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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Friedrich (F. III., deutscher Kaiser)
^n in Überlebensgröße, ini Beisein des Kaisers Wilhelm II. enthüllt. Seine älteste Tochter, Marie, Gemahlin des Prinzen Albert von Sachjen-Altenburg, starb 2O.Huni 1888 auf Schsos; Albrechtsburg bei Dresden. Üoer seinen Sohn, Prinz Friedrich Leopold, s. unten F. 72).
57) Friedrich 11^., deutscher Kaiser und Kö niguon Preußen 9. März bis 15. Inni 1888. Unter den Besuchen, die der damalige Kroilp rinz Friedrich Wilhelm in Vertretung seines greisen Vaters abstattete, hatte die Reise, we'che er im Herbst 1883 auf einein deutschen Kri'gsqeschn^ader erst nach Spanien an den Hof des Königs Alfons Xil., dann nach Rom unternahm, wo er den ihm eng befreundeten König >)nmbert und anch den Papst Leo Xlil. besuchte, eine besondere Bedeutung. Die männlich schöne Erscheinung und das liebenswürdige Benehmen des Printen gewannen ihm aller Kerzen und dem deutschen Volk die Sympathien der Völker. Neben seinem Vater, Kaiser Wilhelm I., und Bismarck konnte F. allerdings keinen maßgebenden Einfluß auf die Regierung des Reichs und Preußens gewinnen, und es bemächtigte sich daher mit zunehmendem Alter seiner eine verdrießliche, pessimistische Stimmung, welche seine Thatkraft zu lahmen schien. Noch 188ft hielt er bei der Eröffnung der Berliner Jubiläumsausstellung und in Heidelberg beim Universitätsjubiläuni längere eindrucksvolle Reden; auch richtete er 1. Jan. 1887 beim 80jährigen Militärjubiläum des Kaisers an der Spitze der kommandierenden Generale die Ansprache an seinen Vater. Nicht lange nachher stellte sich jedoch bei ihm eine barinäckige Heiserkeit ein. Als sie allen üblichen Heilmitteln widerstand und auch eine Kur in Ems nichts nützte, wurde der Kronprinz Mitte Mai 1887 in Berlin von drei anerkannt fachkundigen Ärzten, Gerhardt, v. Bergmann und Tobold, genau untersucht, und das Ergebnis war deren einstimmiges Urteil, daß eine Krcbserkrankung des Kehlkopfes vorliege, und daß zur Operation mittels Spaltung des Kehlkopfes (Laryngofissur) und Entfernung der erkrankten Teile (am linken Stimmband) geschritten werden müsse. Schon war alles zu dieser Operation vorbereitet, als Mackenzie aus London erschien. Auf Veranlassung des Reichskanzlers hatten nämlich die drei deut chen Ärzte ein amtliches, dem Staatsarchiv einzuverleibendes Gutachten abgegeben und noch drei ausländische Spezialisten zu Rale zu ziehen empfohlen; zu diesen gehörte auch Mackenzie, den die Königin Viktoria von England und der kronprinzliche Leibarzt, Generalarzt Wegener. empfohlen hatten.
Mackenzie erklärte, die Krankheit des Kronprinzen sei nicht Krebs, sondern eine gutartige Wucherung, die durch Eingriffe vom Mund aus geheilt werden könne, und wurde vom kroup in picken Paar für die weitere Behandlung der Krankheit gewählt. Er entfernte durch eine Zange mehrere Stücke der Geschwulst am linken Stimm<and, wobei er einmal auch das rechte verletzte, und triumphierte, als Virchow durch mikroskopische Untersuchung die Gutartigkeit dieser Stückchen feststellte. Er g^b indes, als der Kronprinz 13. Juni nach England abreiste, um dem 5<>jährigen Negierungsjudilaum der Königin Vittoria (21. Juni) beizuwohnen, das Versprechen, daß er den deutschen Ärzten über den Verlauf der Krankheit, namentlich das Wiedererscheinen und die Ausbreitung der Geschwulst, Mitteilung machen werde. Doch erfüllte er dies Versprechen nicht, schob auch die deutschen Ärzte Wegener und Landgraf allmählich beiseite und ließ in der englischen uno der ihm zu Gebote flehenden deutschen Presse die Nachricht von der völligen Wie derherstellung des Kronprinzen verbreiten. Trotz äußerlich guten Aussehens litt der Kronprinz aber fortwährend an Heiserkeit und Neigung zu Erkältungen, und dies wurde immer bedenklicher, als er sich Anfang September von England, ohne Berlin zu berühren, nach Toblach in Tirol, von da 25. Seyt. nach Venedig, 7. Okt. nach Baveno am Lago Magaiore und endlich 3. Nov. nach Villa Zirio in San Remo begab. Aier wurde das Leiden des Kronprinzen bald so schlimm, daß auch Mackenzie die Zuziehung von Spezialisten empfahl. Prof. Schrötter aus Wien, Krause aus Berlin und Schmidt aus Frankfurt a. M. beteiligten sich 9. -11. Nov. an der Untersuchung des Kehlkopfes, bei welcher eine neue größere Wucherung unterhalb der Stimmbänder als Krebs festgestellt und eine Heilung nur durch Av^chn<^dung des Kehlkopies für möglich erklärt wurde. Dem Kronprinzen wurde der Sachverhalt von Schrötter mitgeteilt und die gefährliche Operation seiner Entscheidung anheimgegeben; er erklärte nach längerer Überlegung, daß sie nicht stattzufinden habe. Da jedoch zu befürchten stand, daß die Wucherung sich ausdehnen werde, und eine Erstickung nur durch den Luftröhrenschnitt zu verhindern war, so wurde, um diesen, wenn nötig, vorzunehmen, der Assistent Bergmanns, Vramann, von Berlin nach Tan Remo geschickt. Die Behandlung des Kronprinzen blieb aber in der Hand Mackenzies, der schließlich ganz in San Remo blieb, und seiner Assistenten Mac Howell und Krause. Obwohl Mackenzie das Vorhandensein des Krebses wieder leugnete und Vramann von dem Patienten fern hielt, so begannen doch im Januar 1888 die Erstickungsanfälle häufiger zu werden, weil das Krebsgeschwür sich immer weiter ausbreitete, und Bramann nahm daher 7. Febr. den Luftröhrenschnitt (Tracheotomie> vor, welcher trotz aller von Mackenzie bereiteten Schwierigkeiten glückte.
Der Kronprinz atmete fortan durch eine Kanüle; sprechen konnte cr nicht mehr, sondern sich nur schriftlich ausdrücken. Dennoch verbreitete Mackenzie hartnäckig die Lüge, der Kronprinz leide nur an einer Knorpelhautentzündung (Perichondritis), wie er später behauptete, weil, wenn er das Vorhandensein des Krebses zugestanden hätte, der Kronprinz von der Thronfolge ausgeschlossen worden wäre; allerdings war bekannt, daß der Kronprinz, wenn er sich nicht von Mackenzie hätte täuschen lassen, selbst auf die Thronbesteigung verzichtet hätte. Kaiser Wilhelm wünschte dringend die Übersiedelung des Kranken nach Berlin, die Mackenzie verhinderte, bis der alte Kaiser 9. März gestorben war. Trotz kalten Schneewetters fuhr nun Kaiser F., diesen Namen legte er sich als Herrscher bei, nach Charlottenburg, trat die Regierung an und erließ 12. März eine Proklamation an das Volk sowie einen schon früher von Geffcken (s. d., Bd. 17) verfaßten Erlaß an Bismarck, welcher seine Regierungsgrundsätze darlegte. Trotz seines sich immer verschlimmernden Leidens widmete er sich mit Aufwand aller Kräfte den Regierungsgeschäften, erließ eine Amnestie und verlieh zahlreiche Ordensauszeichnungen, Standes- und Rangerhöhungen und Beförderungen, übertrug indes 21. März die Erledigung eines T^ls der Geschäfte dem Kronprinzen Wildelm als Stellvertreter. Obwohl F. Bismarck unter allen Umständen als obersten Ratgeber beizubehalten erklärt hatte und ilm auf alle Weise auszeichnete, verursachten doch Wünsche in der kaiserlichen Familie sowie die Einmischung unberufener Persönlichkeiten, besonders von der freisinnigen Partei, welche den Kaiser als ihren Parteigenossen betrachtet wissen wollte.