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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fetisch - Fettbildung
scher und ital. Musik vertraut gemacht hatte, nach
Paris zurückgekehrt, trieb er dort Studien über die
Geschichte der Musik, zog sich aber 1811 in die Pro-
vinz zurück und wurde 1813Organist und Professor
der Musikschule in Douai. 1818 kam er als Pro-
fessor des Konservatoriums der Musik nach Paris
und gründete 1827 die erste kritische musikalische
Zeitschrift in Frankreich, die "Nevue inuZic^Ie", die
bald eine Autorität wurde. Von 1833 bis zum
Tode, 26. März 1871, war er Kapellmeister des
belg. Königs und Direktor des Konservatoriums in
Brüssel. Außer mehrern theoretischen und metho-
dischen Werken begründeten besonders musikgeschicht-
liche Arbeiten seinen Nuf. F.' erste größere Schrift:
"Über die Verdienste der Niederländer um die Ton-
kunst" (Anisterd. 1829), erhielt lzugleich mit einer
ähnlichen Arbeit von Kiesewettcr) den von der Nie-
derländischen Musikgesellschaft ausgesetzten Preis.
Sein Hauptwerk: "I^io^r^pnie universelle äe8 mu>
sioieng et didlio^i'^piiie ^enernle äe 1a. musi^ue"
(8 Bde., Vrüss. 1838-44; 2. Aufl., Par. 1860-65;
dazu Supplement, 2 Bde., 1878 - 81), wird noch
auf Jahrzehnte hinaus die Grundlage für die musi-
kalische Lexikographie bilden. Es umfaßt trotz zahl-
loser Irrtümer und Spuren von Flüchtigkeit eine
Fülle von Quellenstudien, wie sie in keinen: zweiten
Werke seiner Art vorkommt. Die Behandlung des-
selben Materials als "1Ii8toir6 F<w6i'Hie ^ ^ ,^_
8i<iue" (5 Bde., Brüss. und Par. 1869-76), die
F. noch im hohen Alter unternahm, ist weniger
glücklich geraten und geht nur bis ins 15. Jahrb.
^eine geschichtlichen Studien führten ihn auf die
Idee der histor. Konzerte, die in Belgien, England
und Teutschland Nachahmnng fanden. Weniger
Anerkennung als seine geschichtlichen und theoreti-
schen Werke fanden F.' Kompositionen für Kirche,
Kammer und Theater. Doch wurden seine Opern
"I^'amHnt, et Ie mari" und "1^ vieille" sehr oft
im Theater Feydeau aufgeführt. Mit Moscheles
gab F. ein großes Studicnwerk für das Pianoforte:
"^letdoäe äe3 metkoäeZ äe piano" (Par. 1837),
Fetisch, s. Fetischismus. ^heraus.
Fetischismus (von dem portug. leiti^o, Zau-
berei), die aus einem rohen Polytheismus entwickelte
Religion der Naturvölker, bei welcher sinnliche Ge-
genstände (Fetische), denen Zauberkraft zugeschrie-
ben wird, religiöse Verehruug genießen. Das zu-
fällig gleichzeitige Zusammeutrcffcn zweier Vorstel-
lungen giebt dem unentwickelten Bewnßtscin Ver-
anlassung, einen gar nicht vorhandenen kausalen
Zusammenhang zwischen diesen zu vermuten, so daß
ein beliebiger sinnlicher, meist unscheinbarer Gegen-
stand (z. B. ein Nagel, ein Stein u. dgl. m.) als
wirkende Ursache eines mit ihm gleichzeitig in die
Erscheinung tretenden Ereignisses gilt. Wesentlich
ist dabei, daß der Fetisch weder als Symbol noch
als Vermittler einer übersinnlichen Welt angesehen
wird, sondern als selbst mit Zauberkraft begabt gilt.
In solch engerm Sinne kann man nur bei denjeni-
gen Negervölkcrn Afrikas, welche keinen Unsterb-
lichkeitsglaubcn haben, von wirklichem F. sprechen,
während der sonst so genannteF. meist ans Dämoncn-
kultus und Ahnenverehrung (s. d.) beruht. - Vgl.
F.Echultzc, Der F. (Lpz.1871); Vastian, Der Fetisch
an der Küste Guineas (Berl. 1884).
Fetlar, eine der schott. Shetlandinseln (s. d.).
Fett, s. Fette. - In der Jägersprache wird das
Wort F. nur bei Raubtieren und dem zur niedern
Jagd gehörigen Wild gebraucht.
Fett, in der Vuchdruckerkunst die Bezeichnung
für Lettern, Linien, Einfassungen u. s. w., welche
sich durch Breite der Grundstriche oder der Linien-
fläche^hervorheben, wie in dem vorliegenden Werk
die Stichwörter; findet dies in geringerm Grade
statt, so nennt man die Lettern u. s. w. halbfett.
Fettammer, Vogelart, s. Ortolan.
Fettan oder Fetan, roman. Ftan, Pfarrdorf
im Kreis Untertasna, Bezirk Inn des schweiz. Kan-
tons Graubünden, 1 Km nördlich von Tarasp auf
der linken Seite des Unterengadin, in 1647 in Höhe,
mit Schuls und Ardez an der großen Landstraße
des Innthals durch eine Fahrstraße verbunden, ist
nach dem großen Brande von 1885 zum großen Teil
neu aufgebaut und hat (1888) 484 ladinisch spre-
chende E., darunter 62 Katholiken. Die schöne Lage
am Südfuße des Piz Minschun (3071 m), 400 m
über dem Inn, und das milde Klima, welches dem
von Davos ähnlich ist, haben dem Dorfe in neuester
Zeit einen ziemlich lebhasten Kur- und Fremden-
verkehr gebracht. 1726 und 1794 wurde F. fast gänz-
lich eingeäschert, 1720 zerstörte eine gewaltige La-
wine 15 Häuser und tötete 36 Menschen. Jetzt ist
durch kostspielige Anlagen die Lawinengefahr ab-
gewendet; gegen die dem Dorfe drohende Erd-
rntschung, die infolge des in Bewegung geratenen
Moränenschutts, auf dem F. steht, immer weiter
um sich greift, sind Verbauungsarbeiten ausgeführt.
Fettbildung. Das im tierischen und mensch-
lichen Körper bei reichlicher Nahrungszusuhr abge-
lagerte Fett wird nicht ausschließlich aus dem mit
der Nahrung zugeführten und resorbierten Fett an-
gesetzt, sondern es entsteht zum guten Teil erst in-
nerhalb des Körpers aus andern chem. Verbindun-
gen. Das eingehende Stndium der Zusammen-
setzung der Nahrung des Pflanzenfressers, die Kennt-
nis von den merkwürdigen Umwandlungen orga-
nischer Stoffe in andere außerhalb des Organis-
mus und das Nachdenken üder die Bedeutung der
einzelnen Nahrungsbeftandteile führten Liebig zu
der Überzeugung, daß die Kohlenhydrate (Stärke,
Dertrin, Zucker) der Nahrung innerhalb des Kör-
pers eine wichtige Quelle der F. liefern, und auf
Grund seines Ausspruchs galt Jahrzehnte hindurch
die Entstehung von Fett aus Kohlenhydraten für
eine unumstößliche Thatsache. Als Beweis hierfür
wurde insbesondere die Erfahrung angeführt, daß
bei den Fleischfressern, welche außer dem Fett kei-
nen stickstofffreien Nahrungsstoff genießen, die F.
meist nur unbedeutend ist, dagegen bei gemischter
Nahrnng nnt einem Überschuß an Kohlenhydraten
erheblich zunimmt, daß die Hauptmasse der Nah-
rung bei der Masse der Pflanzenfresser aus Kohlen-
hydraten besteht, und daß endlich die Bienen bei
längerer Fütterung mit wachssreiem Honig oder
Zucker doch noch Wachs, also einen fettartigen Kör-
per, produzieren, ohne sich in ihrem Gesundheitszu-
stand oder Gewicht zu ändern. Neuere Versuche von
Voit und Pettenkofer haben es dagegen höchst wahr-
scheinlich gemacht, daß die hauptsächlichste Quelle
der F. außer dem Nahrungsfett die eiweißartigen
Nahrungsstofse sind, und daß dem unleugbaren
Einfluß der Kohlenhydrate aus die F. eine wesent-
lich verschiedene Deutung gegeven werden muß; die
letztern stellen hiernach nicht das eigentliche Ma-
terial dar, aus welchem direkt das im Körper ab-
gelagerte Fett hervorgeht, aber sie müssen, wenig-
stens dem Pflanzenfresser, nach wie vor gegeben
werden, um Fett zu gewinnen.