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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hansa (Städtebund)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Hansa'

namentlich seit dem Zusammenbruch des Rheinischen Bundes (s. d.), in großer Fülle am Rhein, in Westfalen, Sachsen und an der Ostsee. Die Gleichmäßigkeit der Interessen bewirkte aber, daß nicht nur manche Städte an mehrern solcher Bünde beteiligt waren, sondern auch ganze Städtegruppen in ein näheres Verhältnis zueinander traten, und gerade hierauf übten die ausländischen Kaufmannsgilden einen hervorragenden Einfluß aus. Zusammengesetzt aus Angehörigen aller möglichen Städte, suchten und fanden sie bei Druck und Privilegienverletzung Schutz und Hilfe in der Heimat und veranlaßten dadurch sowohl ein immer festeres Zusammenschließen der Städtebünde als auch die allmähliche Unterordnung der auswärtigen Hansen unter die heimische H.

Diese Entwicklung vollzog sich von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrh., und Lübeck gebührt das Verdienst, sie zielbewußt geleitet zuhaben. Zum Abschluß gelangte sie aber, als König Waldemar IV. von Dänemark 1361 Wisby eroberte und durch gewaltsame Beeinträchtigung des Handels die Städte zwang, sich enger zu verbinden. Am 19. Nov. 1367 vereinbarten die Ost- und Nordsee- sowie die Binnenstädte des nördl. und nordwestl. Deutschland zu Köln die berühmte «Konföderation»; ein Kriegsbündnis, das den hundertjährigen Kampf zwischen Lübeck und Dänemark durch einen entscheidenden Sieg glücklich beendete. In den Friedensschlüssen von 1370 und 1376 mußten sowohl Dänemark als auch das verbündete Norwegen Schadenersatz und Erweiterung der Handelsprivilegien bewilligen. Gleichzeitig erlangte Albrecht von Mecklenburg mit hansischer Hilfe den Thron Schwedens und bezahlte dafür mit dem großen Privilegium von 1368. Damit beginnt die Glanzperiode der deutschen H. Seitdem beherrschte sie die Ostsee und den gesamten Zwischenhandel zwischen Osten und Westen des nördl. Europa, und diese Herrschaft aufrecht zu erhalten blieb fortan ihr einziges Ziel. Im Gegensatz zu den süd- und mitteldeutschen Städtebünden sah sie von jeder aktiven Anteilnahme an dem polit. Leben des Reichs und seiner Teile ab, um sich auf die Wahrung der Handelsinteressen zu beschränken, und als einzige Trägerin der deutschen Handelspolitik wurde sie eine polit. Macht ersten Ranges für alle nordeurop. Gebiete.

Trotzdem hat die H. niemals eine eigentliche Bundesverfassung ausgebildet. Die Leistungen für Bundeszwecke wurden in jedem einzelnen Falle vertragsmäßig festgestellt und auch die Einteilung des Bundes in drei Drittel (das wendische, das westfälisch-preußische und das gotländische), später in vier Drittel bez. Viertel (das wendische, das westfälische, das sächsische, das preußische) hat wesentlich nur für die Verwaltung der Kontore Bedeutung gehabt. Dagegen war Lübeck, das ohnehin als Oberhof (Appellationsinstanz) für alle nach Lübischem Recht richtenden Städte eine einflußreiche Stellung einnahm, als der Vorort der H. anerkannt. Es berief die Hansetage, auf denen die «Ratssendeboten», die Abgeordneten der Städte, die Angelegenheiten des Bundes berieten. Auch die innern Verhältnisse einzelner Städte kamen gelegentlich zur Sprache, insbesondere Zwiste zwischen den Räten und Bürgerschaften; widerspenstige Städte wurden «verhanset», d. h. ausgestoßen. Die Abgeordneten waren meist durch Instruktionen beschränkt und mußten die Beschlüsse an den Rat ihrer Stadt ↔ «zurücktragen», sodaß es von dessen gutem Willen abhing, ob und wieweit etwas zur Ausführung kam. Am lauesten zeigten sich die Binnenstädte, die keinen unmittelbaren Vorteil von dem ausländischen Handel hatten. Auch sah die erstarkende Fürstengewalt solche Bündnisse ihrer Landstädte ungern und zwang sie zum Rücktritt. So gingen im 16. Jahrh. Fast alle deutschen Binnenstädte der H. verloren.

Doch schon weit früher war auch zwischen den Seestädten tiefe Spaltung eingetreten. Je mehr sich der Handel entwickelte, desto mehr wurden im direkten Verkehr der Endplätze die Zwischenstationen übergangen. Die Niederländer fuhren direkt nach Schweden und Rußland; die preuß.-livländ. Städte begannen nach England, Frankreich und Niederland zu handeln. Lübeck, dadurch in seiner Bedeutung als Hauptstapelplatz des Ostseehandels bedroht, versuchte dagegen eine Art Stapelzwang geltend zumachen. Die Folge war, daß die inzwischen burgundisch gewordenen Niederländer 1423 ein Bündnis mit Dänemark gegen die H. eingingen und dafür von den Städten von der Ostseefahrt ausgeschlossen wurden. Darüber entbrannte ein Seekrieg, der freilich 1441 durch den provisorischen, aber von Jahrzehnt zu Jahrzehnt erneuerten Frieden von Kopenhagen geschlichtet wurde, jedoch die allmähliche Entfremdung der holländ. Gemeinwesen vom Reiche mächtig förderte. Der Streit endete nach dem Sturze Wullenwevers (s. d.) mit dem Siege der Niederländer. Als thätige Mitglieder der H. blieben schließlich fast nur die sogenannten wend. Städte übrig, die mit Lübeck wesentlich gleiche Interessen hatten, außerdem Hamburg und Lüneburg. Diese waren es fast allein, die während des 15. Jahrh. in schweren Kriegen gegen die skandinav. Unionskönige die Ostseeherrschaft siegreich behaupteten.Der letzte und glänzendste Erfolg, die Entthronung König Christians II. und völlige Auflösung der Skandinavischen Union (1523), ward durch einen Kriegsbund zwischen Lübeck und Danzig errungen.In diesen Kriegen hatte regelmäßig Schweden und meist auch Schleswig-Holstein auf seiten der H. gestanden. Als es aber 1534 wieder zum Kriege kam (in der sog. Grafenfehde, s. d.), waren Schleswig-Holstein, Dänemark und Schweden miteinander verbündet; dagegen hielten zu Lübeck nur Wismar, Rostock und Stralsund, während einige andere Orte Subsidien zahlten. Die Städte erlagen und mußten froh sein, im Frieden nur einen Teil der frühern Privilegien als Gnadengeschenk wiederzuerlangen. Auch der letzte Krieg, den Lübeck als Bundesgenossin der Krone Dänemark 1563–70 gegen Schweden führte, hatte keinen bessern Erfolg, die Ostseeherrschaft war für immer verloren. Die Nationen des Nordens erhoben sich immer selbständiger; die Entdeckung Amerikas und die Auffindung des Seeweges nach Ostindien hatten dem Handel eine andere Richtung gegeben und neue Verkehrswege eröffnet. Die Heringszüge wandten sich um die Mitte des 16. Jahrh. der Nordsee zu, die schonischen Fischerlager und mit ihnen wichtige Märkte gerieten in Verfall. Auch der russ. Handel, den die Zerstörung des Kontors von Nowgorod (1494) bereits schwer geschädigt hatte, wurde für die H. Durch die russ.-poln.-schwed. Kriege um Livland unterbrochen und fiel den Engländern und Niederländern anheim, die ihn nach Archangelsk ablenkten. Im Westen half es nichts, daß man den Stapel aus dem sinkenden Brügge 1540 nach dem durch den

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 801.