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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Augsburgische Konfession

tigen Punkten seine eigentümliche Lehrauffassung hervorhob. Auf Grund dieser Vorarbeiten, zu denen auch noch einige andere Aufsätze (namentlich das Stück B bei Förstemann «über Glauben und Werke») gekommen sein müssen, wurde Melanchthon mit Ausarbeitung der verlangten Schrift beauftragt. Er begann damit schon auf der Reise und fuhr mit Verbesserungen und Umarbeitungen zu Augsburg fort, zumal das längere Ausbleiben des Kaisers (bis 20. Juni) ihm Zeit dazu gab. Die Schrift, ursprünglich nur im Namen und Auftrage des Kurfürsten verfaßt, sollte auf Wunsch der übrigen Stände als gemeinsames Bekenntnis überreicht werden. Seitdem ward sie nicht mehr «Apologie», «Sächsischer Vorschlag», «Sächsischer Unterricht» oder «Sächsischer Ratschlag», sondern allgemein «Konfession» genannt, und an der letzten Feststellung des Textes beteiligten sich auch die andern evang. Stände. Dann wurde der Text an Luther, der wegen der Reichsacht in Coburg zurückgeblieben war, geschickt. Der Text wurde zugleich deutsch und lateinisch ausgearbeitet. Die Konfession war nicht das Sondersymbol einer bereits getrennten Kirchengemeinschaft, sondern ein Friedensvorschlag an die Gegner, die evangelischerseits dargebotene Grundlage der Verständigung. Daher wird das Gemeinsame mit den Gegnern stark hervorgehoben, die Differenz namentlich in der Lehre auf die Stücke beschränkt, worin man durchaus nicht nachgeben konnte, und auch hier mit größter Schonung und Milde ausgesprochen. Der erste Teil der Schrift enthält daher folgende 21 Artikel des Glaubens und der Lehre: 1) von Gott, 2) von der Erbsünde, 3) vom Sohne Gottes, 4) von der Rechtfertigung, 5) vom Predigtamte, 6) vom neuen Gehorsam, 7) von der Kirche, 8) was die Kirche sei? 9) von der Taufe, 10) vom Abendmahl, 11) von der Beichte, 12) von der Buße, 13) vom Gebrauche der Sakramente, 14) vom Kirchenregiment, 15) von der Kirchenordnung, 16) von Polizei und weltlichem Regiment, 17) von Christi Wiederkunft zum Gericht, 18) vom freien Willen, 19) von der Ursache der Sünde, 20) vom Glauben und von guten Werken, 21) von dem Dienste der Heiligen. Diese Abschnitte (mit Ausnahme der beiden letzten) sind möglichst kurz behandelt, der zweite Teil ausführlicher. Er enthalt sieben «Artikel, von welchen Zwiespalt ist, da erzählt werden die Mißbräuche, so geändert seynd», nämlich: 22) von beider Gestalt des Sakraments, 23) vom Ehestande der Priester, 24) von der Messe, 25) von der Beichte, 26) vom Unterschiede der Speise, 27) von Klostergelübden, 28) von der Bischöfe Gewalt.

Dieses Bekenntnis wurde unterschrieben von Johann, Kurfürst zu Sachsen, Georg, Markgraf zu Brandenburg, Ernst, Herzog zu Lüneburg, Philipp, Landgraf zu Hessen, Wolfgang, Fürst zu Anhalt, von den Reichsstädten Nürnberg, Reutlingen, Kempten, Windsheim, Heilbronn, Weißenburg, wahrscheinlich auch von Johann Friedrich, Kurprinz zu Sachsen, und Franz, Herzog von Lüneburg. Sonnabend, 25. Juni 1530, nachmittags 4 Uhr, wurde nach einer einleitenden lat. Rede des sächs. Kanzlers Brück das deutsche Exemplar der Konfession von dem sächs. Kanzler Bayer verlesen. Der Kaiser erließ den Katholiken, da sie ja treu beim Alten geblieben, die Vorlegung eines Bekenntnisses, ließ sich von den Evangelischen beide Exemplare der Konfession übergeben und versprach, nach reiflicher Erwägung ihnen seinen Entschluß mitzuteilen. Des kaiserl. Verbots ungeachtet und ohne Vorwissen der evang. Stände erschien noch während des Reichstags die Augsburger Konfession gedruckt, und noch 1530 folgten sich sieben Ausgaben (sechs deutsche und eine lateinische). Um Fälschungen und Ungenauigkeiten entgegenzutreten, nahm Melanchthon jetzt die Ausgabe selbst in die Hand, und schon 1530 erschien von ihm in Wittenberg die sog. editio principes in deutscher und lat. Redaktion (die nicht Original und Übersetzung, sondern zwei selbständige Bearbeitungen sind). In den folgenden Jahren erschien eine Ausgabe nach der andern, und in jeder brachte Melanchthon Änderungen an; dogmatisch bedeutsame enthält erst die lat. Ausgabe von 1540 (Confessio variata), in Art. 4, 5, 6, 18, 20, 21, vor allem aber im Art. 10 vom Abendmahle, wo er im Interesse der Versöhnung eine die Luthersche und Calvinsche Ansicht vereinigende Formel aufstellte. Diese «erklärte, in etwas gemehrte» Konfession ist von Luther stillschweigend gebilligt, von den evang. Theologen und Reichsständen aber als authentische Auslegung der Konfession vom J. 1530 wiederholt ausdrücklich anerkannt und mit kirchlichem Ansehen bekleidet worden. Erst seit dem Religionsgespräche zu Weimar, 1560, wo Flacius die Veränderungen als ebensoviel Verfälschungen der reinen luth. Lehre brandmarkte, begann ein Kampf der luth. Orthodoxie gegen die «veränderte» (variata) Augsburger Konfession, der zum Teil unter den maßlosesten Schmähungen gegen Melanchthon bis gegen die Mitte des 18. Jahrh, fortgeführt wurde. Die wörtliche Feststellung des ursprünglichen Textes ist überhaupt nicht mehr möglich, da beide zu Augsburg übergebenen Originale der Augsburger Konfession verloren gegangen sind. Von den in die Sammlungen der Symbolischen Bücher aufgenommenen Texten steht der lateinische der Urgestalt nahe; hinsichtlich des deutschen gilt der von Tittmann (Dresd. 1830) nach der Ausgabe Melanchthons herausgegebene Text als der vergleichungsweise authentische.

Seit den Zeiten der Konkordienformel (s. d.) hat sich die luth. Kirche stets zu der «ungeänderten» Augsburger Konfession gehalten, nachdem sie auch auf Grund dieser Bekenntnisschrift durch den Religionsfrieden (s. d.) zu Augsburg 1555 zur staatsrechtlichen Anerkennung gelangt war. Dagegen blieb das Verhältnis der Reformierten zur Augsburger Konfession von jeher streitig. Sie selbst haben sich meist unbedenklich, obgleich nicht ausschließlich, zur Augsburger Konfession bekannt, sogar zur «ungeänderten», wie bei Abschluß der Wittenberger Konkordie (1536, auch in der Schweiz anerkannt 1538). Calvin unterschrieb die «erklärte» Augsburger Konfession 1541 auf dem Religionsgespräche zu Regensburg, 1557 Farel und Beza auf dem Kolloquium zu Worms. Der zur reform. Kirche übergetretene Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz unterschrieb 1561 die ungeänderte Augsburger Konfession, wurde auch von den evang. Ständen, dem Kaiser Maximilian II. gegenüber, als Augsburgischer Konfessionsverwandter auf dem Reichstage zu Augsburg 1566 verteidigt. Als 1614 Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg, zur reform. Kirche übertrat, erklärte er sich ausdrücklich für die Augsburger Konfession, und ebenso 1645 die Reformierten in Polen auf dem Religionsgespräche zu Thorn, unter ausdrücklicher Nichtigkeitserklärung eines Unterschieds zwischen einer veränderten und unveränderten Augsburger Konfession. Auf Grund dieser