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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gezeugmeister - Gfrörer
Mondebbe mit der Sonnenftut zusammen, wesbalb
die Fluthöhen (Nippfluten) daun am kleinsten sind.
Am höchsten werden die Fluten, wenn ;ur Zeit der
Svzygien der Mond in Erdnähe und die Sonne ini
Äquator steht. Da wie erwäbnt die Mondflut stet^
viel größer ist als die Sonnenflut, so bestimmt der
Mond, ob an einem Orte Ebbe oder Flut ist', dreht
sich nun die Erde um ihre Achse, so verschieben sich
die Flutberge über die Erde hin von O. nach W.,
und da nach 25 Stunden der Mond sür denselben
Ort zum Meridian zurückgekehrt ist, so bat in dieser
Zeit jeder Ort zweimal Flut und zweimal Ebbe.
Die Änderungen, die dadurch entstehen, daß
nach Ablauf eines halben Mondumlaufs Sonne
und Mond stets wieder in eine gemeinschaftliche
Meridiancbcne treten, nennt man baldmonat-
liebe Ungleichheit. Andere Änderungen, täg-
liche Nngleichbeiten, werden außer durcb die
wechselnde Entfernung und Umlaufszeit von Sonne
und Mond auch durch die Veränderuug der Detli-
nationen beider Gestirne bedingt. Alle diese Er-
scheinungen werden wesentlich in der eben darge-
stellten einfachen Gesetzmäßigkeit gestört durcb die
Konfiguration der Meere auf der Erdoberfläche
oder durch die Verteiluug von Wasser und Land.
Die Erreguug fiudct iu den einzelnen Meeresbecken
statt, solange das Gestirn über denselben steht' der
hierdurch bervorgerufenen primären Flutwelle
solgt nun die ausgleichende Wellenbewegung, die,
nach allen Seiten hin gleichmäßig verlaufeud, ilne
Höhe und Geschwindigkeit nach der Gestalt und Tiesc
des Meeresbeckens regelt. Die Ausgleichungvwelle
bat aber viel geringere Geschwindigkeit als die pri-
märe Flutwelle, wird an den Küsten zurückgeworfen,
nimmt an Macht weiter ab und verläuft erst nach
meln'ern Tagen, während sieb schon eine Ncibe neuer
primärer und Ausgleichuugswellen gebildet hat.
Die G. sind somit, wie die Beobachtung ergiebt, eine
Verscbmelznng der Pbasen einer Neibe von Wellen
verschiedener Höhe, Richtung und Geschwindigkeit,
deren ursprünglicher Erregung^ort obendrein perio-
disch schwankt. Hierzn treten noch die ganz znfäl-
ligen Änderungen, die die G. durch die Witterung,
namentlich durch Sturmfluten erleiden. Allev ver-
einigt sich, um eine der verwickeltsten Naturerschei-
nungen hervorzurufen, deren thatsächlicher Verlaus
im Eiuzelfall nur sehr schwer oder kaum auf alle
ihn bedingenden Ursachen zurückzuführen sein wird.
Man beschränkt sich deshalb daranf, auf empirischem
Wege die möglichste Übereinstimmung mit der Beob-
achtunganzustreben. Hierbei benutzt man langjährige
(mindestens 19jährige, d. h. innerhalb eines Mond-
eyklus liegende) Beobachtungen eines Ortes zur Auf-
stellung einer Formel, nach der man dann für den-
selben Ort die zukünftigen G. vorausberechuen kaun.
Diese sog. Methode der harmonischen Ana-
lyse, zuerst von Sir William Thomson angegeben,
ist für die wichtigsten Küstenplätze der Erde bereits
durchgeführt; auf Grund derselben werdenG ezeiten-
tafeln in Deutschland seit 1879 vom Hvdrographi-
schen Amt jährlich erscheinend im voraus berechnet.
Mit Hilfe derselben kann man für jeden Ort dersel-
ben Küstengegend die Zeit des Hoch- und Nicdrig-
wassers sowie die Höhe desselben und auf beige-
gebenen Karten auch die Strömungsricktungcn und
Stärken für jede Stunde entnebmen. Dieselben ent-
balten außerdem für alle Orte der Erde die Hafen-
zeiten, d. b. die wabren astron. Ortszeiten des
Hochwasjel'5 nach Voll- und Neumond, die in der
Negel auch auf den Seekarten und in den Segel-
anweisungen angeführt werden.
Nack Sir William Thomson gelangen übrigens
nur Differentialfluten, d. h. Unterschiede zwischen
den Deformationen der Wafserhülle und der festen
Erdrinde zur Beobachtung. In neuester Zeit ver-
suckt Falb die Erdbebenerscheinungen als G. des
flüssigen Erdinnern zu erklären.
Besonders eigenartig ist die Entstehung der G.
! im engl. Kanal, da diese von der Vereinigung zweier
! Flutwellen herrühren, von denen die eine aus dein
^ Atlantischen Ocean kommend direkt östlich laufend in
den .Nanal eintritt und dann an der Themse mit einer
bereits 12 Stunden ältern von Norden herumge-
! kommenen Flutwelle zusammeutrifft. Hierdurch ent-
! stehen die merkwürdigsten Strömungserscheinungen,
die sich nur durch eine großartige Interferenz-
ersckeinung stehender Wellen erklären. Eine weitere
Folge dieser Erscheinungen ist die wunderbare Flut
turve, die am Marsdiep beim Helder, an der
Nordspitze Hollands, Terel gegenüber, beobachtet
wird. Hier beträgt die Flutdauer nur 2 Stunden,
die Ebbedauer etwa 6, und während der übrigen
4-5 Stunden steht das Wasser ziemlich unverän-
dert in der Höhe des Hochwassers. Bekannt sind die
abnormen Fluthöhen in der Fundybay in Nord-
amerika, die im äußersten Ende der Bucht bis
zu 21 in betragen. In Flußmündungen dringt die
Flut oft als schäumender Wellenkamm mit mächti-
gem Tosen ein, wie die Pororoca im Amazonell-
strom oder die Boren im Hugli. Weniger stark haben
das auch die europ. Flüsse (Mascaret der Seine
und Loire, das Rastern in der Elbe und Weser).
L itteratu r. Lentz, Flut und Ebbe und die Wir-
tungen des Windes auf den Meeresspiegel (Hamb.
1879); von Voguslawsti und Krümmel, Handbuch
dcr Oceanographie (2 Bde., Stuttg. 1884 - 87)',
Handbuch der Navigation (hg. vom Hydrographi-
schen Amt, 3. Aufl., Verl. 1891); Anleitung zu
wissenschaftlichen Beobachtungen auf Neisen (hg.
von Neumaner, 2. Aufl., ebd. 1888); Vörgeu,
Harmonische Analyse der G. (ebd. 1887); Krümmel,
Erosion durch Gezeitenströme (in Petermanns "Mit-
teilungen", Gotba 1889).
Gezeugmeister, Vorsteher der Arkeley (s. d.).
Gezeugstrecken, s. Soblenstrecken.
Gezogene Feuerwaffen, Gewehre (s. Hand-
seuerwafsen), Kanonen ls. Geschütz) u. s. w. mit
mrchenartigen Vertiefungen in den Wänden ihrer
Bobrung. Diese Vertiefungen heißen Züge (s. d.),
die zwischen ihnen stehen bleibenden rippenartigen
Erböhungen Felder, beide sind meist schrauben
artig gewunden; die Art und Größe dieser Windung
wird mit Drall (s. d.) bezeichnet. Der Gegensatt
von G. F. sind Glatte Feuerwaffen (s. d.).
Gfällcrwald, Teil des Böhmerwaldes (s. d.).
Gfrörer, Aug. Friedr. ^Geschichtschreiber, ged.
5>. März 1803 zu Calw im lHchwarzwaldc, studierte
l. 821-25 in Tübingen Theologie, hielt sich bis
l82tt erst in Lausanne, dann als Gesellschafter
Bonstettens in Genf auf, widmete sich darauf iu Rom
dem Studium der ital. Sprache und Litteratur, wurde
1828 Repetent im cvang. <^)tift zu Tübingen und
1829 Stadtvikar in Stuttgart, wo ihm 1830 eine
Anstellung an der Landesbibliothek die erwünschte
Gclegenbeit gab, der theol. Laufbahn zu entsagen.
Fm Herbst 1846 folgte er einem Nufc an die katb.
Universität Freiburg, wo er 1853 zum Katholicis-
mus übertrat und bei den Streitigkeiten der bad.