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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Doppelwährung
den, wobei eben der innere Wert entscheidend ist,
während es umgekehrt gewinnbringend ist, das im
Münzgesetz zu hoch veranschlagte Metall herbeizu-
schaffen und aus demselben Münzen ausprägen zu
lassen. Das unterschätzte Metall vermindert sich
also, das überschätzte nimmt zu und wird allmählich
alleinige Währung, wie es denn in der That sehr
naheliegend ist, daß, wenn einer Zahlungspflicht
mit einem gewissen Gewicht Goldes und einen: ge-
wissen Gewicht Silbers genügt werden kann, eben
ausschließlich jenes gewählt wird, welches das min-
derwertige ist. Steigt also beispielsweise das Gold
über den im Münzgesetz ausgesprochenen Silber-
preis , so werden Goldmünzen seltener und können
sich überhaupt nur im Verkehr erhalten, wenn für
sie ein Agio gewährt wird; dann tritt aber die Not-
wendigkeit ein, sich mit diefer Thatsache, also mit
der EntWährung des Goldes zu befreunden oder
eine Änderung im Münzwesen vorzunehmen, d. h.
die Goldmünzen dem neuen Wertverhältnis entspre-
chend leichter auszuprägen.
Ahnliche Vorkommnisse sind wiederholt eingetre-
ten. So hatte das franz. Münzgesetz vom 1.1803
die D. nach dem Wertverhältnis von 1:15^ an-
genommen. Von 1820 an hob sich der Silbcrpreis
des Goldes im Handel etwas über den gesetzlichen,
das unterschätzte Gold stoß ab, es herrschte Silber-
cirkulation und Gold genoß ein Agio. Ein Um-
schwung trat insolge einer Verschiebung des Wcrt-
verhältnisses der edlen Metalle durch die kalisorn.
und auftrat. Goldausbeute ein, was in den Ländern
des franz. Münzwesens von 1850 bis 1865 eine
zunehmende Ersetzung der Silber- durch Goldmün-
zen bewirkte. Der eintretende Mangel an Silbcr-
münzen führte zunächst zur fog. Lateinischen Münz-
tonvention (s. d.) vom 22. Dez. 1865 zwischen Frank-
reich, Belgien, der Schweiz und Italien. 1868 trat
auch Griechenland bei. Das Sinken des Silber-
prcises und die vermehrten Ausprägungen der (un-
bequemen) Fünffranksstücke veranlaßten jedoch seit
1874 Vereinbarungen behufs Beschränkung dieser
Ausprägungen und 1877 wurde die Silbercourant-
prägung gänzlich eingestellt.
Die Mißlichkeiten solcher Schwankungen im Geld-
wesen sind nicht zu verkennen, und um den Gefahren
m begegnen, die sich aus der D. wiederholt ergeben
haben, denkt die neuere bimetallistische Lehre vor-
züglich an einen internationalen Währungs-
vertrag. Gerade die Erfahrungen beim franz.
Münzwesen lenkten auf diese Idee. Denn da man
in Frankreich sowohl Gold und Silber ausprägen,
wie auch Gold- und Silbermünzen zum Nennwerte
erhalten und einschmelzen konnte, so war es dort
immer möglich, 1 K3 Gold gegen 15^ 1l3 Silber
umzutauschen und umgekehrt, und wirkte diese Mög-
lichkeit den Schwankungen in: Wertverhältnisse ent-
gegen. Dies ging aber nur so lange, als es der
sranz. Münzvorrat gestattete; dieser war aber natur-
gemäß im Verhältnis zum Weltverkehr ein be-
schränkter und ermöglichte jene Operation nicht auf
die Dauer. Wenn aber alle Kulturstaaten die D.
einführen und Gold und Silber frei ausprägen
wollten, so glaubt man, daß einerseits die wichtigste
Veranlassung der Preisfchwantungen der beiden
Edelmetalle wegfiele, also auch die Ausfuhr des
unterfchätzten Metalls aus dem Münzgebiet, ande-
rerseits würde der Münzvorrat so groy werden, daß
er praktisch genommen als unerfchöpslich gelten
könnte. Als Vorteil einer folchen Einrichtung wird
insbesondere geltend gemacht, daß damit nicht nur
das Wertverhältnis der beiden Metalle, sondern
der Geldwert überhaupt beständiger würde, wäh-
rend jetzt ein Goldmangel und damit ein Steigen
des Goldwertes, d. i. des Geldwertes drohe, ja,
wie man aus der Preisbewegung seit den siebziger
Jahren schließt, bereits eingetreten sei, was die pro-
duzierenden Klaffen zu Gunsten der Rentner arg
benachteilige. Der Goldvorrat fei eben zu klein, um
für den Geldbedarf allein auszureichen.
Die Idee einer internationalen Vereinbarung
wurde schon 1855 von Schübler in Anregung ge-
bracht, sie fand aber erst eine größere Beachtung in-
folge der unermüdlichen Agitation, die Cernuschi
ts.d.) 1876 begann, unterstützt durch die inzwischen
eingetretene starke Entwertung des Silbers. Auf
der internationalen Münzkonferenz, die im Aug.
1878 ohne Beteiligung Deutschlands in Paris statt-
fand, traten die Vereinigten Staaten, welche über-
haupt die Konferenz veranlaßt hatten, bereits ganz
bestimmt für internationale D. mit freier Silber-
prägung nach einem einheitlichen Wertverhältnis
ein, nachdem sie ihrerfeits durch die in demselben
Jahre angenommene Blandbill (s. d.) mit der Wie-
derausmünzung von Silberdollars vorangegangen
waren. Die Vertreter Italiens und Hollands zeig-
ten sich dem bimctallistischen Projett nicht abgeneigt,
Frankreich hielt sich noch in Reserve, während Eng-
land, Belgien, die Schweiz und Schweden principiell
an der reinen Goldwährung festhielten. Im April
1881 trat eine neue Münzkonfercnz in Paris zu-
sammen, die auch vom Deutschen Reich beschickt
wurde. Frankreich war jetzt mit Amerika in dem
bimetallistischen Programm einig; Italien, Holland
und Spanien waren ebenfalls bereit, einer solchen
Union beizutreten; Deutschland begnügte sich mit
einigen Zugeständnissen an den Bimetallismus, im
wesentlichen hielt es jedoch an der reinen Goldwäh-
rung fest. Die übrigen Goldwährungsstaaten thaten
dasselbe, England mit der Zusage, daß es die ind.
Silbcrwährung aufrecht erhalten wolle und daß die
Bank wieder einen Silbervorrat halten werde, wenn
die D. in den übrigen Ländern zur Geltung ge-
lange. Der Pariser Münzkongreß 1889 hatte keinen
offiziellen Charakter, sondern war eine private Ver-
einigung. Im Nov. 1892 trat auf Anregung der
Vereinigten Staaten, welche besonders durch die
Entwertung des Silbers bedroht sind, und deren
Münzpolitik zur Rehabilitierung des Silbers neigt
(f. Windombill), eine neue internationale Münz-
konferenz zur Beratung der Silber- und Wäh-
rnngssrage in Brüssel zusammen, verlief aber völlig
ergebnislos. Die dimetallistische Agitation hat in
Deutschland in neuerer Zeit vorzugsweise in den
landwirtschaftlichen Kreisen Boden gefaßt; die Füh-
rung der Vewegnng ist in den Händen von Kardorsfs,
I)i-. Arendts u. a. Die Hoffnungen, welche die Land-
wirte auf den Vimctallismus und die durch den-
selben bewirkte Stützung des Silberwertes setzen,
beruhen hauptsächlich auf der Annahme, daß die
Konkurrenz des ind. Weizens bei einer Erhöhung
des Wechselkurses von London aufIndien bedeutend
zurückgedrängt und ein wachsender Druck der Hypo-
thekarlasten bei steigendem Goldwert hintangehalten
würde, übrigens hat der Bimetallismus in Eng-
land selbst Freunde gewonnen und dies führte zur
Einsetzung einer königl. Untersuchungskommission
über die Geldverbältmsse, bei welcher sich die Par-
teien in gleicher Stärke gegenüberstanden. Auch in