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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Germanische Kunst

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Germanische Kunst.

1261-1288) und S. Maria del Carmine zu Pavia (1373 begonnen) - zwei Werke, die ein volles Jahrhundert von einander scheidet - gute Beispiele abgeben.

Dennoch sollte gerade auf diesem Boden und zwar gegen Ende des Zeitraumes, als man im übrigen Italien bereits von der Gotik sich abwandte, noch ein Werk entstehen, welches am meisten der Eigenart nordischer Bauweise sich nähert, und bei oberflächlicher Betrachtung ganz den Eindruck eines deutschen Domes macht. Das ist der Dom zu Mailand, mit dessen Bau 1386 begonnen wurde. Bezeichnend ist, daß dieses Werk nicht wie die vorgenannten einem Orden oder einer Bürgergemeinde - also einer Genossenschaft - seine Entstehung verdankt, sondern dem Willen eines Einzelnen, Giovanni Galeazzo Visconti, des Gewaltherrschers der Stadt Mailand. Man hat es demnach mit der Geschmacksrichtung einer Einzelnpersönlichkeit zu thun, deren Beziehungen zu Frankreich (durch seine Gemahlin) und zum Deutschen Reiche dieselbe erklären. Visconti berief denn auch französische und deutsche Meister, von denen urkundlich eine ganze Reihe bei dem Baue thätig war, allerdings meist nur kurze Zeit, da mit der Oberaufsicht Einheimische betraut waren, welche den Fremden die Arbeit verleideten. Immerhin entsprachen die Grundanlage - der Plan ähnelt jenem des Kölner Domes - und auch die Gestaltung der Einzelheiten der Richtung der nordischen Gotik, und man behielt deren Formen auch dann noch bei, als längst schon die Renaissance zur Herrschaft gelangt war, die später freilich sich auch geltend machte. (Der Dom wurde 1577 eingeweiht, die Kuppel 1775, die Schauseite erst 1805 vollendet.)

Auch bei diesem Werke ist es weit mehr die ungemeine Fülle des Zierwerks, als das Ganze an sich, was die Wirkung hervorruft. Das Langhaus ist fünfschiffig, das Querhaus dreischiffig; der Innenraum entbehrt, da die mittleren Seitenschiffe nur kleine

^[Abb.: Fig. 308. Marienkirche und Rathaus zu Lübeck.]