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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenerzeugung
0. Darstellung von Erzstahl durch Zu-
sammenschmelzen vonRoheisenmit Eisen-
erz oder Eisenoxyd. Obwohl dieses Verfahren
schon längere Zeit bekannt war, gelangte es erst
1855 durch Uchatius zur fabrikmäßigen Aufnahme;
dasselbe ist noch heute, weun auch nur in geringem
Maß, in Anwendung, z. B. auf dem schwed. Werke
Wikmanshyttan. Während Uchatius 100 Teile
Roheisen, 24 Teile gerösteten Spateifenstein uud
1 ^2 Teile Braunstein zusammenschmolz, verwendete
Breant an Stelle des Erzes durch Glühen oxydierte
Schmiedeeisenspäne.
III. Erzeugung von Stahl aus Schmiedeeisen.
^. Kohlung des Schmiedeeisens durch
Glühen mit Kohle. Wenngleich bei allen früher
besprochenen Frischprozessen die Möglichkeit gegeben
ist, durch rechtzeitige Unterbrechung der Entkohlung
ein schmiedbares Eisen von beliebig hohem Kohlen-
stoffgehalt herzustellen, so ist es doch einesteils zu
schwierig,den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, andern-
teils tritt hierbei der Übelstand auf, daß es bei der Er-
zeugung kohlenstoffreichen Eisens bei weitem nicht so
gut'gelmgt, schädliche Bestandteile, namentlich Phos-
phor und Schwefel, abzuscheiden, als wenn die Ent-
kohlung bis nahezu zur Vollständigkeit fortgeführt
wird. Man hat daher schon früh angefangen, in
Fällen, wo ein kohlenstosfreiches Eisen gewünscht
wurde, zunächst ein kohlenstoffarmes Produkt her-
zustellen und diesem den erforderlichen Kohlenstoff-
gehalt hinzuzufügen. Zu diesem Zweck wird Schmiede-
eisen in Pulvern geglüht, die an dasselbe Kohlen-
stoff abgeben. Hierher gehört die Erzeugung von
Cementstahl und das Einsetzen. Der Cement-
stahl wird durch Glühen schmiedeeiserner Flachstäde
(reines Feinkorneisen) in Holzkohle hergestellt; die
Dauer des Glühens beträgt bei einem Größenver-
hältnis der Stäbe von etwa 78X20 mm 9-10
Tage. Der so erhaltene Stahl zeigt an seiner Ober-
fläche kleinere oder größere Blasen (Blasen stahl)
und wird durch Umschmelzen oder Auswalzen ge-
dichtet. Das Einsetzen ist dem Wesen nach nichts
anderes als ein Cementieren fertiger Schmiedeeisen-
stücke auf eine gewisse Tiefe. Feinkorneisen und be-
sonders adoucierter Guß (s. Adoucieren) cementiert
hierbei leichter als sehniges Schmiedeeisen.
L. Kohlung des Schmiedeeisens durch
Iusammenschmelzung mit Roheisen. Von
größerer Wichtigkeit als das vorbeschriebene Ver-
fahren ist die Stahlbildung aus Schmiedeeisen durch
Verfchmelzcn mit Kohle oder mit Roheisen. In
Indien wird aus dem durch Rennarbeit gewonne-
nen Schmiedeeisen mit Beigabe von Holzspänen
und Blättern in kleinen Tiegeln ein Stahl erzeugt,
der unter dem Namen Wootz (s. d.) berühmt ist.
Da die Schmelzung eine unvollkommene ist und
nach derselben noch ein anhaltendes Glühen des
Stahls stattfindet, zeigt sich das Produkt als ein
Gemenge verschieden stark gekohlten Eisens, das, zu
Messern u. s. w. ausgeschmiedet und geätzt, oft sehr
hübsche Zeichnungen aufweist (s. Damascieren).
Künstlicher Damast stahl wird dargestellt durch
Zusammenschmelzen von weichem Eisen mit Kohle,
Wolfram-, Nickel-und Manganverbindungen; auch
durch Schmelzen von Schmiedeeisen mit 2 Proz.
Kohle wird ein Damaststahl erhalten. - Der
Parrystahl wird durch Schmelzen von Schmiede-
eisenabfällen im Kupolofen und hierauf folgendes
Bessemern erhalten. Wenn man Schmiedeeisen mit
reinem Roheisen in entsprechenden Mengenverhält-
Vrockhaus' Konversations-Loxikon. 14. Aufl.. V.
nissen zusammenschmilzt, erhält man Stahl. Nicht
selten werden hierbei, um den richtigen Kohlungs-
grad zu erreichen, oxydierende Zusätze, als Hammer-
schlag, geröstete Erze u. s. w., mit verwendet; der
Prozeß ist dann der Erzstahlbereitung ähnlich. Hier-
her gehört die von Mushet eingeführte Kohlung des
Bessemerstußeisens durch Spiegeleisenzusatz. Erfolgt
das Zufammenschmelzen von Roh- und Schmiede-
eisen in Tiegeln, so heißt das Produkt Tiegel-
Flußstahl; geschieht dasselbe in Flammöfen
(Siemensschen Regenerativöfen), so erhält man
Flammofen-Flußstahl oder Martin-Stahl.
Martin gebührt das Verdienst, den Siemensschen
Regenerativofen zum Zweck des Zusammenschmel-
zens von Roh- und Schmiedeeisen zuerst benutzt
und dadurch die Stahlerzeugung im Flammofen
eigentlich erst ermöglicht zu haben, weshalb der
ganze Prozeh auch Siemens-Martin-Prozeß
genannt wird. Bei demselben arbeiten gewöhnlich
zwei Siemenssche Regenerativöfen zusammen. In
dem ersten Ofen schmilzt man etwa 500 k^ Roh-
eisen ein; im zweiten wird das Schmiedeeisen nahe
zur Weißglut gebracht und dann in Mengen von
etwa 200 kg in Zwischenräumen von 30 Minuten in
den ersten übertragen, bis der Gesamtzusatz an
Schmiedeeisen (bis 2400 kß) im Roheisenbao gelöst
ist. Statt des Schmiedeeifenzusatzes kann auch Stahl
genommen werden, in welchem Fall die Menge des
einzuschmelzenden Roheisens eine geringere wird.
Man führt den Prozeß gewöhnlich so, daß durch den
Schmiedeeisenzusatz sowie durch die oxydierenden
Einflüsse der Flamme ein kohlenstoffärmeres Pro-
dukt, als hergestellt werden soll, entsteht, und kohlt
dasselbe dann durch Zusatz von Spiegeleisen oder
Manganeisen (s. d.) entsprechend auf, worauf ab-
gestochen wird. Der Siemens-Martin-Prozeh ge-
währt bei wohlfeiler Anlage den wichtigen Vorteil,
daß mit ihm bedeutende Mengen alten Materials,
z. B. alte Eisenbahnschienen, gleichviel ob Stahl
oder Eisen, aufgearbeitet werden können; dabei ist
das Produkt dieses Prozesses wenig teurer als das
Vessemereisen und kann leichter von bestimmter Be-
schaffenheit erhalten werden. Je nach der Art und
Beschaffenheit der verwendeten Materialien wird der
Prozeß in mannigfacher Weise abgeändert. Durch
Anwendung eines basischen Futters hat man in
neuester Zeit, entsprechend dem basischen Verfahren
beim Bessemerprozeß, auch phosphorreichesRoheifeu
resp. Erz im Martinofen zu einem gut schweißbaren
Fmßeisen resp. -Stahl zu verarbeiten gelernt. Einen
Martinofen mit Regenerativgasfeuerung zeigen
Taf. III, Fig. 1 u. 2. Der Herd ^ ist nach dem
Stichloch 3 zu etwas geneigt. Die Kammern NN
liegen unter dem Herd und werden in der üblichen
Weise abwechselnd mit den vom Herd abziehenden
Verbrennungsgasen und der Verbrennungsluft
einerseits und den Generatorgasen andererseits
durch die Wechselklappen ^V verbunden. Gas und
Luft treffen in der Höhe der Herdsohle zusammen
und bilden eine sich über den ganzen Herd ergießende
Flamme, die das Eisenbad auf die uötige hohe Tem-
peratur briugt. Durch die Arbeitsöffnung 0 wird
dasselbe umgerührt. Der Abstich erfolgt dann, wenn
die entnommene Probe die gewünschten Eigenschaf-
ten hat. Das flüssige Produkt läuft durch die Rinne
in die betreffenden auf dem Wagen vorgefahrenen
Gußformen oder in eine größere Gießpfanne, die
mittels Kran nach den einzelnen Formen bewegt
wird. Der im Arsenal zu Woolwich befindliche
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