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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Blitzableiter (neue Systeme)

teilung der Gebäude. Eng zusammengebaute Ortschaften vermindern die Blitzgefahr der Gesamtheit, daher die relativ geringere Gefährdung städtischer Gebäude gegenüber ländlichen. 5) Durch die Bauart der Gebäude. Ein mit vielen Metallgegenständen versehenes Haus ist unter sonst gleichen Umständen dem Blitzschlag mehr ausgesetzt als ein solches ohne Metall. Metälldächer, eiserne Anker und Träger, Wasserrinnen, Gas- und Wasserleitungen wirken aber gleichzeitig als teilweiser Schutz gegen die zerstörende Kraft des einschlagenden Blitzes, so daß es nicht geboten erscheint, diese Metallkonstruktionen aus Furcht, vor der Blitzgefatir einzuschränken. 6) Durch unmittelbare Nachbarschaft von blitzgefährllchen Gegenständen. Ein benachbarter Turm ist gefährlich, solange er selbst keinen guten B. besitzt. Ein benachbarter Baum gefährdet ein Haus, wenn der leitenden Verbindung der Baumwurzeln mit der Erde elektrisch noch bessere Kommunikationen zwischen Haus und Erde gegenüberstehen. Dann erfolgt ein Überschlag vom Baum auf das Haus. Andernfalls schützt ein Baum. Ebenso ist der Einfluß von benachbarten Telegraphen- und Telephonleitungen teils ein schützender, teils ein gefährdender. Ersterer überwiegt im allgemeinen bedeutend. Die dichten Telephondrahtnetze üoer den Städten schützen alle darunter liegenden Gebäude merklich; einzelne die Drähte überragende Gebäude sind um so mehr gefährdet. Man hat mit Erfolg eine Koincidenz zwischen der Größe der Blitzgefahr einerseits und anderseits der Bewaldung oder der Wärme oder dem Grundwasserstand nachzuweisen gesucht, ein direkter Einfluß dieser Verhältnisse auf die Blitzgefahr ist aber keineswegs bewiesen. Die Blitzgefahr ist überall weitaus am größten im Juli, auf welchen Monat etwa ein Drittel der jährlichen Gesamtzahl einschlagender Blitze entfällt. Die meisten Blitzschläge fallen in die Stunden von 3-9 Uhr nachmittags, dann folgen die Nachtstunden von 9-3 Uhr. hierauf mit beträchtlich geringerer Zahl die Mittagsstunden uon 9-3 Uhr und endlich die am wenigsten gefährdeten Morgenstunden von 3-9 Uhr. Das Maximum liegt zwischen 3-4 Uhr nachmittags.

Bei gehöriger Ausführung eines Blitzableiters wird durch denselben ein vollständiger Schutz der Gebäude erzielt. Aber auch ein mangelhaft angelegter B. vermindert fast immer die Gefährlichkeit des das Gebäude treffenden Blitzschlags durch partielle Entladung, und es ist durchaus unberechtigt, auf den notorischen Schutz des Blitzableiters verzichten zu wollen, werl etwa noch Zweifel über die besten Konstruktionsdetails existieren. Der B. schützt hauptsächlich dadurch, daß er den das Gebäude treffenden Blitz unschädlich zur Erde führt; aber indem durch langsame Ausströmung durch die Spitze ein Teil der Elektrizität schon vor dem Schlag zur Ausgleichung gelangt, vermindert er auch die Gewalt der Entladung. Die Auffangstangen eines Blitzableiters müssen die höchsten Teile des Gebäudes überragen und in der Weise beherrschen, daß der kürzeste Weg von den Wolken Mm Gebäude stets zuerst auf den B. zuführt. Die Luftleitung soll eine Verbindung zwischen Auffangstangen und Erdleitung darstellen, welche an Kürze und guter Leitungsfähigkeit jedem andern Weg durch das Haus überlegen ist. Die Erdleitung muß mit den großen Leitermassen des Erdbodens in möglichst inniger, großflächiger und überhaupt möglichst widerstandsloser leitender Verbindung stehen. Diesen Anforderungen sucht das Gay-Lussacsche System durch wenige, aber sehr hohe Auffangstangen und entsprechend wenige, aber starke Leitungen zu einer oder

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wenigen möglichst großflächigen Erdplatten zu entsprechen, während das Melsenssche System möglichste Vervielfältigung der einzelnen Teile erstrebt. Die Auffangstangen werden durch kurze, besenförmige Spitzenbüschel ersetzt, die Luftleitung führt in vielfachen dünnern Strängen möglichst an allen Seiten des Gebäudes nach unten, und die Verbindung mit dem Erdreich wird durch Verästelung der Erdleitungen an allen Seiten des Hauses oder durch mehrfachen Anschluß an das Netz der Gas- und Wasserröhren erreicht. Das letztere System ist besonders da empfehlenswert, wo die Beschaffenheit des Terrains eine vollkommene Erreichung des Grundwassers unmöglich macht. Von wesentlichstem Belang ist die Ermittelung der sogen. Anziehungs- oder Entladungsstelle im Erdreich, d. h. derjenigen Stelle, wohin voraussichtlich die Blitzentladung gehen wird. In erster Linie kommen in Betracht stehende oder fließende Gewässer, Gas- und Wasserröhren, eiserne Pumpen, soweit sie nicht in zementierte Bassins reichen, Terrain mit reichlichem Jaucheabfluß. Gewässer und Röhrensysteme sind unter allen Umständen mit der Hauptleitung zu verbinden. Der metallische Anschluß der Gas- und Wasserröhren an die B. ist unbedingt notwendig, da das im Erdboden weitverzweigte Röhrensystem fast immer und gleichgültig, ob dasselbe mit dem B. verbunden ist oder nicht, weit energischer den Blitz an sich zieht als ein noch so guter B. Auch das Röhrensystem selbst wird durch den Anschluß an den B. geschützt, während bei unterlassenem Anschluß der für Gebäude, Personen und Röhren gefährliche gewaltsame Überschlag vom B. auf die Röhren provoziert. Eine einzige Erdleitung genügt in der Regel nur dann, wenn dieselbe mit verschwindend kleinem Widerstand zu einer Entladungsstelle erster Masse geführt werden kann, und wenn gleiche zeitig das Gebäude nicht übermäßig seitlich ausgedehnt ist. Man sagt, daß ein Punkt in dem ein-, zwei-, dreifachen Schutzkreis einer Spitze liege, wenn sein seitlicher Abstand von derselben kleiner als der ein-, zwei-, dreifache Höhenunterschied ist. Die höchsten Ecken eines Gebäudes sollen noch im ein- oder mindestens noch im einhalbfachen Schutzraum, die höchsten Dachkanten im zweifachen, die Punkte der höchstgelegenen Dachflächen noch im dreifachen Schutzkreis einer Spitze liegen. Für tiefer gelegene Punkte, können diese Schutzkreise etwas erweitert werden. Mit den Luftleitungen sind auch Regenrinnen, Metalldächer, eiserne Treppen etc. in Verbindung zu bringen. Ist das Gebäude früher schon einmal vom Blitz getroffen, so sind die damals getroffenen Stellen vorzugsweise zu decken. Als Material des Blitzableiters wählt man Kupfer oder Eisen, die gleichzeitige Verwendung beider Metalle ist möglichst zu vermeiden. Jedenfalls sind die Vereinigungsstellen verschiedene; Metalle vor dem Zutritt von Feuchtigkeit zu schützen. Die Eisenleitung muß doppelt so stark sein wie die Kupferleitung. Über den Wert der gut leitenden Phosphorbronze liegen genügende Erfahrungen noch nicht vor. Die Erdleitung endet mit einer Platte, für welche eine Größe von 1 qm genügt, wenn sie im Wasser liegt. Die Auffangstange versieht man mit einer kupfernen vergoldeten Spitze, welche auch wohl in eine feine Platinnadel endet, damit die Spitze nicht durch Oxydation abgestumpft werde. Daß eine solche Spitze güllstig wirkt, ist sicher, aber ebenso sicher macht das Fehlen einer scharfen Spitze den B. nicht untauglich, die stärksten Blitzschläge unschädlich zur Erde abzuführen. Eisen ist bei Erd- und Luftleitungen gut zu verzinken. Alle Verbindungen der Blitzableiter-