Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pferde

948

Pferde (Stämme oder Rassen, Altersgrenze etc.).

englischen Vollblutverzeichnis (stud-book) eingetragen stehen. Durch fortwährende Häufung der Eigenschaften, welche die Schnelligkeit begünstigen, und durch eine besondere Erziehung (training) hat sich die Form des englischen Rennpferdes insofern verändert, als es größer, höher und gestreckter geworden ist, als es ursprünglich gewesen war. Zu Veredelungszuchten wird jetzt dieses Pferd nach allen Ländern hin exportiert, und für berühmte Hengste werden enorme Preise bezahlt. Das Jagdpferd (hunter), das auf den Fuchsjagden geritten wird, ist entweder Vollblut oder sogen. Halbblut (Tafel I, Fig. 3), d. h. es ist aus einer Mischung von Vollblut einerseits und nicht als Vollblut geltenden Tieren anderseits hervorgegangen. Das englische Kutschpferd, das seinen Hauptrepräsentanten in dem Cleveland-Braunen hatte, ist ebenso wie das Yorkshire-Pferd und der Norfolk-Trotter (Tafel I, Fig. 5) im Verschwinden, und man züchtet die für den Equipagendienst nötigen P. jetzt größtenteils durch Paarung von Vollbluthengsten mit starken, knochigen Stuten der Karrenschläge, von denen England außer dem kolossalen Brauerpferd besonders zwei von vorzüglichen Eigenschaften besitzt, den Suffolk und den Clydesdaler. Der Suffolk, vorzugsweise in der gleichnamigen Grafschaft gezüchtet, ist Fuchs, der Clydesdaler (Tafel II, Fig. 11), dessen Heimat das südliche Schottland ist, gewöhnlich braun mit vielen Abzeichen; beide Schläge besitzen bei bedeutender Körperschwere hübsche Formen und verhältnismäßig raschen und leichten Gang. Die kleinen P., die sogen. Ponies, sind außerdem in England sowohl im Geschirr als unter dem Sattel vielfach im Gebrauch, da sie ebenso unermüdlich in der Arbeit wie genügsam in der Fütterung sind. Die bekanntesten Arten englischer Ponies sind: der Shetland- (Tafel I, Fig. 6), der welsche, der Exmoor- und der New Forest-Pony. Auch Schweden (Tafel II, Fig. 12), Norwegen, Ostpreußen, Galizien, Sardinien und Nordfrankreich haben gute Ponyschläge. Die zwischen den Ponies und größern Reitpferden stehenden edlen, breiten und bequemen P. nennt man Cobs. Frankreich besitzt in dem Boulonaiser, dem auch der Percheron zuzuzählen ist, ein gutes Acker- und Wagenpferd. Diese schweren Schläge werden hauptsächlich an dem Küstenstrich der Nordsee gezogen. Die Departements Orne, Eure, Calvados, Manche produzieren ein großes und gängiges Kutschpferd (Anglonormanne), das jetzt sehr gesucht und vielfach ausgeführt wird. An Reitpferden hat das Land Mangel, indessen macht man in Algerien große Anstrengungen zur Erziehung eines größern Berberpferdes. Spanien, durch die Mauren in Besitz eines Reitpferdes gelangt, das als stolzer Andalusier sich über den größten Teil Europas ausbreitete, hat, ebenso wie Italien, das den berühmten Neapolitaner (Tafel II, Fig. 7) besaß, jetzt keinen hervorragenden Pferdeschlag. Belgien kultiviert mit Glück in dem vlämischen P. (Tafel II, Fig. 8) das schwere Lastpferd und im Ardenner (Condroz) ein etwas leichteres, aber breites und stämmiges Tier. Deutschland hat überwiegend Reitpferde und leichte Wagenpferde, während schwerere Wagenpferde nur in einzelnen Distrikten, wie z. B. in Oldenburg (Tafel II, Fig. 9), gezogen werden und kaltblütige Lasttiere fast ganz fehlen. Preußen, das durch Staatsgestüte und Beschälerdepots die Landespferdezucht in militärischer Rücksicht beeinflußt, hat in seinen östlichen Provinzen viele und vorzügliche Kavalleriepferde (Litauer), in seinen mittlern Provinzen ein brauchbares Acker- und Wagenpferd und im Norden und Westen, in Holstein und in der Rheinprovinz, ein schwereres, dem Lastpferd sich näherndes Arbeitspferd. Das bedeutendste Gestüt Preußens ist Trakehnen, welches, 15 km von Gumbinnen gelegen, auf 1 QM. 350 Mutterstuten unterhält. Diese P. gehören teils dem Wagen-, teils dem Reitschlag an und versorgen sowohl die Landgestüte als den Obermarstall zu Berlin mit Remonten. Mecklenburg, welches z. B. in Ivenak ein vorzügliches Reitpferd gezüchtet hatte, ist durch maßlose Benutzung schlechter englischer Hengste stark geschädigt worden und fängt erst in neuester Zeit wieder an, in bessere Wege einzulenken. Das Fürstentum Lippe besaß ein wildes Gestüt in der sogen. Senne, dessen Charakter jetzt vollständig umgeändert und englisiert worden ist. Württemberg hatte durch eine arabische Reinzucht einen besondern Ruf erlangt, doch ist diese Zucht jetzt im Verschwinden. Bayern besaß in dem Zweibrücker Gestüt, das ebenfalls mit orientalischen Hengsten arbeitete, früher eine berühmte Zucht, die jetzt gleichfalls als nicht mehr zeitgemäß dem Untergang entgegengeht. Österreich ist in einzelnen Provinzen, wie Galizien, reich mit Pferden besetzt, es hat in den von Magyaren (Tafel I, Fig. 4), Romanen und Slawen bewohnten Ländergebieten teils ganz kleine Pferdeschläge, teils leichte und gewandte Reitpferde; in den von Germanen innegehaltenen Distrikten wird ein kräftiges und großes Wagenpferd, im Pinzgau (Tafel II, Fig. 10) sogar ein ziemlich schweres Lastpferd gezogen. Der Staat unterhält auch hier besondere Anstalten, um die Zucht im Land zu leiten und zu fördern. Dänemark, das früher für den Sattel und die Karosse sehr gesuchte Pferdeschläge besaß, ist jetzt von seiner Höhe herabgestiegen: es kultiviert jetzt hauptsächlich ein schweres, für die Bespannung von Omnibussen u. dgl. sehr gesuchtes Arbeitspferd. In Rußland ist im allgemeinen der Pferdeschlag klein, aber, da er sehr hart erzogen wird, ebenso genügsam wie dauerhaft. Die Kirgisen, Kalmücken, Kosaken, Baschkiren unterhalten große Herden, die halbwild leben; bessere und größere P. finden sich in der Ukraine, den Kaukasusländern, in Eriwan und Tiflis, und es sind in den letztgenannte Distrikten besonders die Karabaks, die in Form und Masse vorteilhaft sich abheben. Als Wagenpferd ist der Orlow-Traber bekannt, der aus einer Vermischung von orientalischem und holsteinisch-dänischem Blut entstanden ist und eine sehr räumige und rasche Aktion im Trabe besitzt. Schwere, kaltblütige Arbeitspferde fehlen. Außer den Privatgestüten unterhält auch der Staat Zuchtgestüte und Beschälerdepots. Amerika, das 1493 die ersten P. aus Spanien erhalten hat, hat sich ungemein günstig für die Vermehrung derselben erwiesen, und speziell hat Südamerika große Herden halbwild lebender kleiner P., während in Nordamerika durch die Popularität der Trabrennen sich ein größeres Kutschpferd mit sehr ausgiebiger Trabbewegung entwickelt hat, das wohl jetzt das schnellste der Welt ist. Es durchläuft eine Strecke von 1000 m in 1 Minute 19,9 Sekunden. Auch Australien zeigt eine rapide Zunahme seines Pferdebestandes, der zum Teil sehr sorgsam nach englischem Muster erzogen wird.

Das durchschnittliche Alter der P. reicht ungefähr bis zu 20, höchstens bis zu 25 Jahren; die edlen Rassen sind im ganzen langlebiger als die gemeinen. Das Wort "Pferd" ist wahrscheinlich gallischen Ursprungs und stammt von Veredus, der latinisierten Form des keltischen vehoreda. Veredus erklärt der