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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gallien (transalpinisches)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gallien'

von Mediolanum und Comum durch Scipio auch sie nötigte, die röm. Herrschaft anzuerkennen.

Kaum aber waren zur Sicherung der Ruhe die starken Festungskolonien Cremona und Placentia (Piacenza) angelegt, als Hannibal (s. d.) 218 von Spanien her sich Italien näherte. Sofort sendeten ihm die Bojer eine Gesandtschaft und Wegweiser über die Alpen entgegen, erhoben sich in offener Empörung, belagerten Mutina und schlugen das unter dem Prätor L. Manilas herbeieilende röm. Entsatzheer. Hannibals Erscheinen in Italien und seine Siege am Ticinus und an der Trebia waren das Signal auch zum Abfall der Insubrer und (mit Ausnahme der Cenomanen) der übrigen kelt. Stämme. Ihre Hilfstruppen folgten dem punischen Feldherrn in das innere Italien und beteiligten sich an den Schlachten am Trasimenus 217 und bei Cannä 216, wie bei der Eroberung von Tarent 212; die Bojer vernichteten 216 ein gegen sie gesendetes Heer unter dem Prätor Lucius Postumius im Litanawalde vollständig. Aber je mehr allmählich die Unternehmungen Hannibals gegen Rom ins Stocken gerieten, desto mehr erlahmte auch die geregelte Teilnahme der kelt. Stämme an dem Kriege. Die Schlacht am Metaurus 207 ging wesentlich durch die Schuld von Hannibals kelt. Bundesgenossen verloren. Doch begleiteten kelt. Truppen Hannibal auf seiner Rückkehr nach Afrika und fochten seine letzte unglückliche Schlacht bei Zama mit. Mit dem Ausgange des Hannibalischen Krieges war für die Kelten Italiens die Möglichkeit, ihre Unabhängigkeit gegen Rom zu behaupten, für immer vorbei, und ihre letzten Verzweiflungskämpfe, wenn auch von einzelnen Erfolgen begleitet, waren vergebens. Ein punischer Anführer, Hamilkar, hatte die Bojer 201 zu neuer Empörung gebracht: sie vernichteten auch wirklich ein röm. Heer, rissen sämtliche Stämme mit sich fort und erstürmten (200) Placentia; aber gleich nachher, bei Cremona, erlagen sie mit jenem in offener Feldschlacht dem Prätor Lucius Furius Purpureo. Die nächsten Jahre, während welcher die Römer mit dem Mazedonischen Kriege beschäftigt waren, brachten keine Entscheidung, ja zuweilen sogar den Römern neue Unfälle, wie 199 der Prätor Bäbius Tamphilus von den Insubrern geschlagen wurde. Mit der Besiegung des Königs Philipp V. von Macedonien nahmen die Römer den Krieg gegen die Kelten mit neuer Kraft auf: von 197 an ward jahraus jahrein gegen die Bojer, Insubrer, Cenomanen u.s.w. mit wachsendem Erfolg gekämpft, bis endlich 191 der Konsul Scipio Nasica die Bojer in einer mörderischen Schlacht dergestalt schlug, daß ihnen nichts als Ergebung oder Auswanderung übrigblieb. Sie zogen großenteils die letztere vor und ließen sich in der Gegend des Plattensees in Pannonien nieder, während die übrigen Stämme, die Insubrer, Cenomanen und die (den Römern altbefreundeten) illyr. Veneter, sich Rom unterwarfen. Bononia, ein Hauptort der Bojer, ward 189 v.Chr. röm. Kolonie und Festung, ebenso neben manchen andern Plätzen 183 Parma und Mutina; Placentia und Cremona erhielten neue Verstärkungen. Dadurch namentlich wurde der cispadanische Teil Oberitaliens verhältnismäßig bald völlig romanisiert, die Volkssprache wich der lateinischen, mit ihr nationale Sitte und Tracht, und so erhielt daher zunächst dieser eroberte Landesteil mit vollem Recht von der röm. Toga den Namen Gallia Togata, der später auch auf ↔ den transpadanischen Teil überging. In diesem wurden zuletzt die (ligurischen) Salasser 143 zu einer freilich nur scheinbaren Unterwerfung gebracht. Ihre Räubereien beunruhigten die Straße, die über den Kleinen Bernhard ins Transalpinische G. nach dem Thal der Isère (Isara) führte; daher ließ Augustus den Stamm endlich 25 v.Chr. nahezu ausrotten und in ihrem Gebiet die Militärkolonie Augusta Pretoria (Aosta) anlegen. Auch die Völker der nördl. Grenzalpen, über welche von Comum eine Straße ins rhätische Rheinthal führte, wurden unter Augustus 15 v.Chr. unterworfen. Den Cispadanern war schon 89 v.Chr. röm. Bürgerrecht, den Transpadanern das Recht der jüngern Kolonien «latinischen Rechts» gegeben, und dies 19 durch Julius Cäsar in Bürgerrecht mit röm. Municipalverfassung verwandelt worden. Dennoch blieb das Cisalpinische G. mit Ligurien und Venetien röm. Provinz und als solche von einem Prokonsul verwaltet. Erst unter den Triumvirn hörte dies auf (42), und nun wurde das Land auch im polit. Sinne mit Italien, zu dem es geographisch seit dem Ende des Hannibalischen Krieges gerechnet wurde, vereinigt und die Rechtspflege darin durch ein zum Teil erhaltenes Gesetz (Lex Rubria de Gallia Cisalpina) geregelt. Als Augustus Italien in elf Regionen teilte, wurde das Gebiet der Cenomanen größtenteils zur zehnten, Venetia, geschlagen. Das übrige Transpadanische G. bildete zusammen mit dem Transpadanischen Ligurien die elfte, das Cispadanische (oder «Ämilia») die achte, das südl. Ligurien die neunte Region. Durch Gewerbfleiß, namentlich Woll- und Linnenweberei, Handel, Ackerbau und dichte Bevölkerung zeichnete sich das (in jener Zeit noch sehr waldreiche) Land schon damals vor dem übrigen Italien aus.

2) Das Transalpinische Gallien. Dessen Grenze gegen Italien bildeten die Alpen und zunächst gegen Ligurien der kleine Fluß Varus (Var), der von den Seealpen her unweit Nicaea (Nizza) in das Mittelmeer fließt. An der Küste des Meers gründeten 600 v.Chr. ion. Phokäer Massilia (Marseille), dessen Handel bald emporblühte und das ein ausgiebiger Sitz griech. Kultur in dieser Gegend war. Den Römern schon früh befreundet, wurde es von ihnen 154 gegen ligur. Völker, die von den Seealpen her ihre Pflanzstädte Antipolis und Nicäa angegriffen hatten, unterstützt. Die eigentlichen Eroberungen der Römer aber im Transalpinischen G. begannen erst mit der Unterwerfung der ligur. Salver oder Salluvier, gegen welche Marcus Fulvius Flaccus den Massiliern 125 zu Hilfe gesandt wurde und in deren Lande Gajus Sextius Calvinus 122 Aqua Sextiae (Aix), die erste röm. Festungskolonie im Transalpinischen G., zum Schutze Massilias gründete. Die Unterwerfung der Allobroger folgte 122 und 121 durch Gnäus Domitius Ahenobarbus und Quintus Fabius Maximus. Das bisher überwältigte Land wurde zur röm. Provinz und trug vorzugsweise den Namen Provincia Romana (Provence); im Gegensatz gegen Gallia Togata wurde es auch, wegen der langen, weiten Hosen (braccae), welche die kelt. Bewohner trugen, Gallia Braccata, und dann das übrige Transalpinische G. nach der Sitte der Kelten, das Haupthaar (coma) lang am Scheitel zusammengebunden zu tragen, Gallia Comata genannt. Die Grenzen der Provinz reichten nördlich über die Durance (Druentia), in deren Thal eine Straße über den Mont-Genèvre

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 494.