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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

deshalb darf man ihm doch nicht selbständige Eigenart absprechen, sie beruht eben in dem Geschick, die verschiedenen Züge wieder zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfassen.

Der bedeutendste kirchliche Bau Fischers ist die Karlskirche in Wien, welche jedoch erst nach seinem Tode vollendet wurde. (Unter den früheren Kirchenbauten sind hauptsächlich bemerkenswert die Kollegienkirche in Salzburg und die Peterskirche in Wien). Der Grundriß der Karlskirche zeigt eine eiförmige Centralanlage, an den ovalen Kern schließen sich zwei kurze, viereckig gebildete Seitenarme an, während der Altarraum in der Verlängerung der Längsaxe gestreckt ist. An das Vorhaus legen sich beiderseits lange Gänge an, welche in Verbindung mit den zwei niedrigen Türmen stehen, durch welche Durchfahrten führen. Diese Anordnung hatte den Zweck, eine zu der mächtigen Kuppel im Verhältnis stehende breite Stirnseite zu schaffen, da aber die niedrigen Gänge und Ecktürme doch kein genügendes Gegengewicht zu dem hochragenden Kuppelbau bildeten, so stellte Fischer vor die Kirche noch zwei Ehrensäulen, welche für das Auge den Uebergang von der Höhe zur Breite vermittelten. Mit dieser geistvollen Lösung der Schwierigkeit, welche mit jeder Centralanlage verknüpft ist: den vollen Anblick der Kuppel zu gewähren und doch die Stirnseite mit derselben in ein Verhältnis zu bringen, erzielte Fischer die reizvoll malerische Wirkung, durch welche sich die Karlskirche auszeichnet. Zu dieser tragen aber nicht unwesentlich auch bei die Ausbildung der Attika zu einem Geschoß, die bedeutende Erhöhung des Tambours der Kuppel und die einem antiken Tempel nachgebildete Vorhalle mit sechs Säulen und mächtigem Giebel (Fig. 611).

Eine umfangreiche Thätigkeit entfaltete Fischer auch in weltlichen Bauten. Als kaiserlicher Hofbaumeister entwarf er die Pläne für das Lustschloß Schönbrunn, sowie für den Umbau der Hofburg, der jedoch nur teilweise ausgeführt wurde. Das bedeutendste und glanzvollste Stück bei demselben ist die sogenannte Winterreitschule. Dieselbe ist ein ungeheurer Saalbau, innen mit einer Säulenhalle, außen in vier Stockwerke gegliedert, mit einem ungemein schmuckreich gestalteten Eckausbau. Von den zahlreichen Adelspalästen sind besonders hervorzuheben jene des Prinzen Eugen von Savoyen in Wien, (jetzt Finanzministerium) und des Grafen Clam-Gallas (jetzt erzbischöflich) in Prag, dann der Palast der ungarischen Leibgarde, ebenfalls in Wien. Bei dem ersteren ist besonders das Treppenhaus von großer Pracht, während der letztere sich durch schöne Klarheit in der Anordnung der Massen, großzügige Verhältnisse und ebenso maßvolle wie anmutige Behandlung des Schmuckes auszeichnet (Fig. 612). Diese Wiener Paläste gehören unstreitig zu den reizvollsten Schöpfungen der deutschen Barockzeit. Ein der Art italienischer Villen entsprechendes Landschloß erbaute der Meister in dem kleinen Lustschlößchen Kleßheim bei Salzburg.

Fischers Eigenart liegt darin, daß er sich nicht durch Regeln, sondern von seinem Kunstgefühl leiten läßt, er geht nicht "methodisch", sondern "empirisch" vor, d. h. er versucht je nach den gegebenen Umständen die Aufgabe in der leichtesten Form zu lösen. Dieses Anschmiegen und Anpassen an die Verhältnisse, die volle Beherrschung der Formensprache, die freie und sichere Anordnung der Massen, die Rücksicht auf schöne Raumwirkung und gefällige Bewegung der Linien sind hauptsächlich bezeichnend für Fischers Kunstweise.

Hildebrand. Neben ihm erscheint jedoch noch ein Wiener Meister von großer Bedeutung, der auch seinerzeit an Ansehen dem Fischer gleichstand, wenn nicht gar, wie es den Anschein hat, übertraf. Es ist dies Johann Lucas von Hildebrand (1666-1745), der zwar in Italien seine Ausbildung erhalten hatte, in seinen Schöpfungen sich aber doch von deutschem Geiste beseelt erwies. Sein Hauptwerk ist das Lustschloß Belvedere, für den Prinzen Eugen von Savoyen erbaut, das weniger durch große Verhältnisse, als vielmehr durch die reiche und feine Durchbildung der Zierformen eine schöne Wirkung erzielt (Fig. 612). Die Anlage und die innere Eintheilung sind mustergiltig, ein langgestrecktes Rechteck mit oval-achteckigen Pavillons an den Ecken und einem Mittelbau, der nach der Gartenseite zu vorspringt, nach der Hofseite einen Vorbau für die Auffahrtsrampe hat.