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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutsche Kunst

gefielen. Im Norden war es vor allem Andreas Schlüter, der im Großen Kurfürsten zu Berlin (s. Taf. V, Fig. 1; s. auch Taf. IV, Fig. 6, eine seiner berühmten Masken sterbender Krieger) ein Meisterwerk ersten Ranges schuf, ferner Grupello in Düsseldorf und andere von den Niederländern beeinflußte Meister, denen sich in Österreich Raphael Donner (s. Taf. V, Fig. 4), in Franken P. Wagner (s. Taf. IV, Fig. 9) und zahlreiche andere anschlossen. Früh zeigte sich aber eine Hinneigung zum manieriertern Vortrag, der namentlich durch franz. Künstler beliebt gemacht wurde. Unter dem Einfluß dieser wendete sich auch die Bildnerei dem Klassicismus zu. Doch erhielt sich zunächst noch eine stark realistische Beimischung; Alexander Trippel in Weimar, Dannecker in Stuttgart (s. Taf. V, Fig. 7), Joh. Gottfr. Schadow und Tassaert in Berlin zeigen diese Eigentümlichkeit, die sich in Rauch (s. Taf. IV, Fig. 10 und Tafel: Friedrich der Große, beim Artikel Friedrich II., König von Preußen) und seinen Berliner Genossen (Tieck, Drake, Schievelbein, Bläser, Kiß, Wolff) noch zu einer Zeit lebensfähig erhielt, in welcher sonst das individuelle Leben sich unter der Nachahmung der Antike verflüchtigte. Im wesentlichen sind die großen Bildsäulen, welche nach den Freiheitskriegen errichtet wurden, die am besten geglückten Werke dieser Schule, neben ihnen die Tierbilder, während die Neubelebungen antiker Gedanken meist nur für die Zeit selbst Anreiz boten. Neben der Berliner Schule kam durch Rietschel (s. Taf. V, Fig. 6) und Hähnel (s. Taf. V, Fig. 5) die Dresdener zu bedeutendem Einfluß namentlich durch ihre tief erfaßten Bildwerke; in gleicher Richtung und mit gleichem künstlerischen Erfolge arbeitend, suchte sie schon mit der folgenden Künstlergeneration (Wittig, Donndorf, Kietz, Henze, Kundmann und zahlreiche andere) entschieden den Weg zum Realismus einzuschlagen. Nur noch in Schilling treibt der alte klassicistische Geist Blüten. Auch eine romantische Schule bildete sich in der Bildnerei, an deren Spitze der formengewandte, aber oberflächliche Schwanthaler stand, dem sich Fernkorn, Gasser und Zumbusch in Wien anschlossen. Die neuere Zeit hat der Bildnerei durch den Hinweis auf die Renaissance und durch einen über die antike Formensprache hinausgehenden Realismus eine veränderte Richtung gegeben. An ihrer Spitze steht Reinhold Begas (s. Taf. V, Fig. 2) in Berlin, neben dem Siemering, Schaper (s. Tafel: Goethe), Encke, Hundrieser, Brütt (s. Taf. V, Fig. 3), Toberentz u. a. wirken. Verwandt sind ihnen Zumbusch, Tilgner, Weyr in Wien; Weymüller, Rümann, Knoll in München; Dietz in Dresden; Volz in Karlsruhe. Eine ganz eigene Stellung nimmt Hildebrand in Florenz ein, den unmittelbare Naturbeobachtung zur Schaffung eines individuellen Stiles befähigte. - Vgl. namentlich Geschichte der D. K.: Bode, Plastik (Berl. 1885); Lübke, Geschichte der Plastik (3. Aufl., Lpz. 1880); Ebe, Spätrenaissance. Kunstgeschichte der europ. Länder von der Mitte des 16. bis zum Ende des 18. Jahrh. (2 Bde., Berl. 1886).

III. Malerei. Soweit nicht die Malerei in Miniaturen (s. d.) besteht, haben sich aus der ältesten Zeit der D. K. nur wenige ihrer einst gewiß nicht unbedeutenden Reste erhalten. Als die frühesten (um das J. 1000) dürften die zu Oberzell auf der Reichenau gelten. Erst seitdem erscheinen Reste romanischer Malereien, deren es einst gewiß eine große Fülle gab, in größerer Anzahl (in Schwarzrheinsdorf, Brauweiler, St. Gereon zu Köln, in den Domen zu Soest, Münster, Gurk, Braunschweig, St. Michael zu Hildesheim, Klein-Komburg u. a. m.). In diesen bis in das 12. Jahrh. hinaufreichenden Werken offenbart sich eine der Bildnerei entsprechende Größe der Auffassung, ein feierlicher Ernst, aber auch eine hohe Schönheit der Linienführung, die nur gegen das Ende der Zeit zu einer übertriebenen Grazie und Biegsamkeit der Gestalten und Ausdruck der Bewegungen neigt. Im 13. Jahrh. erschienen dann auch die ersten erhaltenen Zeichen einer Tafelmalerei (Soest, Münster), welche parallel geht mit der Glasmalerei (s. d.), die in Augsburg ihre ältesten, noch dem 12. Jahrh. zugewiesenen Beispiele zeigt und sich zunächst auch neben ornamentalen in bildmäßig umrahmten Kompositionen äußert. Während des 13. Jahrh. ist dagegen ein Rückgang der Wandmalerei zu bemerken. Noch erhielten sich in Ramersdorf (bei Bonn), in Brauweiler, Basel, im Dom zu Köln Bildcyklen, aber das System des got. Stiles mit seiner völligen Auflösung der Wandflächen in tragende und stützende Glieder verhinderte ihre weitere Entwicklung. Jedoch findet sich die Darstellung des Totentanzes (s. d.), des Tristanliedes (in Runkelstein) und anderer mehr weltlicher Gegenstände in Bildercyklen öfter wieder. Mit der Kunstentfaltung in Prag (Mitte des 14. Jahrh.) treten zuerst die einzelnen Maler (Nikolaus Wurmser, Theoderich von Prag, Thomas von Mutina) individueller hervor, und es beginnt zugleich die got. Tafelmalerei, die, wie die Bildnerei, in Nürnberg ihre Hauptvertretung hatte (Imhofscher Altar, Hochaltar der Frauenkirche u. a.), in Köln aber nach dem Auftreten des einst berühmten, jetzt nicht mehr zu beurteilenden Meisters Wilhelm von Herle (1370) ihre Vollendung in dem Hauptwerk des Meisters Stephan Lochner, dem Kölner Dombilde (um 1450), erhielt. Eine in ihren einzelnen Personen, nicht nach deren meist unbekannt gebliebenen Namen, wohl aber nach deren scharf hervortretender Eigenart sich sondernde Schule schließt sich diesen beiden Hauptmeistern an.

Eine neue Richtung entwickelte sich zunächst unter dem Einflusse der unter den Brüdern van Eyck glänzend hervorgetretenen flandr. Malerei. Dies gilt besonders von den niederdeutschen Schulen zu Calcar (zweite Hälfte des 15. Jahrh.), zu Köln und in Westfalen. Freier halten sich die oberdeutschen Schulen, deren Meister weniger auf den flandr. Realismus, auf die miniaturartige Vollendung der Nebendinge ausgehen, auch die Landschaft und die architektonischen Hintergründe nicht eben pflegen, dafür aber die sittlichen und gemütlichen Beziehungen reiner und klarer aussprechen, mehr Entschiedenheit des Ausdrucks haben. Diese Schulen waren die zu Ulm (Hans Schülein und Barth. Zeitblom; s. Taf. VI, Fig. 7), zu Colmar (Martin Schongauer; s. Taf. VI, Fig. 1), zu Augsburg, beginnend mit Holbein, dem Vater (s. Taf. VI, Fig. 5), die fränk. Schule, die in Michel Wohlgemuth einen vielbeschäftigten Meister hat und ihre Spitze in Albrecht Dürer (s. Taf. VI, Fig. 3; ferner die Tafel: Christus am Kreuz, beim Artikel Dürer) findet. Neben diesem ist Hans Holbein der Jüngere (s. die Tafel: Madonna und die Textfiguren beim Artikel Holbein) als der größte deutsche Maler zu nennen. Zu Dürers und Holbeins bedeutendsten Zeitgenossen gehören Hans Burgkmair, Hans von Kulmbach, Hans Scheufelein, die beiden Beham (s. Taf. VI, Fig. 6), Glockenton, Altdorfer (s. Taf. VI, Fig. 8), Matth. Grünewald,