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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Traumatische Neurose - Triesch
qelähmt sind, im T. jemand im Bette neben sich zu haben. Auch durch das Muskelgefühl wird der Inhalt des Traumes wesentlich beeinflußt; wir bewegen den Vorderarm, und sogleich entsteht die Traumvorstellung des Kampfes; wir ziehen das Bein an und glauben eine Treppe hinaufzusteigen. Was die Bewegungen im Schlafe anlangt, so hat Hans Virchow nachgewiesen, daß auch der anscheinend völlig ruhig daliegende Schläfer in der Regel gewisse Muskelbewegungen vornimmt und vermöge derselben seine Lage nn Schlafe allmählich verändert. Erregungen des Gehörssinnes, die auf Blutandrang nach der Paukenhöhle oder dem Labyrinth oder auf ähnlichen Ursachen beruhen, geben ebensowohl Veranlassung zur Entstehung von Träumen wie die normale Erregung des Gehörssinnes durch Töne oder Geräusche; auch die entoptischen Bilder, die entweder als einfache Nachklänge normaler Netzhautreizung oder als Wahrnehmungen von im Auge selbst befindlichen Objekten (Blutgefäße u. dgl.) aufzufassen sind, werden häufig zu Traumbildern umgesetzt. Neben den soeben erwähnten Formen von Träumen gibt es noch solche, bei denen dem Gehirn keinerlei Erregung von feiten der Sinnesorgane übermittelt nard, sondern wo die Traumuorstellung ausschließlich aus dem Vorhandensein von Erinnerungsbildern hervorgeht. In irgend einer Form muß dasjenige, was wir träumen, schon einmal Gegenstand unsers Denkens und Fühlens gewesen sein, oder es muß wenigstens in seinen Ansängen in unserm Bewußtsein geschlummert haben.
Jener oben erwähnte Ausfall der höhern geistigen Funktionen, der den T. kennzeichnet, ist auch charakteristisch für die Hypnose. Ebenso wie bestimmte Körperstellungen oder Bewegungen bei dem Schlafenden bestimmte Träume hervorrufen, ebenso gelingt es durch gewisse Stellungen, die man dem Körper oder einzelnen Körperteilen von hypnotisierten Individuen gibt, die Gedanken derselben in bestimmte Bahnen zu lenken. Bezüglich der Aufeinanderfolge der Vewußtseinszustänoe im T. haben die Beobachtungen als zweifellos ergeben, daß dieselbe eine außerordentlich schnelle ist, daß Träume, die anscheinend lange Zeiträume umfassen, in Wirklichkeit nur von sekunden-, höchstens minutenlanger Dauer sind.
Vgl. Scholz, Schlaf und T. (Leipz. 1889); Tissie, 1^63 i'6V68, i)1i.y3io1og'i6 et Mtliolu Z'ik (Par. 1890). Traumatische Neurose (Verletz nngsneurose). 9tach Unfällen und Verletzungen (Traumen) treten ofi Krantheitssymptome auf, welche sich vorzugsweise durch Alterationen im Bereiche des Nervensystems kennzeichnen und auch zu Geistesstörungen führen tonnen. Während man noch bis vor kurzein allgemein annahm, daß diesen Affektionen entweder gröbere Verletzungen des Gehirns oder Rückenmarks zu Grunde lägen oder Störungen der feinern, elementaren Struktur des Zentralnervensystems, stellten mehrere Nervenärzte unter Führung von Oppenheim und Strümpell die Theorie auf, daß die Grundlage dieser Erkrankungen nicht in pathologisch-anatomischen Veränderungen, sondern in funktionellen Störungen zu suchen sei, und daß für die Entstehung dieser nervösen und psychischen Alterationen das physische Trauma nur zum Teil verantwortlich zu machen sei, während das psychische Trauma: der Schreck, die Gemütserschütterung, die Hauptrolle spiele. Die Verletzung schaffe allerdings direkte Folgezustände, die aber in der Regel keine wesentliche Bedeutung gewinnen würden, wenn nicht die krankhaft alterierte Psyche in ihrer abnormen Reaktion auf diese körperlichen Beschwerden die dauernde Krank heit schüfe. Die nach Verletzungen auftretenden nervösen und psychischen Alterationen böten ein einheitliches Krankheitsbild, das der traumatischen Neurose, welches von Oppenheim folgendermaßen skizziert wird: Selten entwickelt sich in direktem Gefolge des Unfalls eine Psychose unter dem Bilde der hal'luzinatorischen Verrücktheit; meist bietet der Verunglückte zunächst gar keine Krankheitssymptome, er thut seine Arbeit weiter, springt sogar andern hilfreich bei. Die ersten Beschwerden sind gewöhnlich rein subjektiver Natur, es stellen sich die verschiedenartigsten Schmerzen ein, dazu Unruhe, Aufregung, Angst, Schreckhaftigkeit, und diese Anomalien steigern sich manchmal zu einer psychischen Alteration, die sich besonders durch hypochondrisch-melancholische Verstimmung, Angstzustände und abnorme Reizbarkeit kennzeichnet. Schlaflosigkeit, Zittern, Ohnmachtsanfälle und Lähmungserscheinungen treten hinzu.
Für eine besonders wichtige und verbreitete Teilerscheinung des Symptomenkomplexes erklärt Oppenheim die Sensibilitätsstörungen, welche sich besonders dadurch charakterisierten, daß sie niemals den: Ausbreitungsbezirk eines bestimmten sensibeln Nervs entsprechen, und dadurch, daß sie sich mit Anomalien der Sinnesempfindungen verbinden, und von diesen Anomalien sei die wichtigste und konstanteste die Einengung des Gesichtsfeldes. Endlich bestünde noch eine abnorme Irritabilität der Herzaktion. Gegen diese Aufstellung der traumatischen 'Reurose als einheitliche, scharf begrenzte Krankheit hat sich nun eine lebhafte Opposition entwickelt unter Führung von Schultze-Vonn u. a. Man nahm zunächst Anstoß daran, daß das Verhältnis zwischen der Schwere oder Leichtigkeit der vorangegangenen Verletzung und der nachfolgenden Neroenerkrankung so wenig Berücksichtigung findet. Man fragte ferner, woher es käme, daßmanchmal nach leichten Verletzungen schwere Erkrankungen entstehen, und weshalb manche Leute nach Verletzungen schwere Nervenerkrankungen bekämen und andre nicht. Endlich bestritt man lebhaft die Konstanz der angegebenen Symptome, besonders der Gesicht^feldeinschränkung, und man erklärte, daß, da in den leichtern Fällen alle Symptome nur subjektiver Natur seien, durch Aufstellung dieses Krankheitsbildes der Simulation Thür und Thor geöffnet würde.
Die verschiedenen Anschauungen führten zu sehr lebhafter Diskussion bei Gelegenheit des internationalen Ärztekongresses zu Berlin im I. 1890. Die Mehrzahl der Autoren ist jetzt der Ansicht, daß es verschiedenartige Psychosen und Neurosen gibt, welche durch ein Trauma zu stände gebracht werden können, das; es aber keine einheitliche, scharf begrenzte Krankheits^ form gebe, welche man die t. N. nennen könnte, und daß es daher besser sei, den Begriff der traumatischen Neurose fallen zu lassen und zu den alten Bezeichnungen zurückzukehren und je nach dem Hauptzug im Krankheitsvilde wiefrüher von einem organischen, traumatischen Nervenleiden, einer (^omino^io eersdi'c>8MilUi8, traumatischen Psychose, traumatischen Hysterie, Neurasthenie, Hypochondrie 2c. zu sprechen.
" Tricsch, Friedrich Gustav, Lustspieldichter, gev.
16. Juni 18^5 zu Wien, besuchte die Wiener Kunstakademie, um Bildhauer zu werden, wurde dann Kaufmann, widmete sich aber nach seinem erstell Bühnenerfolg ausschließlich der Litteratur. Schon 1865 trat er mit dem Lustspiel »Amalie Welden« vor das Publikum; bei der Preisausschreibung des Burgtheaters 1868 wurde sein Lustspiel »Im 19. Jahrhundert zur Aufführung empfohlen. Mit den Lust! spielen »Die Wochenchromk« und »Höhere Gesichts-