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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Haitien - Haizinger (Amalie)
Sklaverei trachteten, brach der Aufstand nnter dem
Neger Dessalines (s. d.) von neuem aus, und die
Franzosen mußten endlich im Nov. 1803 unter Ro-
chambeau die Insel räumen. Sowohl der Versuch,
die Insel wiederzugewinnen, als auch ihre Preis-
gabe war eng verknüpft mit Napoleons auswär-
tiger Politik. 1802 war Friede mit England, und
Napoleon entwarf den Plan einer bedeutenden Aus-
dehnung des franz. Kolonialbesitzes, besonders in
Louisiana, dessen er sich 1800 von seiten Spaniens
versichert hatte. Santo Domingo war die blühendste
und nutzbringendste franz. Kolonie gewesen und war
durchaus nötig als Schiffsstation und Mittelpunkt
der Organisation. Um die Insel wiederzugewin-
nen, opferte er daher freigebig feine Trnppen. Als
1803 in Europa von neuem Krieg ausbrach, wurde
er der Kolonialunternehmungen müde, Louisiana
wurde an die Vereinigten Staaten überlassen und
die Insel H. bald darauf preisgegeben. Deffalines,
ein rauher Tyrann, gab der Infel ihren alten Na-
men H. (das Vergland) wieder, erklärte sie Anfang
1804 zur Republik, ließ sich aber bereits Dez. 1804
als Jakob 1. zum Kaiser ausrufen, verlieh dem
Staate 20. Mai 1805 eine neue Verfassnng, wurde
aber schon 17. Okt. 1806 in einem Aufruhr ermor-
det. An der Spitze der Verschwörung standen der
Negergeneral Henri Christophe und der Mulatte
Alexander Pe'tion. Jetzt brach der Haß und die Ri-
valität zwischen Mulatten und Negern wieder aus,
die fortan der eigentliche Grund allerinnern Kämpfe
blieben. Der Kampf zwifchen Petion, als Haupt
der Mulatten, und Christophe, als Haupt der Ne-
ger, hatte 1808 den gerfall der Insel in eine Mn-
lattenrepublik, mit Pe'tion als Präsidenten, im Sü-
den und in den Negerstaat H. im Norden, mit Chri-
stophe als Präsidenten, zur Aolge. Diesen Staat
verwandelte Christophe 1811 m eine erbliche Mon-
archie und lieh sich als König Heinrich I. krönen.
Nach Pstions Tode (27. März 18 l8) versuchte Hein-
rich die Mulattenrepnblit mit seinem Königreich zu
vereinigen, wurde aber durch des erstern Nachfolger,
den Präsidenten Voyer (s. d.), daran verhindert.
Christophe erschoß sich 8. Okt. 1820, weil er sich in
einem Aufstande von allen verlassen sah, und es
fand nun 26. Nov. 1820 die freiwillige Wiederver-
einigung beider Teile des franz. Domingo zu einer
einzigen Republik statt, der sich 1822 auch der span.
Anteil der Insel anschloß, der l.808 von den Spa-
niern wiedererobert worden war, 1821 aber sich als
selbständige Republik von dem Mutterlande losge-
sagt hatte. Seit 1822 regierte Voyer als lebensläng-
licher Präsident nach einer 2. Juni 1816 von Pe'tion
erlassenen freisinnigen Verfassung und that alles,
um die Civilisation des jungen Staates zu fördern.
Er wurde jedoch 1843 durch neue Unruhen und Auf-
stände vertrieben. In den nunmehr ausbrechcnden
Bürgerkriegen folgten sich Herard-Riviere bis 1844,
Ouerrier bis 1845, Pierrot bis 1846 und Riche bis
1847 als Präsidenten. Unter Herard-Riviere brach
im Sommer 1843 im Osten eine Empörung aus, in
deren Verlauf der ehemals span. Teil der Insel sick
wieder von H. lossagte und sich 27. Febr. 1844 als
selbständige Republik Santo Domingo ls. d.) kon-
stituierte. Ein Heer, das zur Unterworfung der Em-
pörer ausgesandt wurde, erlitt eine Niederlage, und
neue innere Wirren verhinderten ein kräftiges Auf-
treten gegen die Abtrünnigen, die ihre Selbständig-
feit behaupteten. An Richös stelle trat 1. März
1847 der Negergeneral Soulouque (s. d.), der er-
bitterte Feind aller Weißen, der sich 26. Aug. 1849
nach Napoleonischem Vorbild als Faustin I. zum
Kaiser proklamierte, Fürsten, Herzöge und Barone
dutzendweise ernannte und die haitische Ehrenlegion,
den Faustinnsorden, stiftete. Er unternahm drei-
mal einen Versnch, die Nachbarrepublit Santo
Domingo wieder zu unterwerfen, doch scheiterten
seine Angriffe jedesmal an dem kräftigen Wider-
stand der Angegriffenen. Durch Grausamkeit und
List behauptete er sich bis zum 15. Jan. 1859, wo
er durch den Mulatten Geffrard (s. d.) gezwungen
wurde, die Krone niederzulegen und ins Ausland
zn flüchten. Gcffrard führte die Republik wieder
ein und wurde zu deren erstem Präsidenten erwählt.
Er suchte durch liberale Reformen, Ermäßigung des
Zolltarifs und Gründuug einer Flotte Handel und
Verkehr zu heben, erregte aber dadurch die Unzu-
friedenheit einer Gegenpartei, an deren Spitze Sal-
nave trat, dem es 13. März 1867 gelang, ihn zu
stürzen. Es folgten als Präsidenten Saget 1870,
Dominique 1874, Boisrond-Canal 1876, die alle
durch Revolutionen vor dem Ablauf der verfassungs-
mäßigen Rcgierungsperiode vertrieben wurden.
1879 bemächtigte sich General Salomon der Herr-
schaft. Eine Militärrevolution zwang ihn 1888 das
Land zu verlassen, und nun gerieten die Führer der-
selben, die Generale Legitime und Hippolite mitein-
ander in Streit. Ein Bürgerkrieg, der ein Jahr
lang dauerte, folgte; endlich gewann Hippolite die
Oberhand, vertrieb feinen Gegner Aug. 1889, ließ
sich zum Präsidenten wählen und erließ eine neue
Verfassung. Frühling 1891 brach von neuem ein
Aufstand aus, der nur mit vielem Blutvergießen
unterdrückt wurde.
Litteratur. Jordan, Geschichte der Insel H.
(1. u. 2. Tl., Abteil. 1, Lpz. 1846-49); Madiou,
lliZtoii^ ä'II. (3 Bde., Port-au-Prince 1847-48);
Handelmann, Geschichte von H. (Kiel 1856); Nau,
11i8toii'6 (168 (^ciciu68 (16 n. (Port-au-Prince 1855);
Ardouin, I^wä68 8nr 1'di8toir6 ä6 H. (11 Bde., Par.
1853 - 61); Saint-Remr^I^twii 6t II. (5 Bde.,
ebd. 1858); Linstant - Pradine, I56eu6i1 Z6n6i-kü
(168 lois 6t 3>et68 äu ^0nv6rn6ili6iit ä'II. (5 Bde.,
ebd. 1851 - 65); Bonneau, H., 868 pi-o^i'68, 8on
av6uil, ÄV6C un pr6ci8 ki8toriHU6 8ur 863 c0Q8titu-
ti0N8, 6tc. (ebd. l862); La Selve, IIi8t0ir6 äe 1a
1itt6r3.tui6 daiticmlie ä6pui8 868 oriAiii68 ^U8yu'ü.
1108 ^oui-8 (Versailles 1876); ders., 1^6 PÄ^8 ä68
MZl68, V0^HZ6 3. II. (Par. 1881); Ramsay, ^.dr6F6
ä6 Ia F60<ri li^ilis ä'H. (ebd. 1881); Ianvier, 1.3. l6-
Md1i<iu6 ä'II. 1840-82 (ebd. 1883); Eaint-John,
H. 0l tli6 Vi^ck NsMdlio (Lond. 1884; 2. Aufl.
1889); Fortunat, ^ouv6ii6 ^60FrapIii6 ä61'ii6 ä'II.
(Port-au-Prince 1888); Rouzier, Di^ticmnaii^ 360-
Frapkiciu6 et Hämin^tra.tit' univ6r86i ä'II. i1w8tie
(Bd. 1, ebd. 1892); Tippenhauer, Die Insel H.
(Lpz. 1893). ^ Le Cap Ha'üi.
Ha'itien, Cap (spr. cntläng), Stadt auf Haiti,
Haiziltger, Amalie, Schauspielerin, die Toch-
ter des bad. Kammcrfouriers Morftadt, geb. 5. Mai
1800 in Karlsruhe, trat früh in kleinen Opernrollen
daselbst auf, heiratete 1816 den Schauspieler Neu-
mann und entwickelte bald auch ihr Talent für das
recitierende Schauspiel. Auf Kunstreisen bis nach
Paris, London und Petersburg wurde sie mit En-
thusiasmus aufgenommen. Nach dem Tode ihres
ersten Gatten (Sept. 1821) vermählte sie sich 1827
mit dem Opernsänger Ant. Haizinger (s. d.). 1846
nahm sie ein Engagement am Wiener Burgtheater