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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Camerarius – Cameron

Camerarĭus (eigentlich Liebhard; C. latinisiert aus Kammermeister, Kämmerer), Joachim, Humanist, geb. 12. April 1500 zu Bamberg, studierte seit 1513 in Leipzig die alten Sprachen, schloß sich 1518 in Erfurt an Eoban Hesse an, lehrte dort die griech. Sprache und erwarb sich 1521 in Wittenberg Melanchthons Freundschaft, der er 1526 einen Ruf als Lehrer des Griechischen ans Gymnasium zu Nürnberg verdankte. 1535 rief ihn der Herzog von Württemberg zur Neuordnung der Universität nach Tübingen; 1541 luden ihn die Herzöge Heinrich und Moritz von Sachsen zum gleichen Zwecke nach Leipzig, dessen Hochschule durch C. bald zur ersten Deutschlands wurde. Hier starb er 17. April 1574. C. war an kritischer Schärfe wohl der tüchtigste Philologe der Zeit. Die Zahl seiner Schriften, Ausgaben (namentlich Plautus), Übersetzungen ist unabsehbar. Mehr als seine histor. Arbeiten (z. B. über den Schmalkaldischen Krieg) interessieren noch heute seine Biographien Eoban Hesses (1553) und vor allem Melanchthons (1556; neue Ausg. von Strobel, Halle 1777). Als lat. Dichter pflegte er hauptsächlich die äsopische Fabel. Überaus thätig war er als theol. und pädagogischer Schriftsteller und als Verfasser grammatischer Handbücher. Casaubon nannte ihn die Zierde Deutschlands. C.' «Epistolae familiares» (2 Bde., Frankf. 1583–95) bieten wertvolle Beiträge zur Zeitgeschichte.

Camerarĭus, Rud. Jak., Arzt und Botaniker, geb. 12. Febr. 1665 in Tübingen, wo er 1687 Professor der Medizin und Botanik sowie Direktor des Botanischen Gartens wurde und 11. Sept. 1721 starb. C. hat sich namentlich um die Pflanzenphysiologie verdient gemacht und die Sexualität der Pflanzen zuerst mit Bestimmtheit nachgewiesen in «De sexu plantarum epistola» (Tüb. 1694).

Camĕra stellāta, s. Sternkammer.

Cameriēre (ital.), Kammerdiener, Kellner; Cameriēra, Kammermädchen, Zofe.

Camĕrik, s. Cambrai.

Camerīno, Hauptstadt des Kreises C. (47298 E.) der ital. Provinz Macerata, 36 km im SW. von Macerata, zwischen dem Chienti und der Potenza, in 346 m Höhe, Sitz eines Erzbischofs und der kleinsten, 1727 gestifteten Universität Italiens, mit zwei Fakultäten (Jurisprudenz und Medizin), einer pharmaceutischen und Veterinärschule, hat (1881) 5459, als Gemeinde 11761 E., Post, Telegraph, einen erzbischöfl. Palast, eine 1832 erbaute Kathedrale, Palazzo ducale, Palazzo nuovo mit großem Hof, eine 1503 von Cesare Borgia errichtete Rocca und eine Bronzestatue des Papstes Sixtus V. von 1587; Landwirtschaft und Seidenindustrie. – C., das alte Camerinum, eine wichtige Stadt Umbriens, wurde 252 Bistum, bildete im Mittelalter eine Mark des Herzogtums Spoleto, bis es um die Mitte des 13. Jahrh. an die Varani kam, von denen Giovanni Maria 1520 von Leo X. den Titel eines Herzogs von C. erhielt; 1539 kam C. an Ottavio Farnese und, als dieser Herzog von Parma geworden war, an die päpstl. Kammer; 1860 wurde es von Piemont annektiert. C. ist der Geburtsort des Malers Carlo Maratta.

Camerlengo (ital., «Schatzkämmerer»), am päpstl. Hof der Kardinal, der den Schatz verwaltet, zur Zeit des Bestehens des Kirchenstaates auch richterliche Befugnisse hatte und während einer Vakanz des päpstl. Stuhls die Geschäfte leitet. In der Terra ferma Venedigs überwachten sie das ↔ Finanzwesen der einzelnen Städte und lieferten die Jahresüberschüsse an die Republik ab. In der Republik Florenz nahmen sie als Finanzbeamte eine wichtige Stellung ein.

Cameron (spr. kämmĕr'n), Charles Duncan, engl. Offizier und Konsul in Abessinien, nahm 1846–47 an den Kriegen gegen die Kaffern, 1853–55 am Orientkriege in der Krim teil und wurde 1860 Konsul für Massaua und Abessinien. Durch verschiedene Vorkommnisse gereizt, ließ König Theodor II. ihn in Ketten legen und hielt ihn nebst andern Europäern vom Jan. 1864 bis Febr. 1866 und wieder vom April 1866 bis April 1868 meist auf der Festung Magdala gefangen. Zu ihrer Befreiung sandten die Engländer eine große Expedition nach Abessinien. Magdala wurde 13. April 1868 erstürmt und C. mit seinen Leidensgefährten befreit. Er ging nach England, dann nach Genf, wo er 30. Mai 1870 starb.

Cameron (spr. kämmĕr'n), Simon, nordamerik. Politiker, geb. 8. März 1799 im County Lancaster in Pennsylvanien, wurde Buchdrucker und 1820 Herausgeber einer Zeitung in Doylestown, zog 1820 nach der Staatshauptstadt Harrisburg, wo er Präsident einer Bank und zweier Eisenbahnen wurde. 1845 von den Demokraten in den Senat der Vereinigten Staaten gewählt, gehörte er diesem bis 1849 an. 1854 schloß sich C. der republikanischen Partei an und wurde von dieser 1859 wieder als Senator durchgesetzt. Auf dem Parteikonvent, der 1860 in Chicago stattfand, trat er als Präsidentschaftskandidat zu Gunsten von Lincoln zurück, der ihn 4. März 1861 zum Kriegsminister ernannte. C. zeigte sich aber dieser Stellung nicht gewachsen und ging 1862 als Gesandter nach Rußland, wo er bis Ende des Jahres blieb. Von 1867 bis 1877 gehörte er dem Senat wieder an und ward 1872 Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten. Ohne sich als Redner oder Staatsmann besonders hervorgethan zu haben, besaß C. einen großen geheimen Einfluß, und obgleich er seit 1877 vom polit. Schauplatz abtrat, beherrschte er doch durch seinen Sohn James Donald, den er zu seinem Nachfolger als Senator zu machen wußte, die Partei seines Staates. Er starb 26. Juni 1889 in Neuyork. – Vgl. W. J. Young, Sketch of the life and public services of C. (Philad. 1853).

Cameron (spr. kämmĕr'n), Verney Lovett, engl. Afrikareisender, geb. 1. Juli 1844 zu Radipole (Dorsetshire), wurde 1857 Marinekadett, 1876 Commandeur und 1872 Chef einer Expedition, die von der Londoner Geographischen Gesellschaft ausgerüstet war, um Livingstone zu Hilfe zu kommen. C. trat in Begleitung von Lieutenant Murphy, Moffat und Dr. Dillon 24. März 1873 die Reise ins Innere von Bagamojo aus an, erreichte im August Unjanjembe und begegnete hier der Leiche Livingstones, die von dessen Dienern nach der Küste gebracht wurde. Während Murphy den Leichenkondukt nach Sansibar führte, Moffat starb und Dillon wegen Krankheit sich 17. Nov. erschoß, setzte C. die Reise fort, um Livingstones Forschungen zu ergänzen, gelangte 21. Febr. 1874 nach Ujiji am Tanganikasee, umfuhr letztern 13. März bis 9. Mai in dem von Ujiji südwärts gelegenen Teil und entdeckte dabei 3. Mai den Ausfluß des Sees, den zum Lualaba fließenden Lukuga. Am 18. Mai brach er nach Westen auf, um den Lualaba abwärts bis zum Kongo zu verfolgen, sah sich in Njangwe aber genötigt, den Fluß zu ver-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 873.

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