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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Europa (Oberflächengestaltung)

qkm) mit dem Asowschen Meer (37603,9 qkm) tief ein. Im einzelnen ist die Auszackung der Küsten so stark, daß ihre Länge (86873 km) die des dreimal so großen Afrika weit übertrifft. Ja denkt man sich die Landmassen des Erdteils in eine gleichgroße, kreisumschlossene Kugelkappe umgeformt, so würden von je 100 km Küste 87,6 in Fortfall kommen. Und zwar kommen von diesem Küstenreichtum auf atlantische Küsten (einschließlich der Randmeere Ost- und Nordsee) 57470 km, auf die des Mittelmeers 14513, die arktischen 10552, die pontischen Küsten 4338 km Küstenlänge. Der Atlantische Ocean mit 66,2 Proz. überwiegt also bedeutend; der W. ist vor dem O. bevorzugt; das russ. Binnenland entfernt sich um mehr als 700 km vom Meere. Von dem O. des vielfach gegliederten Mittelmeers ging die europ. Civilisation aus, verbreitete sich von hier nach W. und N., um dann von den atlantischen Küsten aus nach allen Teilen der Erde zu dringen. Bei den Inseln ist die große Zahl der Küsteninseln, wie die norweg., fries. und dalmatin. Inseln, von den selbständigen Einzelgebilden, wie Großbritannien, Sicilien, Sardinien und Corsica zu trennen. Im SO. liegt der Griechische Archipel als nächste Kulturbrücke von Afrika und Asien, im NW. die brit. Inseln, als äußerster Vorposten in den freien Ocean geschoben und durch seine Lage bestimmt zur Herrschaft über die Meere und zur Vermittelung mit Amerika; hier Sicilien als Übergangsland von Afrika nach Italien, dort der Dänische Archipel eine Brücke zur Verbreitung des Germanismus nach N. Nur Island liegt vereinzelt.

Oberflächengestaltung. Betrachtet man den Wechsel von Gebirgs- und Tiefland, so erscheint in der äußern Anordnung eine gewisse Einförmigkeit, insofern im kontinentalen Hauptkörper durch eine Linie zwischen der Dnjestr- und Rheinmündung der Nordosten als ein großes Tiefland vom Südwesten als vorherrschendem Gebirgsland geschieden wird; die nähere Einsicht aber lehrt, daß es dort ebensowenig an landschaftlicher Gliederung fehlt, durch niedere Erhebungen und wechselnde Bodenbeschaffenheit, als hier durch das vielfache Eingreifen kleinerer Tiefebenen und aushöhlender Flußthäler, und daß im Gegensatze zu andern Erdteilen die Mannigfaltigkeit des Reliefs einen Grundzug europ. Naturverhältnisse bildet. Im ganzen überwiegt das Tiefland (zwischen 0 und 200 m Seehöhe) mit 60 Proz. der Gesamtfläche; 24 Proz. liegen zwischen 200 und 500 m, 10 Proz. zwischen 500 und 1000 m, 5 Proz. zwischen 1000 und 2000 m und nur 1 Proz. über 2000 m. Die mittlere Erhebung des Erdteils ist zu 292, nach anderer Berechnung zu 296,8 m ermittelt worden. E. ist auch hierin günstiger gestellt als alle andern Erdteile. (S. Erde.)

Das große osteurop. Tiefland steht im S. des Uralgrenzgebirges, das im nördl. Teile bis 1688 m hoch, in seiner Westhälfte archäisch, in seiner Osthälfte paläozoisch ist, mit den asiat. Steppen im Zusammenhange und besitzt im N. des Kaspischen Meers jenes große Völkerthor, durch das asiat. Horden eindrangen, um E.s Civilisationsentwicklung auf kurze Zeit zu bedrohen und sein Völkergemisch mit neuen Elementen zu versehen. Es berührt im N. mit den unwirtbaren Moorflächen der Tundren das Eismeer, wird im SO. von der Manytschniederung, von Kaukasien getrennt, umgürtet die Nordgestade des Schwarzen Meers und erhält innere landschaftliche Gliederung durch waldreiche Höhenrücken, die Finnische Fels- und Seeplatte, das System der Russischen Centralplatte, den Nordrussischen Landrücken, den Baltischen Höhenrücken und die Volhynisch-Podolische Platte. Dies große Gebiet ist ein geologisch sehr altes, ungestörtes Gebilde aus ungefalteten Schichten der Paläozoischen, Trias-, Jura- und Kreidezeit. Zwischen Weichsel und Rhein verengt sich die Ebene zu dem german. Tieflandsgürtel. Derselbe begleitet die Gestade der Ost- und Nordsee, wird ebenfalls durch zwei Höhenrücken, die baltische Seenplatte im N. und den von dem sudetischen Vorland bis zur Lüneburger Heide verlaufenden Höhenrücken im S. und tiefe Thalrinnen gegliedert, geht von O. nach W. in seinem mittlern Streifen aus der Form der Sandflächen in Heide- und Moorland über und sinkt endlich bis in und teilweise unter das Niveau der Nordsee herab. Südwestlich der Rheinmündungen bilden die fruchtbaren flandr. Ebenen den Übergang zu den franz. Tieflandschaften, die jenseit der flandr. Grenzhöhen und Platten der Picardie hinabsteigen zu den Flächen, die die franz. Mittelgebirge vom Atlantischen Ocean und von den Gebirgen der Bretagne trennen und sich südlich an die Pyrenäen lehnen.

Während so das südwestl. Gebirgsland in einem nördl. Bogen von Tiefland umgürtet ist, greifen von O. her die Ebenen Rumäniens und Ungarns, die Thäler der March und Oder, von W. her die Ebenen der Rhône und des Rheins, im S. die des Pogebietes in den Gebirgskörper und sondern vier große Gebirgsreviere ab. Das wichtigste und ausgedehnteste ist das Alpensystem. Genannt wird dasselbe nach dem hohen Kettengebirge der Alpen (s. d.), mit 4810 m Gipfelhöhe im Montblanc, einer Gesamtbasis von 230000 qkm und Kammhöhe von 3250 bis 3900 m, über welche Pässe von 1000 bis 2500 m Höhe führen. Als Fortsetzung der Alpen gegen NO. gelten die Karpaten, auf einer Grundfläche von etwa 188000 qkm, Gipfelhöhen von fast 3000 m in der hohen Tatra und in Siebenbürgen, also auch noch von Hochgebirgscharakter und die ungar. Ebene im NO. und S. umgürtend. Gegen S. nehmen sie den Namen der Transsylvanischen Alpen an und streichen nun hinüber zur Balkanhalbinsel, indem sie den Balkan bilden, der erst am Schwarzen Meere endet. Ein dritter Zug des Alpensystems ist der dinarisch-albanische, welcher sich von den Quellen der Save durch den NW. der Balkanhalbinsel, Bosnien, Albanien fortsetzt und erst in den südl. Zacken des Peloponnes endet. Ein vierter Zug sind die Apenninen, die in den Abruzzen 2000 m Kammhöhe, im Gran-Sasso d’Italia 2921 m Gipfelhöhe erreichen, dann nach Sicilien übertreten und sich auf afrik. Boden im Atlassystem weiter fortsetzen. Das Alpensystem ist in allen seinen Zweigen durch Kettengebirgsnatur ausgezeichnet, besitzt in seinem Hauptstamm eine archäische Centralzone und zu beiden Seiten jüngere sedimentäre Züge. Diese sind zum Teil im S. abgesunken, so in der lombard. Ebene westlich vom Lago Maggiore, sowie in Ungarn. Hier fehlen auch große Teile der archäischen Centralzone in den Karpaten. Auch in den Apenninen sind von dieser nur noch geringe Reste vorhanden, in dem dinarischen Zuge fehlt sie völlig. Im Balkan und Transsylvanien aber zeigt sie sich wieder. Vulkanische Ausbrüche bezeichnen die innern Ränder dieser Ketten, in der Lombardei die Euganeen, in Ungarn zahlreiche Züge junger Eruptivgesteine, im S. der Apenninen die Vulkane Vesuv,