiz steigert und das morgenländisch Prunkhafte nicht vordringlich erscheinen läßt, sondern zur Schönheit verfeinert.

Verbreitung und Entwicklung der islamitischen Kunst. Da die islamitische Kunst vorwiegend "eklektischer" Art ist, d. h. aus Vorhandenem gewisse Grundzüge auswählt und diese miteinander verbindet, so zeigt sie auf den verschiedenen Gebieten, auf denen sie sich entwickelte, auch einzelne Abweichungen, je nachdem eben diese oder jene älteren Einflüsse stärker hervortreten.

Die erste Landschaft, welche in die Gewalt der Araber fiel, war Syrien, wo die altchristliche Kunst, wie bereits erwähnt, zu einer besonderen Blüte gelangt war. Hier wandelten die Eroberer hauptsächlich bestehende Bauten um, im übrigen zeigen Neubauten starken byzantinischen Einfluß. In Aegypten übten einen solchen die altägyptischen und antiken (griechisch-römischen) Denkmäler unverkennbar aus; auch hier wurden Teile derselben, namentlich Säulen, vielfach verwendet. In beiden Ländern kam es jedoch zu keiner besonders bedeutsamen Entwicklung.

Ebenso wenig war dies der Fall in Kleinasien und auf der Balkanhalbinsel, seit diese Gebiete unter die Herrschaft der Türken gelangten. Diese besaßen noch weniger Anlage für die Kunst als die wenigstens mit lebhafter Einbildungskraft und der allen Semiten eigenen Anpassungsfähigkeit begabten Araber. Auf türkischem Boden blieb daher die byzantinische Richtung maßgebend, bis sie durch die neuen abendländischen Einflüsse verdrängt wurde.

Zur eigentlichen Entfaltung gelangt die islamitische Kunst in Persien, Indien und auf spanischem Boden. Auch in Sicilien, welches im 9. Jahrhundert von den Arabern erobert wurde, scheint sie geblüht zu haben, doch sind die meisten Schöpfungen von den Normannen vernichtet worden.

Indien und Persien. Die bedeutendsten Leistungen finden wir in Indien, welches seit dem 12. Jahrhundert unter mohamedanischer Herrschaft stand. Die Blütezeit fällt in