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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Passiflorinen - Passionsmusik.

einem dreiblätterigen Involukrum versehen und besitzen meist fünf Kelchblätter und ebenso viele Kronenblätter, innerhalb deren ein oder mehrere Kränze farbiger Fäden und ring- oder manschettenförmige Auswüchse (Diskusgebilde) stehen. Aus dem Grunde des Blütenbodens erhebt sich ein stielförmiger Träger, die verlängert Blütenachse, auf deren Gipfel fünf Staubblätter mit übergekippten Antheren und ein dreigliederiges Ovar mit wandständigen, vieleiigen Placenten und drei meist freien Griffeln stehen. Vgl. Masters Monographie in "Transactions of Linnean Society", Bd. 27.

Passiflorinen, Ordnung im natürlichen Pflanzensystem aus der Abteilung der Dikotyledonen, charakterisiert durch regelmäßige epigyne oder perigyne Blüten, deren Glieder in Quirlen angeordnet sind, und drei zu einem Fruchtknoten mit wandständigen Placenten und meist freien Griffeln verwachsene Fruchtblätter, umfaßt nach Eichler die Familien der Samydaceen, Passifloreen, Turneraceen, Loasaceen, Datiskaceen und Begoniaceen.

Passigdrehen, s. Drehbank, S. 125.

Passim (lat.), weit und breit, überall.

Passīni, Ludwig, österreich. Maler, geb. 9. Juli 1832 zu Wien, Sohn des Kupferstecher Johann P., besuchte die Wiener Akademie unter Führich und Kupelwieser, siedelte 1850 mit seinen Eltern nach Triest, dann nach Venedig über, bildete sich unter Leitung Karl Werners zum Aquarellmaler und bereiste mit diesem Italien. 1855 ließ er sich in Rom nieder und malte anfangs Architekturstücke und Interieurs mit Figuren, bis er letztere selbständig behandelte und so zum Genremaler wurde, welcher sich tief in das italienische Volksleben versenkte. Seit 1864 lebte er abwechselnd in Berlin und Rom, und 1873 nahm er seinen Wohnsitz in Venedig, dessen Volksleben ihm die Motive zu einer Reihe von Aquarellen geboten hat, in welchen sich Energie der Charakteristik sowie Feinheit und Tiefe der Empfindung mit glänzender malerische Virtuosität verbinden. Seine Hauptwerke sind: Chorherren in der Peterskirche (1870, Berliner Nationalgalerie), die Beichtende, der in der Kirche katechisierende junge Priester, die Mädchenschule, Vesper in St. Paul zu Rom, der Tasso-Vorleser unter den Fischern von Chioggia, die Brücke an der Riva dei Schiavoni, die Prozession in Venedig (1874), Kürbisverkäufer in Venedig, Messe in einer Kirche zu Chioggia, der Gang mit dem Viatikum, Neugierige auf einer Brücke in Venedig. Neuerdings hat P. auch Aquarellporträte gemalt. Er ist einer der hervorragendsten Meister der Aquarelltechnik, welcher Kraft des Tons mit Leuchtkraft und Durchsichtigkeit zu vereinigen weiß. Er ist Mitglied der Akademien zu Berlin, Wien und Venedig und besitzt die große goldene Medaille der Berliner Ausstellung.

Passion (lat. passio), Leiden, besonders das Leiden Christi; daher Passionszeit (Fastenzeit, s. Fasten), die 40 Tage vor Ostern, welche zur sogen. geschlossenen Zeit (s. d.) gehören; Passionspredigten, die Predigten, welche in der Passionszeit über Abschnitte der Passionsgeschichte gehalten werden; Passionssonntag, der Sonntag Judika, an welchem die römische Kirche ehemals die Messe vom Karfreitag las, und Passionswoche, unter welcher man in der Regel die Karwoche (s. d.) versteht. In dieser letztern pflegt man hier und da Passionsmusik (s. d.), auch Passionsspiele (s. d.) aufzuführen. In der bildenden Kunst ist die P. Christi von hervorragender Bedeutung, weil sie seit dem frühen Mittelalter, insbesondere seit dem 13. Jahrh., sehr häufig durch plastische Kunstwerke, Malereien, Holzschnitte, Kupferstiche etc. dargestellt worden ist, und weil sich aus diesen Darstellungen nach der Überlieferung der Evangelisten allmählich eine Bilderreihe entwickelte, welche gewöhnlich mit dem Einzug Christi in Jerusalem begann und mit der Himmelfahrt endigte. Die Zahl der Bilder war verschieden. Dürers kleine Holzschnittpassion besteht aus 38 Blättern, während andre Passionen nur 8, 12, 14 oder 16 Szenen umfassen. Die hervorragendsten Darstellungen der P. rühren von Giotto (Fresken in der Madonna dell' Arena in Padua), Schongauer (Kupferstiche), Lucas van Leiden (Kupferstiche), A. Dürer (zwei Passionen in Kupferstich und eine in Holzschnitt), H. Holbein dem jüngern (Gemälde), H. Brüggemann (Holzschnitzereien) und F. Overbeck (Zeichnungen) her. Die in Holzschnitt oder Kupferstich ausgeführten Cyklen wurden im 15. und 16. Jahrh. als besondere Passionsbücher mit Text (Passionale) verkauft. - Nach dem Französischen ist P. auch s. v. w. Leidenschaft, leidenschaftlicher Hang, daher sich passionieren, sich leidenschaftlich für etwas einnehmen lassen.

Passionāto (ital.), leidenschaftlich.

Passionisten (Leidensbrüder, regulierte Kleriker der Gesellschaft vom heiligen Kreuz und vom Leiden Christi), Kongregation, gestiftet 1720 von Paolo della Croce (eigentlich Paul Franz von Damis, geb. 1684, gest. 1775 in Rom) zu Ovado in Piemont zur Belehrung des Volkes durch Predigten über die Bedeutung des Kreuztodes Christi, hat sich in Italien sehr verbreitet und besonders auf dem Gebiet der Mission (in Bulgarien und der Walachei) verdient gemacht. Ein Nonnenorden von der Passion ward 1538 von Maria Laurentia Louga ^[richtig: Longo] in Neapel gestiftet.

Passionsblume, s. Passiflora.

Passionsblumengewächse, s. Passifloreen.

Passionsbrüder, s. Confrérie de la Passion.

Passionsmusik (Passion, Passio Domini nostri Jesu Christi), ein für die kirchliche Feier des Karfreitags bestimmtes dramatisch-musikalische Werk, dem die Geschichte des Leidens und Sterbens Christi und zwar meist in den unveränderten Worten der Evangelisten zur poetischen Grundlage dient. Die dramatische Darstellung der Leidensgeschichte Christi kam im frühen Mittelalter auf und hat sich in den "Oberammergauer Passionsspielen" bis heute gehalten (s. Passionsspiele). Musik kam dabei nur gelegentlich zur Verwendung (Gesang der Engel u. dgl.). Die musikalische Ausstattung der P. wurzelt aber schon im Gregorianischen Choral, welcher für die Karwoche den Vortrag der Passion nach den Evangelien vorschrieb; früh begann man auch bereits den erzählenden Text und die Reden Christi, der Jünger, des Hohenpriesters etc. durch verschiedene Sänger vortragen zu lassen, und möglicherweise ist hieraus auch direkt das Passionsspiel hervorgegangen. Als Filippo Neri seine geistlichen Aufführungen ins Leben rief (s. Oratorium), gab er einer Art geistlicher Oper die Entstehung, denn die Stücke waren im Stilo rappresentativo durchkomponiert und wurden im Kostüm gespielt. Dagegen führte Carissimi den Erzähler wieder ein unter Verzicht auf die dramatische Darstellung; von da ab sind zwei getrennte Formen zu unterscheiden, das allegorisierende Oratorium und das biblische Oratorium, von welch letzterm die P. eine Spezies ist. Die Unterscheidung von Werden wie das Weihnachtsoratorium von Bach und des-^[folgende Seite]