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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Industrie und Gewerbe)

Form von Achat, Amethyst, Chalcedon, Karneol, auch von Onyx und Jaspis, die sich in mehr oder minder brauchbarer Beschaffenheit in allen Gebirgen, besonders reich bei Oberstein und Idar an der Nahe finden und dort zu der blühenden Industrie der Obersteiner und Birkenfelder Halbedelsteine Veranlassung gegeben haben. Diese Lager sind indessen schon stark ausgebeutet, und der Bedarf muß durch ausländisches Material (vorzugsweise aus Südamerika) mit gedeckt werden. Dagegen ist für den Bernstein die deutsche Ostseeküste namentlich von Danzig bis Memel die Hauptfundstätte. - Die stellenweise recht ausgedehnten Ablagerungen von Thon und Lehm in der großen deutschen Tiefebene bilden je nach ihrer Beschaffenheit das Material für den Ziegel- und Backstein wie für Thonwaren aller Art von den einfachen Drainröhren bis zum Töpfergeschirr und dem besten Porzellan. In Süd- und Mitteldeutschland dagegen bildet noch heute der Backsteinbau, wenn auch im Zunehmen begriffen, die Ausnahme, der Hausbau aus natürlichen (sog. gewachsenen) Steinen die Regel. Im Norden herrscht der Ziegelbau vor, und selbst berühmte große Bauwerke, z. B. die Marienburg der Deutschen Ritter, sind seiner Zeit nur aus Backsteinen aufgeführt worden. Von den etwa 26000 Ziegeleien findet sich deshalb die größere Zahl im Norden und zwar in den am tiefsten gelegenen Niederungen der laufenden Gewässer. Besonders fabrikmäßig entwickelt seit Einführung des Ringofenbetriebes ist die Ziegelbrennerei im Umkreise von Berlin.

Kalkbrennereien waren 1882 über 5000 vorhanden, doch wird im Laufe der letzten 10 Jahre deren Zahl erheblich geringer und trotzdem die Produktion gesteigert worden sein. Die großen Anlagen haben ihren Betrieb erweitert, die kleinen sind eingegangen. Erheblich gewachsen ist die Fabrikation von Cement, von dem Deutschland vor 20-25 Jahren seinen Bedarf noch nicht selbst deckte, während heute die Einfuhr sehr gefallen, die Ausfuhr stetig gewachsen ist. Früher waren Pommern, Oberschlesien, Rheinpfalz, die Gegend der mittlern Weser, das nördl. Baden und die Pfalz die Bezirke der Cementgewinnung. Ihre hervorragende Stellung haben sie indes durch die Anlage neuer Cementfabriken in allen Teilen des Reichs verloren. Die Ausfuhr von Cement, Traß und Tuff betrug 1880: 211464 t = 10,57 Mill. M., 1893: 423960 t = 10,85 Mill. M.

Die Herstellung von Thon- und Porzellanwaren ist gleichfalls durch das ganze Land zerstreut, doch sind gewisse Specialitäten auf einzelne Orte oder Bezirke von alters her beschränkt geblieben, so das Thon- und Töpfergeschirr in Bunzlau, Großalmerode (Reg.-Bez. Cassel), Ransbach im Westerwald (Koblenzer Kannenbäckerei), das Steingut, Wedgwood, Fayence im Königreich Sachsen, in Schlesien (Waldenburg), Rheinland (Mettlach), Württemberg, Baden, Brandenburg, Hannover, die Drainröhren in der Umgegend von Bitterfeld, in Schlesien, Sachsen, Rheinland, Pfalz, die Ofenkacheln in Brandenburg und Berlin, die Thonpfeifen in Uslar und Ransbach, das Porzellan in Meißen, Berlin, Dresden, Waldenburg i. Schles., Mettlach, Nymphenburg, Bamberg, Freiburg i. Baden, die Porzellanmalerei in Dresden, Berlin, Bamberg. Für alle Artikel der Thonwaren wäre noch Thüringen zu nennen, wo die Herstellung von billigen Porzellansachen (Nippsachen, Figuren, Statuen, Hausgeräte) in vielen Fabriken betrieben wird. Die Ausfuhr in Thon- und Porzellanwaren übertrifft die Einfuhr wesentlich, in Steinwaren, zumal insoweit nicht oder nur gering bearbeitetes Material in Frage kommt, überwiegt dagegen die Einfuhr. Die deutsche Statistik erschwert die getrennte Aufführung insofern, als z. B. gebrannte Steine und Dachziegel (technisch richtig) unter Thonwaren aufgeführt werden. Es betrug 1893:

Gegenstände Einfuhr t Wert in 1000 M. Ausfuhr t Wert in 1000 M.

Steine und Steinwaren 803384 38505 524715 22913

Thon- und Porzellanwaren 136831 5772 265461 37831

Die etwa 360 Glashütten beschäftigen ungefähr 40000 Arbeiter. Hauptsitze der Fabrikation sind für Tafelglas Rheinland, Westfalen und Schlesien; für grünes Hohlglas Königreich Sachsen, Saarbrücken, Bayern, Hannover, Brandenburg, Lausitz; für weißes Hohlglas Rheinland, Bayern (Bayrischer Wald längs der böhm. Grenze), Hannover, die Lausitz; für Spiegelglas Stolberg b. Aachen, Baden, Bayern; für feinere, geschliffene und gemusterte Glaswaren Schlesien, Bayern und Königreich Sachsen. Zur Zeit übertrifft zwar noch Österreich (Böhmen zeichnet sich besonders durch seine Glasindustrie aus) die deutsche Glasfabrikation in der Herstellung der feinsten farbigen und geschliffenen Gläser, Belgien und England in Spiegelglas und den ganz teuern geschliffenen Gläsern; in allen andern Glassorten jedoch und zwar in den gangbarern Massenartikeln erobern sich deutsche Erzeugnisse auch hierin mit jedem Jahre weitern Absatz. Die Einfuhr von Glaswaren aller Art betrug 1880: 6,6, 1893: 8,2 Mill. M.; die Ausfuhr 25,8 und 37,8 Mill. M.

Textil- und Bekleidungsindustrie. 1882 waren 406574 Betriebe mit 913204 beschäftigten Personen vorhanden. 1893 belief sich die Einfuhr auf 402, die Ausfuhr auf 811 Mill. M., ein deutlicher Beweis, welche große Bedeutung für die deutsche Gewerbthätigkeit wie für die Ausfuhr Spinnerei, Weberei, Bleicherei, Appretur u. s. w. besitzen. Am ältesten ist wohl die Leinenweberei. Das Spinnen des Flachses als Beschäftigung der landwirtschaftlichen Arbeiter im Winter besteht wohl hier und da noch, hat aber sehr nachgelassen, seitdem die Spinnmaschine die geübteste menschliche Hand überbietet. Handgespinst ist deshalb immer seltener geworden und wird im nächsten Jahrhundert wohl kaum noch vorkommen. Die Flachsspinnerei beschäftigt gegenwärtig 340000 Spindeln, kann jedoch den einheimischen Bedarf nicht decken, vielmehr werden noch erhebliche Mengen Leinengarn aus England, Belgien und Österreich eingeführt. 1880 betrug die Einfuhr von Leinen- und Jutegarn, von Nähgarn und Zwirn 11144 t = 17,4 Mill. M., 1893: 16800 t = 25,2 Mill. M. Hauptsitz der Leinenweberei ist das schles. Gebirge längs der böhm. Grenze, von wo sie nach der sächs. Lausitz übertritt. Namentlich in Zittau und Umgebung werden vorzugsweise feinere Gewebe, darunter auch die vielgesuchten Damaste hergestellt. Sehr bedeutend für die Anfertigung von Leinwand ist ferner Bielefeld mit Umgebung bis in die Gegend von Osnabrück und nach der Lippe zu. Hier wie in einzelnen Bezirken von